Table.Briefing: Berlin Ausgabe: 588

Neue Welt Nahost + Sigmar Gabriels Kritik + Tod in Amerika

Berlin.Table
Das Late-Night-Briefing aus der Hauptstadt
#588 / 15. Juni 2025
Talk of the Town: Neue Welt im Nahen Osten? Warum Israels Angriff so riskant ist – und doch alles verändern kann
Sigmar Gabriel und die Welt: Ex-SPD-Chef kritisiert Israels Vorgehen im Gaza und nennt SPD-Manifest „Realitätsverweigerung“
Standpunkt zu Gaza: „Zu helfen ist schier unmöglich geworden“
G7-Treffen in Kanada: Nahost-Krieg macht den Ölpreis zum Thema
Lage in den USA: Die Gewalt gegen Politiker eskaliert
Infrastruktur-Sondervermögen I: Junge Unions-Abgeordnete üben scharfe Kritik
Infrastruktur-Sondervermögen II: Junge Bürgermeister fordern 75 Prozent
Masken-Bericht: Spahn für Veröffentlichung
Umgang mit China: Bruchlinien in der Bundesregierung
Atomenergie: Renaissance dank Laufzeitverlängerung
Missbrauch von Sozialleistungen: Größtes Jobcenter für engen Datenaustausch
Demokratie und Nachhaltigkeit: Michael Otto fordert mehr Engagement der Wirtschaft
Heads: Sarah-Lee Heinrich + Anja Eichhorn + Katja Maurer
Best of Table: Korruptionsverdacht in Spanien + Diskussionen vor Paris Air Show + Johannes Volkmann über De-Risking
Must-Reads: Wieso die Regimegegner im Iran gegen die Angriffe sind + Israel braucht Trump für den Kampf gegen den Iran + Weiterhin keine Visa für afghanische Ortskräfte
Nachttisch: „Österreich – Die ganze Geschichte“ – Buchreihe zu ORF-Dokuserie
Talk of the Town
Neue Welt im Nahen Osten? Warum Israels Angriff so riskant ist – und doch alles verändern kann
Von Markus Bickel und Stefan Braun
Auch drei Tage nach Beginn des israelischen Angriffs auf die Militärführung und das Atomprogramm des Iran ist kein Ende in Sicht. Im Gegenteil: Israel fliegt seither in zahlreichen Wellen Attacken auf Ziele bis ins Zentrum von Teheran. Nach Angaben von Experten hat es sich durch die zumindest teilweise Zerstörung der iranischen Luftabwehr eine Art Lufthoheit gesichert. Die Vehemenz der israelischen Angriffe deutet darauf hin, dass der Iran militärisch nahezu handlungsunfähig gemacht werden soll.
 
Bislang ist aber ungewiss, ob dieses Ziel tatsächlich erreichbar ist. Etwa verweisen israelische Sicherheitsexperten darauf, dass Israel bislang zwar die umfangreichen Bunkeranlagen beschädigen, aber nicht zerstören konnte. Ein früherer hochrangiger Mossad-Mitarbeiter sagte Table.Briefings dazu: „Der Erstschlag beeindruckt mich nicht. Der Iran ist ein nuklearer Schwellenstaat mit sechzig Prozent angereichertem Uran. Es bedarf nur einer Entscheidung des Obersten Führers, um die Grenze zu überschreiten.“ Ob die Angriffe auf Atomanlagen im ganzen Land die Fähigkeit des Irans zum Atombombenbau nachhaltig beeinträchtigen, war bis Sonntag weiter offen.
 
Die Intensität der israelischen Militärschläge hielt unvermindert an. Das könnte erklären, warum sich bis Sonntagnachmittag an immer mehr Militärstandorten im Iran Einheiten aus den Kasernen zurückzogen, um nicht getroffen zu werden. Ob das als Anfang vom Ende der Loyalität zum iranischen Regime gewertet werden kann, lässt sich derzeit noch nicht unabhängig bewerten.
 
Dabei steht auch die Frage im Raum, ob sich die Regierung von Benjamin Netanjahu verkalkuliert haben könnte. Sie könnte gehofft haben, dass der ihr eigentlich zugewandte US-Präsident Donald Trump sehr schnell helfen würde, die Atomanlagen zu zerstören. So haben die Amerikaner laut Sicherheitsexperten bunkerbrechende Bomben, die der israelischen Armee offenbar nicht zur Verfügung stehen. Bislang hat die US-Seite nichts unternommen, um in den Konflikt selbst einzugreifen.
 
