Berlin.Table Table.Standpunkt Kommunalpolitik

Kommunen ins Zentrum – das ist die wahre Staatsreform

Um den Staat wirklich zu modernisieren, bräuchten die Kommunen eine gesetzlich verankerte Vertretung in Berlin, argumentieren Peter Kurz, ehemaliger Oberbürgermeister Stadt Mannheim und Philipp von der Wippel, Gründer von ProjectTogether. Beide sind Teil des Projektes Re:Form.

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Peter Kurz und Philipp von der Wippel

Es ist die Zeit großer Ambition und anzuerkennender Entschiedenheit im Thema Staatsreform, aber es ist bislang eine Entschiedenheit der halben Schritte, wo eigentlich ein großer Sprung notwendig wäre. Die Föderale Modernisierungsagenda ist ein Schritt nach vorn, zeigt aber auch, wie schwer es vielen fällt, das Mögliche mit dem Notwendigen und Vernünftigen zu verbinden.

Das Vernünftige, das wäre es, neben dem notwendigen und nicht ausreichend adressierten Kulturwandel, den Kommunen in diesem Land ein größeres politisches Gewicht zu geben. In den Kommunen wird Demokratie erlebt und gemacht. Sie haben insbesondere im letzten Jahrzehnt eine Vielzahl neuer Aufgaben hinzubekommen, in Sachen Kita-Ausbau, Ganztagsschule, beim Klima oder in der Migration – ohne dafür entsprechend ausgestattet zu sein, finanziell oder innerhalb der demokratischen Architektur.

Daran werden auch die Inhalte der Föderalen Modernisierungsagenda wenig ändern. Die Agenda hat einen auffälligen Konstruktionsfehler, der sich entscheidend auf die vorgeschlagenen Lösungen überträgt: Kommunen wurden kaum beteiligt. Das spiegelt durchaus ihren untergeordneten Verfassungsrang wider, sie sind bloße „Töchter der Länder“. Aber Demokratie kann nicht gut funktionieren, wenn die, um die es geht, und die Politik von Bund und Ländern neben der eigenen umsetzen sollen, nicht an den Entscheidungen beteiligt werden. Es resultiert in Überforderung, Schlechtleistung und Entscheidungen zulasten Dritter.

Dieses Defizit gälte es als Erstes zu beseitigen: Eigentlich sollten die Kommunen als dritte staatliche Ebene neben Bund und Ländern anerkannt werden. Aktuell werden die Kommunen nur über Spitzenverbände eingebunden, sie werden behandelt wie eine weitere Interessensgruppe, nicht wie entscheidende demokratische Akteurinnen. Dies steht einer echten Modernisierung zu mehr Handlungsfähigkeit im Weg.

Hier müsste also die Veränderung beginnen: Die Kommunen müssen mit an den Tischen sitzen, an denen über ihre Aufgaben entschieden wird. Und in allen strategischen Fragen und bei der Gesetzgebung muss ihre Expertise genutzt werden. Wenn Entscheidungen fallen, sollten sie direkt eingebunden sein, als Partnerinnen auf Augenhöhe. Wenn wir diese Prämisse ernst nehmen, bedeutet das: Kommunale Sitze im Bundesrat. Eine Möglichkeit wäre, dass für jedes Bundesland zusätzlich zur Ministerebene ein Vertreter oder eine Vertreterin der Kommunen beteiligt wird.

Natürlich, für diese Veränderung bräuchte es eine Änderung des Grundgesetzes. Aber wann, wenn nicht jetzt sollten wir diese angehen? Wir leben in einer Zeit, in der laut dbb-Umfrage 73 Prozent der Menschen den Staat für überfordert halten angesichts der Fülle seiner Aufgaben und Probleme. Vor dem Hintergrund der rasanten Veränderungen und großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Digitalisierung, Demografie, autoritäres Erwachen, geopolitische Bedrohungen – braucht es eine andere Qualität des Zusammenspiels der staatlichen Ebenen.

Es reicht nicht mehr, immer neu zu bedauern, wie sehr die Kommunen leiden – und dann doch nichts grundlegend zu ändern. Diese Kluft zwischen Analyse und Handeln erzeugt Verdruss oder schlimmer: Misstrauen der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den demokratisch Handelnden oder der Demokratie selbst. Kommunalpolitik ist Demokratiepolitik.

Konkret bedeutet das: Der erneut in der Modernisierungsagenda angesprochene Zukunftspakt von Bund, Ländern und Kommunen muss endlich genau dafür genutzt werden. Er muss die kommunale Handlungsfähigkeit sichern, die in größter Gefahr ist. Der Zukunftspakt ist eine Antwort auf die Frage: Wie setzen wir die staatlichen Ressourcen so ein, dass es die meiste Wirkung für den Bürger erzeugt?

Zusätzliches Geld würde auch frei, wenn man mit der Verwaltungs- und Staatsreform ernst macht und genau schaut, was auf Bundes- und Landesebene alles gebündelt oder automatisiert werden kann. Eine ehrliche Betrachtung, welche Aufgaben auf welcher Ebene am besten erfüllt werden kann, würde dazu führen, dass der Großteil der Aufgaben entweder auf Bundesebene gebündelt oder auf kommunaler Ebene dezentralisiert bzw. zugänglich gemacht würde. Das ist die Agenda, die es braucht.

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Letzte Aktualisierung: 04. Dezember 2025