Guten Abend, liebe Leserin, lieber Leser,
wir begrüßen Sie herzlich zum neuen Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Heute kümmern wir uns um die wachsende Macht der Ampelfraktionen und analysieren die Folgen aus dem Tag in Lützerath. Vor allem aber haben wir ein Interview mit Mario Czaja geführt. Der CDU-Generalsekretär schimpft laut über Robert Habeck und kritisiert leise den Berliner CDU-Spitzenkandidaten Kai Wegner. Vor allem aber spricht er sehr nachdenklich über die Schwächen seiner Partei und die Hoffnung auf eine diversere CDU. Und er gibt für die CDU schmerzhafte Antworten auf die Frage, warum sich Zuwanderer bei den Christdemokraten nicht zu Hause fühlen. Czajas Job ist alles andere als einfach; seine Aussagen sind umso bemerkenswerter.
Wie gewohnt liefern wir zudem einen Blick auf die Aufmacher heute Abend, die Schlagzeilen morgen früh – und die wichtigsten Interviews in den Morgensendungen. Und wir weisen stolz darauf hin, dass heute Nacht zum 500. Mal der China.Table erscheinen wird.
Sollte Ihnen der Berlin.Table gefallen, empfehlen Sie uns bitte weiter. Sollte Ihnen diese Mail zugeleitet worden sein: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir sind kostenlos zu erhalten, und das wird auch so bleiben. Wer sich anmeldet, wird jeden Sonntag-, Dienstag- und Donnerstagabend mit neuen Informationen und aktuellen Analysen aus der Hauptstadt versorgt. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am kommenden Sonntag.
An dieser Ausgabe haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Enno Eidens, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Daniel Schmidthäussler, Vera Weidenbach und Britta Weppner mitgewirkt. Wir alle heißen Sie herzlich willkommen.
Czaja im Interview: Klimaschutz war in der CDU nicht zuhause. Mario Czaja übt deutliche Kritik an den Versäumnissen der eigenen Partei, vor allem beim Kampf gegen den Klimawandel. “Zu viele Menschen, denen der Klimaschutz wie mir ein wichtiges Anliegen ist, haben den Eindruck, dass das Thema in der CDU nicht zu Hause ist.” Czajas Forderung an die eigenen Leute: “Wir müssen unsere Kompetenz, die wir in der Wirtschaftspolitik zweifelsohne haben, mit dem Klimaschutz zusammenbringen.” Obwohl die CDU einst den ersten Umweltminister gestellt habe, habe seine Partei “noch nicht die Anmutung, dass wir uns darum ernsthaft kümmern”.
Czaja über Habeck: Er ist eine Gefahr für die Wirtschaft. Der Bundeswirtschaftsminister sei eine Fehlbesetzung, meint Czaja. “Er hat in seinem Haus Sachverstand gegen Freunde aus der Ökobewegung ausgetauscht.” Das sei in einer Krisensituation hochgefährlich. “In der gesamten Energiekrise ist er doch von einem Fettnapf in den nächsten gestolpert und hat damit für viel Verunsicherung gesorgt.” Konkret habe der Grünen-Politiker etwa mit der Gasumlage als “kapitalen Fehler” die Wirtschaft verunsichert und sie zu spät zurückgenommen. Als “Hickhack” kritisiert Czaja die Winterhilfen. “Auch die Laufzeitverlängerung kam zu spät und greift zu kurz. Es gibt keinen Grund, im April 2023 die sicheren Kernkraftwerke abzuschalten.”
Generalsekretär: Jetzt kommen die Jahre der einladenden Arme. Czaja will die CDU als Volkspartei wieder breit aufstellen. “Wir wollen divers sein, also die Diversität der Gesellschaft abbilden und voneinander lernen. Das ist es, was die CDU wieder ausmachen soll”, sagte er dem Berlin.Table. Die Partei wolle auch Menschen erreichen, die bislang nicht mit der Partei in Verbindung gebracht worden seien. “Zum Beispiel Menschen mit Migrationshintergrund, die von ihren Werten unsere Positionen teilen, aber sich von unserer Anmutung her bei uns nicht zu Hause fühlen.” Es fehle manchmal an der Offenheit und der Botschaft, dass die Menschen willkommen seien. “Wir sind immer sehr stark auf der rationalen, der programmatischen Ebene unterwegs”, sagte er. “Das ist wichtig, aber offen über Inhalte zu sprechen, funktioniert nur, wenn die Menschen auch mit dem Herzen dabei sind, also sich eingeladen fühlen.” Das ganze Interview lesen Sie hier.
Lützerath: Kein Einfluss auf die EU-Klimabilanz. Es ging schneller als von vielen erwartet, und die Bilder sind für die Grünen nicht schön: Die kleine Siedlung Lützerath am Rande des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler 2 ist von der Polizei am Donnerstag bereits weitgehend geräumt worden. Polizisten, die Klimaaktivistinnen und -aktivisten gewaltsam aus Häusern holen, Stimmen aus der Wissenschaft, die die Notwendigkeit der Aktion bezweifeln, dazu noch die schwedische Klimaschutz-Ikone Greta Thunberg, die am Samstag vor Ort demonstrieren will: All das lässt den grünen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seine nordrhein-westfälische Amtskollegin und Parteifreundin Mona Neubaur bei Teilen ihrer Basis nicht gut dastehen.