Der Krieg überschattet auch das bevorstehende G7-Treffen in Kanada. Sollte der Iran entscheidend geschwächt werden und damit auch seinen Einfluss in der Region verlieren, könnte das die Lage weit über die Region hinaus verändern. So könnte Russlands Armee mit dem Iran einen wichtigen Drohnenlieferanten verlieren. Das könnte erklären, warum Wladimir Putin so erpicht darauf ist, zusammen mit Donald Trump als Friedensvermittler in Erscheinung zu treten. Putin will auf keinen Fall auf die Unterstützung aus dem Iran verzichten müssen.
 
Die Europäer dürften in Kanada vieles versuchen, um auch in der Frage wieder mitzureden. Aussicht auf viel Erfolg hat das aber nicht. Bislang gibt US-Präsident Trump den Ton für ein Ende der Auseinandersetzung vor. „Iran und Israel sollten einen Deal machen und werden einen Deal machen“, schrieb er am Sonntag auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social. Das steht zwar im Widerspruch zu Netanjahus Ankündigung, den Konflikt mit Iran in aller Härte militärisch weiterzuführen.
 
Und doch könnte Trumps Verweis auf eine Verhandlungslösung einen Ausweg aus der Eskalation bieten. Zumal wenn die Kritik aus Europa und dem Nahen Osten an Israels Vorgehen in den kommenden Tagen zunehmen sollte. Angesichts steigender Opferzahlen ist das alles andere als unwahrscheinlich. Mindestens 128 Zivilisten seien seit Freitag in Iran getötet worden, gab das Gesundheitsministerium in Teheran am Sonntag bekannt, Hunderte verletzt worden. In Israel sind seit Freitag 14 Menschen bei iranischen Angriffen getötet worden.
 
Gut anderthalb Jahre nach dem 7. Oktober hat Netanjahu vielleicht eine ganz neue Chance: Er könnte mit einer Friedensinitiative aus den taktischen Erfolgen auch strategisch Gewinn zu ziehen. Eine Verhandlungslösung im Atomstreit mit dem militärisch wie politisch erheblich geschwächten Iran könnte den Weg weisen hin zu einer friedlichen Neuordnung des Nahen Ostens, schreibt der israelische Sicherheitsexperte Yossi Melman in einer Analyse für Table.Briefings. Eine solche friedliche Neuordnung läge auch im Sicherheitsinteresse Israels. Dazu aber müsste Netanjahu bereit sein, auf dem Verhandlungsweg auch zu geordneten Regelungen mit Israels Feinden in Gaza, im Westjordanland, im Libanon und im Iran zu kommen. Wie der Israeli auf die Lage und auf sein Land schaut, lesen Sie im Security.Table.
News
Alltag in Gaza: lange Schlangen in der Hoffnung auf Lebensmittel
Sigmar Gabriel und die Welt: Ex-SPD-Chef kritisiert Israels Vorgehen im Gaza und nennt SPD-Manifest „Realitätsverweigerung“. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel hat Verständnis für die Angriffe Israels auf die Atomanlagen des Iran und die Revolutionsgarden gezeigt. „Ein nuklear bewaffneter Iran würde die gesamte Region destabilisieren. Das ist kein ungefährliches Spiel, das die Iraner da spielen“, sagte Gabriel auf der Neu-Denken-Konferenz am Samstag in Palma.
 
Kritisch äußerte sich Gabriel zum militärischen Vorgehen Israels im Gaza. „Gaza ist eine Wüste. Gaza ist längst über den Zeitpunkt hinweg, bei dem man das Vorgehen mit dem Kampf gegen die Hamas rechtfertigen könnte.“ Es sei kein Antisemitismus, wenn man das ausspreche, sonst wären ja auch die Demonstranten in Israel Antisemiten. Israel verliere gerade seine letzten Freunde, so Gabriel. Kein Kampf der Welt könne den Tod tausender Kinder rechtfertigen. „Der Satz, Israels Existenzrecht ist deutsche Staatsräson’ steht nicht über dem Völkerrecht.“
 
