Table.Standpunkt | Bürokratieabbau
Erscheinungsdatum: 04. August 2025

Entbürokratisierung ja, aber nicht auf Kosten des Verbraucherschutzes

Seit 2022 bei der Verbraucherzentrale, davor Wirtschaftssenatorin in Berlin: Ramona Pop (Dominik Butzmann/vzbv)
Eine gute Wirtschaftspolitik denkt den Verbraucherschutz von Anfang an mit – und reduziert Bürokratie so quasi automatisch, schreibt die Vorständin des Verbraucherzentrale-Bundesverbands.

Weniger Bürokratie – das ist eine zentrale Forderung, um der Wirtschaft mehr Schwung zu verleihen. An vielen Stellen teilt die Verbraucherzentrale diese Forderung. Ein Zuviel an Bürokratie ist auch aus Verbrauchersicht ein Hemmschuh. Ein gutes Beispiel sind Solarbalkonanlagen: Hier sind Anmeldung und Installation deutlich einfacher geworden. Von dieser Art der Entbürokratisierung profitieren alle – Verbraucherinnen und Verbraucher, Wirtschaft und letztlich auch der Staat.

Entbürokratisierung darf aber nicht auf Kosten des Verbraucherschutzes gehen. Es braucht klare Spielregeln, an die sich alle Unternehmen halten müssen. Gerade in unsicheren Zeiten brauchen die Menschen die Sicherheit, dass Regeln und Gesetze sie auch im Alltag schützen. Diese Sicherheit schafft Vertrauen – auch in den Staat – und ist eine wichtige Basis für Kaufentscheidungen und Investitionen.

In Deutschland tragen Verbraucherinnen und Verbraucher immerhin zu 50 Prozent mit ihrem Konsum zur Wirtschaftsleistung bei. Der komplex gewordene Verbraucheralltag wird nicht automatisch einfacher, wenn Regeln abgeschafft werden. Sinnbildlich gilt übrigens gleiches im Straßenverkehr: Der Verkehr wird nicht sicherer und flüssiger, indem wir die Straßenverkehrsordnung abschaffen.

Das Gemeinwohl und der wirtschaftliche Erfolg brauchen Regeln. Das sollte selbstverständlich für die Sicherheit von Lebensmitteln gelten. Hier geht es um unsere Gesundheit. Auch beim Spielzeug muss der Gesetzgeber genau hinschauen: Immer wieder werden giftige Materialien oder gefährliche Produkte hier zu echten Risiken für die ganz Kleinen. Regeln brauchen wir auch bei Finanzprodukten, Gebühren oder im Vertragsrecht: Wir dürfen Fake, Betrug oder überteuerte Angebote nicht einfach hinnehmen. Denn die Schäden können immens sein.

Vertragsärger ist übrigens das Hauptthema in den Verbraucherzentralen vor Ort: Täglich berichten uns Menschen von Verträgen, die sie nie abschließen wollten, unter anderem nach einem Telefonat, an der Haustür oder auch per Post. Die Folge sind immer ungewollte Kosten. Das zeigt: Regeln sind notwendig, damit Märkte fair, transparent und sicher funktionieren.

Eine gute Wirtschaftspolitik muss den Verbraucherschutz von Anfang an mitdenken. So werden umfassende Berichtspflichten oder auch gerichtliche Auseinandersetzungen überflüssig. Bürokratie würde quasi automatisch reduziert. Wenn zum Beispiel Finanzvermittler keine Provisionen für ihre Produktempfehlungen mehr kassieren dürften, dann wären viele verpflichtende Informationsblätter für Kundinnen und Kunden schlicht unnötig.

Ein gutes Beispiel ist der Kündigungsbutton auf Websites: Damit können Verbraucherinnen und Verbraucher einfach per Klick aus Verträgen aussteigen. Zugleich erhält auch ein Unternehmen die Kündigung automatisiert und kann sie so besser bearbeiten. Noch ein schöner Fall ist die neue Form der Sammelklage. Sie hilft Verbraucherinnen und Verbrauchern, bei Massenschäden ihr Recht einfach durchzusetzen. Ein Gericht entscheidet über die Ansprüche einer Vielzahl von Personen, die in gleicher Weise geschädigt wurden. Die Justiz wird erheblich entlastet, wenn es eine Klage für alle gibt statt vieler Einzelklagen.

Bürokratieabbau ist gut und richtig, wo er auf eine starke Wirtschaft einzahlt. Aber bitte nicht zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher. Alle sind sich einig, der Alltag der Menschen braucht Entlastung – finanziell, aber auch was die Sorgen betrifft, online manipuliert und dort wie auch in der analogen Konsumwelt übervorteilt zu werden. Wirtschaft und Verbraucherschutz müssen zusammen gedacht werden – nur so kann die Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnen.

 

Letzte Aktualisierung: 28. Juli 2025
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