Der Ex-Außenminister wandte sich gegen das Manifest einiger SPD-Politiker. Gabriel kritisierte den Text als „über alle Maßen illoyal“ und als Oppositionspolitik in der Regierung. „Das ist immer der Untergang der SPD.“ Gabriel erinnerte daran, dass unter einem Kanzler Willy Brandt die Verteidigungsausgaben bei rund vier Prozent des BIP lagen. „Sie missbrauchen die Entspannungspolitik der 1970er Jahre für die heutigen Konflikte.“ Das Podcast-Gespräch hören Sie ab 5 Uhr hier. Michael Bröcker
 
Standpunkt zu Gaza: „Zu helfen ist schier unmöglich geworden“. Die Versorgung der notleidenden Bevölkerung im Gazastreifen funktioniert schlechter denn je. Von einer „humanitären Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes“ und dem „totalen Versagen einer überforderten Organisation“, spricht in einem Standpunkt für Table.Briefings Anica Heinlein von CARE Deutschland. Gemeint ist die Verteilung von Hilfsgütern durch die im Auftrag der amerikanischen und israelischen Regierung seit einigen Wochen aktive und privat organisierte Gaza Humanitarian Foundation (GHF). Die Leistungen der GHF seien extrem teuer und erreichten nur die Hälfte der Bedürftigen. Die zentralisierte Abgabe von Lebensmitteln im Süden Gazas habe die Lage eher erschwert als verbessert. Auch die Sicherheitsbedingungen hätten sich verschlechtert. Plünderungen seien nun an der Tagesordnung. Warum die CARE-Expertin glaubt, dass es den Kriegsparteien gar nicht um eine Versorgung der Zivilbevölkerung geht, lesen Sie im Standpunkt. Horand Knaup
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Warnung vor Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung benötigt dringend Geld. Deswegen fordern einige Akteure eine massive Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Dass dies fatale Folgen für Arbeitsplätze und den Wirtschaftsstandort Deutschland hätte, belegt eine Studie der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft. (mehr auf pkv.de)
G7-Treffen in Kanada: Nahost-Krieg macht den Ölpreis zum Thema. Der Konflikt im Mittleren Osten dürfte die Tagesordnung auf dem G7-Treffen in Kanada erheblich durcheinanderwirbeln – und den Krieg in der Ukraine als Hauptthema ablösen. Gemeinsame Schlussfolgerungen sind allerdings kaum zu erwarten. Iran ist ein wichtiger Lieferant für die russische Kriegsmaschinerie. Zugleich dürfte Russland von den steigenden Ölpreisen profitieren. Die wiederum stellen die EU vor ein Problem. Am vergangenen Dienstag hatten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die Hohe Vertreterin Kaja Kallas die Senkung des Ölpreisdeckels von 60 auf 45 US-Dollar vorgeschlagen. Bei steigenden Ölpreisen am Weltmarkt dürfte der Ölpreisdeckel schwieriger umzusetzen sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass die US-Regierung bisher nicht hinter dem Vorschlag steht. „Die USA sind wichtig, weil sie über extraterritoriale Sanktionen Druck ausüben können“, sagte ein EU-Beamter Table.Briefings. Am Montagmorgen wird die wirtschaftliche Lage Thema sein. Bundeskanzler Friedrich Merz und Präsident Donald Trump sollen die Debatte eröffnen. Kommissionspräsidentin von der Leyen wird versuchen, die gemeinsamen Interessen mit den USA hervorzuheben. Man teile die US-Bedenken über die chinesischen Exportrestriktionen wichtiger Rohstoffe und über die industrielle Überproduktion, heißt es in Brüssel. Bisher scheint diese Nachricht bei Trump nicht verfangen zu haben. Was sonst noch vom Gipfel zu erwarten ist, lesen Sie im Europe.Table.
Lage in den USA: Die Gewalt gegen Politiker eskaliert. Nicht Millionen Demonstranten auf den Straßen und nicht die Militärparade in der Hauptstadt beschäftigten am Wochenende die Amerikaner. Im Mittelpunkt stand der Doppelmord an dem demokratischen Politikerehepaar Hortmann im Bundesstaat Minnesota. Unmittelbar davor war ein anderes Ehepaar, ebenfalls Demokraten, angeschossen und schwer verletzt worden. Die politische Gewalt in den USA eskaliert. Und ungewöhnlich häufig sind inzwischen Frauen betroffen. Die Gründe für die Eskalation: eine massive gesellschaftliche Polarisierung, politische Akteure, die auf gewalttätige Symbole setzen und ein immer noch einfacher Zugang zu Waffen. Neu ist außerdem an den Attentaten: Die Täter, durchweg Männer, dringen auch in die privaten Rückzugsräume der Politikerinnen und Politiker vor. Wer außerdem von der Gewaltspirale betroffen ist, lesen Sie in der Analyse des Berlin.Table. Horand Knaup
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Table.Forum Digitale Souveränität. Der Wille zur digitalen Souveränität muss auf allen Ebenen bundesweit sichtbar sein und werden. Lesen Sie den Beitrag von Bernd Schlömer hier. schwarz digits
Infrastruktur-Sondervermögen I: Junge Unions-Abgeordnete üben scharfe Kritik. Die Junge Gruppe der Unionsfraktion fordert massive Nachbesserungen am Gesetzentwurf zur Errichtung des Infrastruktur-Sondervermögens. „Der jetzige Entwurf kann so nicht bleiben“, sagte Konrad Körner (CSU), Vize-Chef der Jungen Gruppe, Table.Briefings. Das Versprechen, dass durch die neuen Schulden Infrastrukturinvestitionen für die nächste Generation getätigt werden sollen, werde nicht eingehalten. „Das Motto lautet nach wie vor ,Alles außer Tiernahrung’. Die teuerste Entscheidung dieser Legislatur darf nicht zur Mastercard für Konsum und fehlende Entscheidungen werden“, so Körner.

Körner fordert klarere Definitionen, was Investitionen und Infrastruktur bedeuten. Auch Carl-Philipp Sassenrath (CDU), ebenfalls Mitglied der Jungen Gruppe, bekräftigt: „Entweder das Sondervermögen wird vernünftig ausgegeben – oder gar nicht. Es ist kein Lückenbüßer.“ Genau um die Frage soll es gehen, wenn Bundeskanzler Friedrich Merz in der kommenden Woche erstmals an der Ministerpräsidentenkonferenz teilnimmt. Die Länder wollen dort allerdings genau das Gegenteil erreichen. Sie wünschen sich bei den Vorgaben, wofür das Geld ausgegeben werden darf, nicht weniger, sondern mehr Freiheiten. Maximilian Stascheit
Infrastruktur-Sondervermögen II: Junge Bürgermeister fordern 75 Prozent. Das Netzwerk Junge Bürgermeister*innen will, dass die Kommunen mindestens 75 Prozent der 100 Milliarden Euro bekommen. Laut Gesetzentwurf sollen es „mindestens 60 Prozent sein“. Das Netzwerk junger Kommunalpolitiker kommt zu dem Schluss, „dass selbst dieser Anteil angesichts der gewaltigen Investitionsrückstände vielerorts nicht ausreichen dürfte“. Das schreiben sie in einer gemeinsamen Erklärung, die am Montag veröffentlicht wird. Wenn nicht entschieden gegengesteuert werde, „drohen wir in den kommenden zwei Jahren einen Kipppunkt der lokalen Demokratie zu erreichen“, sagte Martin Aßmuth (FDP) zu Table.Briefings. Der Bürgermeister von Hofstetten in der Nähe von Freiburg ist Mitglied im Bundesvorstand des Netzwerks. Bei dessen Jahreskonferenz Anfang Juni hatte Gastredner Thorsten Frei (CDU) Forderungen nach einem größeren Sondervermögen zurück- und gleichzeitig auf die neuen Verschuldungsmöglichkeiten der Länder hingewiesen. Okan Bellikli
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Masken-Bericht: Spahn für Veröffentlichung. Der ehemalige Gesundheitsminister und heutige Fraktionsvorsitzende der Union sagte im Bericht aus Berlin: „Für mich wäre es leichter, wäre der Bericht öffentlich“. Er kritisiert, dass er selbst in dem Gutachten der ehemaligen SPD-Staatssekretärin Margaretha Sudhof nicht befragt wurde. Anfang 2020 wäre die Situation dramatisch gewesen, Pflegekräfte hätten gesagt, sie stellten ihren Dienst ein, wenn es keine Masken gebe. „Masken waren weltweit nicht zu kriegen, es war Wild-West“, sagte Spahn. Man habe bewusst nicht nach Vergaberecht beschafft, sondern alles getan, um möglichst schnell an Masken zu kommen. Der Bericht liegt der Gesundheitsministerin Nina Warken vor, diese hält ihn aber zurück. NDR, WDR und SZ liegen Teile vor. Darin wird Spahn „fehlendes ökonomisches Verständnis“ und „politischer Ehrgeiz“ vorgeworfen. Er habe „nachweislich gegen den Rat seiner Fachabteilungen“ und statt als „Team Staat“ als „Team Ich“ gehandelt. Leonard Schulz 
Umgang mit China: Bruchlinien in der Bundesregierung. Das Manifest der sogenannten SPD-Friedenskreise fordert nicht nur eine Annäherung an Russland. Auch die chinapolitischen Forderungen des Papiers dürften für Ärger in der Koalition sorgen. Darin verlangen mehr als 100 Personen um den Ex-SPD-Fraktionschef und neuen China-Berichterstatter Rolf Mützenich etwa: „Keine Beteiligung Deutschlands und der EU an einer militärischen Eskalation in Südostasien“. Gemeint sind Bestrebungen, die Freiheit der Verkehrswege in der Taiwanstraße und im südchinesischen Meer zu schützen – und damit zur Sicherheit Taiwans beizutragen. Im vergangenen Jahr durchkreuzte zum ersten Mal seit 22 Jahren eine deutsche Fregatte samt Begleitschiff die Taiwanstraße. Im Mai unterzeichnete Mützenichs Parteifreund, Verteidigungsminister Boris Pistorius, mit den Philippinen eine militärische Kooperationsvereinbarung. Was das Papier an weiterer Brisanz bereit hält, lesen Sie im China.Table. Angela Köckritz
Atomenergie: Renaissance dank Laufzeitverlängerung. Die EU-Kommission hat ihre Prognose für den Ausbau der Atomenergie in Europa stark nach oben korrigiert. Bis zur Mitte des Jahrhunderts werden die Kraftwerkskapazitäten von derzeit 98 auf voraussichtlich 109 Gigawatt anwachsen. Dafür würden Investitionen von 240 Milliarden Euro benötigt. So steht es im neuen hinweisenden Nuklearprogramm (PINC), in dem die Kommission alle paar Jahre die Pläne der Mitgliedstaaten zusammenfasst. Es könnte auch als Basis für die Forderung nach neuen Subventionen dienen.
 
Bislang war die Kommission von einem Rückgang der AKW-Kapazitäten ausgegangen. Noch vor einem Jahr rechnete sie mit einer Abnahme auf 71 Gigawatt bis 2050. Europas Atomkraftwerke sind im Schnitt 35 Jahre alt und nähern sich dem Ende ihrer ursprünglichen Laufzeit. Mehrere Regierungen wollen diese jedoch deutlich verlängern. Wie groß der Anteil der Rentner-AKW an der Atom-Renaissance ist, lesen Sie im Europe.Table. Manuel Berkel
Missbrauch von Sozialleistungen: Größtes Jobcenter für engen Datenaustausch. Der Geschäftsführer des Hamburger Jobcenters plädiert für eine engere Zusammenarbeit zwischen Jobcentern und Behörden wie Finanzämtern und Familienkassen. Man nutze bereits den eigenen Außendienst für Prüfungen und schalte bei konkreten Verdachtsfällen auch Staatsanwaltschaft und Zoll ein, sagte Dirk Heyden zu Table.Briefings. Mehr Datenaustausch auch mit Melde- und Sicherheitsbehörden würde beim Kampf gegen Sozialleistungsmissbrauch helfen. Der Bund will diesen Austausch in einem Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit fördern. Finanzminister Lars Klingbeil will noch vor der Sommerpause einen Entwurf für das aus der Ampel-Zeit stammende Vorhaben vorlegen.
 
Der damalige Entwurf sollte den Zoll verpflichten, die Ergebnisse seiner Ermittlungen und Prüfungen Jobcentern „unverzüglich“ zu melden. Schon im April hatte Constanze Voß, Chefin der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS), im Interview mit Table.Briefings eine schnelle Gesetzesverabschiedung gefordert. Schwerwiegender Leistungsmissbrauch kommt laut Jahresbilanz der Bundesagentur für Arbeit nur selten vor. Aber es heißt auch, dass verlässliche Aussagen „über den tatsächlichen Umfang des Leistungsmissbrauchs und die dadurch entstehenden Vermögensschäden“ nicht möglich seien. Laut BMAS gibt es keine bundesweiten Zahlen, „da es sich um ein kommunales Phänomen handelt“; laut FKS ist der bandenmäßige Sozialleistungsmissbrauch rückläufig. Okan Bellikli
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Demokratie und Nachhaltigkeit: Michael Otto fordert mehr Engagement der Wirtschaft. Der langjährige Vorstandsvorsitzende der Otto Group, Michael Otto, nimmt die Wirtschaft bei der Stärkung demokratischer Institutionen in die Pflicht. „Die demokratischen Staaten gehen weltweit zurück und viele Unternehmerinnen und Unternehmer ziehen sich aus der Öffentlichkeit zurück, das macht mir Sorge“, sagte Otto Table.Briefings am Rande der Konferenz Neu Denken. „Wir müssen die demokratischen Strukturen stärken, uns wieder zuhören und mehr miteinander reden“, sagte Otto. „Ich war selbst auch zu zurückhaltend“, so Otto. Die Transformation der deutschen Wirtschaft hält Otto, der Präsident der Stiftung KlimaWirtschaft ist, für eine ökonomische und gesellschaftliche Notwendigkeit. „Wir müssen das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken.“ Das Podcast-Gespräch hören Sie hier.  
Heads
Sarah-Lee Heinrich arbeitet für den Linken-Abgeordneten Cem Ince. Die 24-jährige war im vergangenen Oktober als Sprecherin der Grünen Jugend zurückgetreten und aus der Partei ausgetreten, um sich an der Gründung einer neuen linken Jugendorganisation zu widmen. Im April dieses Jahres wurde bekannt, dass diese den Titel „Junge Linke“ trägt, aber nicht offiziell bei der Linken angedockt ist. Heinrich hatte im Oktober auf dem Parteitag der Linken gesprochen und die Partei im Wahlkampf unterstützt. Leonard Schulz
 
Anja Eichhorn und Marco Böhme sind zu den neuen Vorsitzenden der Linken in Sachsen gewählt worden. Die bisherigen Vorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann waren nicht erneut angetreten, weil sie sich auf ihre Rolle als Fraktionsvorsitzende im Landtag konzentrieren wollen. Leonard Schulz
 
Katja Maurer ist neue Landesvorsitzende der Linken in Thüringen. Die Landtagsabgeordnete hatte ursprünglich nicht vor, zu kandidieren. Nachdem der bisherige Vorstand Christian Schaft und Ulrike Grosse-Röthig mit einem Antrag zur Auflockerung der Ämterhäufung gescheitert waren, konnte der Fraktionsvorsitzenden Schaft nicht mehr kandidieren. Die 34-jährige Maurer trat spontan an. Ralf Plötner wurde zu ihrem Co-Vorsitzenden gewählt. Leonard Schulz
Best of Table
Europe.Table: Korruptionsverdacht in Spanien. Ein Untersuchungsbericht belastet die Partei von Ministerpräsident Pedro Sánchez. Im Raum steht der Verwurf der Bestechlichkeit und illegalen Parteienfinanzierung. Welches Netzwerk dahinterstehen soll, lesen Sie hier.
 
China.Table: „Soll ein Systemrivale mit Tiktok ein Hauptinformationsmedium kontrollieren?“ Das fragt der Abgeordnete Johannes Volkmann, der seit diesem Jahr für die CDU im Bundestag sitzt. Welche Chinapolitik der 28-jährige Enkel Helmut Kohls, der in Peking und Shanghai studiert hat, anstrebt, lesen Sie hier.
 
China.Table: Das Lockangebot. In unserer neuen Serie widmet sich der britische Sinologe Andrew Methven chinesischen Redewendungen. Was es mit der chinesischen Variante des Lockangebots auf sich hat, lesen Sie hier.
 
Security.Table: Diskussionen vor der Paris Air Show. NGOs hatten vergeblich versucht, die Teilnahme Israels an der weltweit größten Luftfahrtmesse zu verhindern. Warum der Präsident des Pariser Départements, in dem die Messe stattfindet, seine Teilnahme abgesagt hat, lesen Sie hier.
Must-Reads
SZ: Wieso die Regimegegner im Iran gegen die Angriffe sind. Israel habe zwar erstaunliche Präzision bei ihren Attacken gezeigt, dennoch sind unter den über 100 Opfern zahlreiche Zivilisten. Der Hass auf das Regime sei zwar nach wie vor riesig, doch historisch haben sich die Reihen nach Angriffen von außen immer geschlossen. Wer Angst vor Bomben hat, gehe nicht auf die Straße, schreibt die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur. („Die Wut des Regimes trifft alle“)

FAZ: Israel braucht für den Kampf gegen den Iran Donald Trump. Der Konflikt zwischen Israel und Iran eskaliert weiter. Dabei ist das eigentliche Ziel des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu, Irans Atomprogramm zu beenden, militärisch wohl kaum erreichbar. In seinem Kommentar schreibt Nikolas Busse, warum Israel dafür die Hilfe des US-Präsidenten braucht. („Israel braucht Trump“

New York Times: Iranerinnern und Iraner bereiten sich auf einen langen Konflikt vor. In Teheran wächst die Angst: Während sich der Krieg zwischen Israel und Iran verschärft, berichten Bürger der iranischen Hauptstadt von schlaflosen Nächten, Explosionen am Horizont und einer Stimmung, die sich dramatisch verändert. Was zunächst wie eine kurze Eskalation wirkte, entwickelt sich zum Alltag unter Beschuss. 

SZ: Weiterhin keine Visa für afghanische Ortskräfte. Nachdem Johann Wadephul kürzlich den Eindruck erweckt hatte, dass er die Einreise für knapp 2400 ehemalige afghanische Ortskräfte mit Einreisezusage möglich machen könnte, heißt es jetzt in einer Antwort der Regierung auf eine kleine Anfrage der Grünen, dass derzeit keine Visa für die in Pakistan befindlichen Personen ausgestellt würden. Gleichzeitig bestätigte das Papier, dass sich die Menschenrechtslage in Afghanistan verschlechtere. („,Die Menschenrechtslage in Afghanistan verschlechtert sich'“)
Schlagzeilen von morgen
SZ: Israel setzt Angriffe fort, Iran schlägt zurück  
FAZ: Viele Tote in Iran und Israel nach weiteren Luftangriffen  
Tagesspiegel: „Jüdische und israelische Ziele“ – Merz fürchtet Angriffe des Iran auf Einrichtungen in Deutschland
Handelsblatt: Israel will weiter angreifen  
Sächsische Zeitung: Krisen, Krankheit, fehlende Nachfolger – 8000 Firmen in Sachsen geben auf  
Meistgelesenes von heute
Zeit Online: Was über das mutmaßliche Attentat in Minnesota bekannt ist
Spiegel: US-Polizei sucht 57-Jährigen nach tödlichem Attentat auf demokratische US-Politiker
Taz: Millionen fahren Donald Trump in die Parade
Handelsblatt: Iran feuert neue Raketenwelle auf Israel – Militär gibt Entwarnung
NZZ: Das Protokoll einer Täuschung – Wie es zum Angriff auf Iran kam
Heute Abend in den Talkshows
Caren Miosga, 21:45 Uhr: Guido Steinberg, Isabel Schayani, Frederik Pleitgen, Sophie von der Tann
Interviews von morgen

Das Erste
 
7:15 Uhr: Bente Scheller, Politikwissenschaftlerin Heinrich-Böll-Stiftung: Eskalation im Nahen Osten
 
8:05 Uhr: Norbert Röttgen, Mitglied Auswärtiger Ausschuss (CDU): Deutschlands Rolle im Nahost-Konflikt

Time.Table
Highlights der Woche
 
Am Montag treffen sich Abgeordnete des Bundestags und der Assemblée nationale zur Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung in Paris. Auf dem Programm stehen unter anderem eine Befragung von Katherina Reiche und ihrem für Industrie und Energie zuständigen Amtskollegen Marc Ferracci. Beraten werden auch Vorlagen etwa zur Schaffung eines Zentrums für digitale Innovation und zu den Grenzkontrollen. Weitere Informationen und Livestream
 
Am Montag beginnt die UN-Klimakonferenz in Bonn. Es ist die Vorbereitungskonferenz der Weltklimakonferenz am Ende des Jahres. Experten aus den Mitgliedsländern des Pariser Klimaabkommens werden dort bis zum 26. Juni zusammenkommen.
 
Bis Dienstag findet im kanadischen Kananaskis der G7 Gipfel statt, auf dem sieben demokratische Wirtschaftsmächte über aktuelle Weltthemen beraten. Auch Friedrich Merz und Ursula von der Leyen nehmen an der dreitägigen Konferenz teil.
 
Am Dienstag wird dem Volksaufstand des 17. Juni 1953 gedacht. In Berlin findet ein offizielles Gedenken der Bundesregierung statt, des Weiteren wird Kai Wegner einen Kranz niederlegen.  
 
Am Dienstag findet das 6. Öffentliche Hearing Sexueller Kindesmissbrauch und Heimerziehung der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs statt. Karin Prien wird ein Grußwort geben.
 
Am Mittwoch treffen die Landesregierungschefs in der Ministerpräsidentenkonferenz auf Friedrich Merz. Vorsitz hat dieses Jahr Sachsen.
 
Am Mittwoch beginnt Frank-Walter Steinmeier seinen zweitägigen Besuch in Japan. Dorothee Bär begleitet ihn zu Gesprächen mit dem Schwerpunkt Raumfahrt.
 
Am Freitag findet die Kiel Security Conference 2025 zum Thema Stormy Seas and Silver Linings: New Realities in the Baltic and Beyond statt, bei der Johann Wadephul und Carsten Breuer erwartet werden.
 
16. Juni
 
Forschung: 8. Deutsch-französisches Forum zur Forschungskooperation. Mit Dorothee Bär und dem französischen Forschungsminister Philippe Baptiste. Naturkundemuseum, 16:15 Uhr
 
Kommunen: Online-Pressekonferenz zu So inklusiv sind deutsche Kommunen: Bundesweites Forschungsprojekt zeigt Hürden und Erfolgsfaktoren veranstaltet vom Deutschen Institut für Menschenrechte.09:30 Uhr. Anmeldung per E-Mail  
 
Gedenken: Übergabe des temporären Denkmals zur Erinnerung an die polnischen Opfer des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Gewaltherrschaft. Mit Wolfram Weimer. Paul-Löbe-Allee, 9:30 Uhr
 
Gaza: Hybrid-Pressekonferenz von Ärzte ohne Grenzen e. V. unter dem Titel Gaza: Enough Empty Rhetoric, the EU Must Act!. Brüssel, 11 Uhr. Livestream
 
Ehrung: Verleihung des Bundesverdienstkreuzes für Engagement in der Aidshilfe an Sabrina Beul. Rathaus Hamburg, 12 Uhr
 
BMWSB: 3. Bundeskongress Tag der Regionen für den Austausch über zentrale Themen und Herausforderungen der Raumordnung und Regionalentwicklung. Mit Verena Hubertz. Bremerhaven, bis 17 Juni. Programm 
Geburtstage von morgen
Sascha van Beek, MdB (CDU), 42
Maik Brückner, MdB (Linke), 32
Anke Konrad, Botschafterin in Serbien, 59
Nachttisch
Unser Tipp führt Sie heute nach Österreich. In drei Bänden erzählt der ORF die Geschichte des Landes vom Mittelalter bis heute. An vielen Stellen geht es um auch für die deutsche Geschichte relevante Entwicklungen. Man lernt, dass Österreich im Krieg gegen Preußen 1866 das Herzogtum Holstein an Deutschland verlor und 1900 der im damaligen Österreich-Ungarn geborene Ferdinand Porsche das erste Hybridauto der Welt vorstellte. Die 40-teilige Dokuserie zum Thema kann man leider nur vor Ort anschauen. Es gibt aber auch einen Podcast dazu, in dem Historikerinnen und Historiker Bezüge zwischen Vergangenheit und Gegenwart herstellen. Okan Bellikli

Mariella Gittler/Andreas Pfeifer/Peter Schöber (Hrsg.): Österreich – Die ganze Geschichte | Molden
Das war’s für heute. Good night and good luck!

Heute haben Okan Bellikli, Manuel Berkel, Markus Bickel, Stefan Braun, Michael Bröcker, Helene Bubrowski, Damir Fras, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Angela Köckritz, Malte Kreutzfeldt, Marit Niederhausen, Leonard Schulz, Sven Siebert, Sara Sievert und Maximilian Stascheit mitgewirkt. 

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Berlin.Table Redaktion
Stefan Braun Stefan Braun
Okan Bellikli Okan Bellikli
Michael Bröcker Michael Bröcker
Helene Bubrowski Helene Bubrowski
Peter Fahrenholz Peter Fahrenholz
Damir Fras Damir Fras
Franziska Klemenz Franziska Klemenz
Horand Knaup Horand Knaup
Malte Kreutzfeldt Malte Kreutzfeldt
Leonard Schulz
Sven Siebert Sven Siebert
Sara Sievert Sara Sievert
Maximilian Stascheit Maximilian Stascheit
Julian-Heissler Julian Heissler

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