Doch ein Problem ist Lützerath vor allem als Symbol. Für die europäischen Klimaziele selbst ist es unerheblich, ob durch das Wegbaggern der umkämpften Häuser etwas mehr Braunkohle verfeuert wird als anderswo. Denn der EU-Emissionshandel, der gerade deutlich verschärft wurde, deckelt die Gesamtemissionen der EU. So argumentiert nicht nur Habeck, sondern auch ein Wissenschaftler, auf den sich die Klimabewegung sonst oft beruft: Prof. Otmar Edenhofer, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK).
“Entscheidend ist der Emissionsdeckel der Europäischen Union”, erklärt Edenhofer. “Solange die Obergrenze für den Ausstoß von Treibhausgasen wirklich hart bleibt und sinkt und der CO2-Preis wirkt, können wir vorübergehend auch mehr Kohle verfeuern, weil dies zur Einsparung von Emissionen an anderer Stelle führt, also unterm Strich nicht zusätzliche klimaschädliche Abgase in die Atmosphäre gelangen.” Der Kohleausstieg, davon ist Edenhofer überzeugt, kommt durch den Emissionshandel, unabhängig von einzelnen politischen Entscheidungen. “Auch wenn Lützerath abgebaggert wird, hat die Kohle keine Zukunft.”
Trotzdem halten viele Forschende die Räumung für falsch. Einen offenen Brief der “Scientists for Future”, in dem ein Moratorium für die Räumung gefordert wird, haben bis Donnerstag über 700 Personen unterzeichnet – darunter Wolfgang Lucht, Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen und ebenfalls am PIK tätig, oder der bekannte Arzt und Klima-Aktivist Eckhard von Hirschhausen. Doch auch Prof. Pao-Yu Oei, der die Forschungsgruppe FossilExit leitet und zu den Initiatoren des Briefs gehört, räumt ein, dass Lützerath weniger ein physikalisches Problem sei als ein politisches. “Es war ein großer Fehler, dass die Bewegung bei der Suche nach einem Kompromiss nicht einbezogen wurde”, sagte Oei dem Berlin.Table. “Damit haben die Grünen sich keinen Gefallen getan.”
taz: Neubaur findet Baggern richtig. Im Interview rechtfertigt die grüne Wirtschafts- und Klimaschutzministerin Mona Neubaur die Räumung von Lützerath. Um die Energieversorgung in den kommenden zwei Jahren zu sichern, brauche es die Braunkohle. Größere Stimmenverluste für die Grünen bei der Berliner Landtagswahl im Februar fürchtet sie nicht. Jedenfalls nicht öffentlich. Die Rechtslage in Lützerath sei “eindeutig”. Und doch seien die Proteste “schmerzhaft”. Denn: “Natürlich brauchen wir die Unterstützung der Klimabewegung.” (“Es braucht die Kohle unter Lützerath”, S. 3)
Achtung: Lauterbachs Pläne zur Pflegereform kämen die nachfolgende Generation teuer zu stehen. Bundeszuschüsse sind keine Lösung, sie bringen neue Schulden und rauben Geld für Investitionen. Der “Wirtschaftsweise” Prof. Martin Werding und Finanzexperte Prof. Thiess Büttner warnen, ohne echte Reform mit Ausgabendämpfung droht massive Steuererhöhung. (Mehr)
FAZ: Viele Fragen zur Mittelschicht offen. Es herrscht Krisenstimmung und die Mittelschicht droht nach unten abzurutschen. Das war der Tenor einer Veranstaltung des Berliner DIW. Autor Manfred Schäfers hat seine Zweifel. Dass die Mittelschicht erodiere, sei unter Experten keineswegs Konsens, Deutschland sei ein Hochsteuerland, und ohnehin sei fraglich, ob der Staat wirklich mehr Geld brauche. Und ja, die Mitte sei stark belastet – aber vor allem mit Steuern und Abgaben. Und dort gelte es anzusetzen. (“Die Leier von der leidenden Mitte”, S. 11)
Handelsblatt: Kein Kommerz mit Praxen. Wachsenden Widerstand der Ärzte gegen den Aufkauf von Praxen hat Jürgen Klöckner beobachtet. Die Bundesärztekammer wehrt sich demnach gegen eine verstärkte Kommerzialisierung des Praxisbetriebs, wogegen auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach anarbeiten will. Für die Warnungen gebe es bisher allerdings keine Datenbasis, so der Autor. Selbst die FDP sehe Handlungsbedarf, finde es aber falsch, von Investoren finanzierte Einrichtungen grundsätzlich zu verbieten. (“Aufstand gegen Praxis-Investoren”, S. 13)
Welt: Grüne Kritik-Liste an Verkehrsminister Wissing. Die grüne Fraktionsspitze fordert mehr Klimaschutz im Verkehr, darunter Nachbesserungen bei Ladesäulen, Dienstwagenbesteuerung, Radverkehr, Pendlerpauschale und Elektro-LKWs. Der Verkehrsminister wird an die Vereinbarung erinnert, “einen neuen Infrastrukturkonsens bei den Bundesverkehrswegen” anzustoßen und “einen Dialogprozess” zu starten. Die Grünen fürchten, dass Wissing nicht mehr über den Bundesverkehrswegeplan sprechen will, der bis 2030 läuft, sondern nur noch über den, der bis 2040 gelten soll. (“Grünen starten Frontalangriff auf den Verkehrsminister”, S. 4)
Tagesspiegel: Bei Sonnenschein wird’s günstiger. Jetzt kommt die Stromwende auch im Haushalt an. Klaus Strathmann und Christoph Herwartz beschreiben die Revolution hinter der Steckdose. Stromversorger müssen demnächst variable Tarife anbieten: Preiswert nachts und bei Sonnenschein, teuer abends und morgens. Ab 2025 kann sich jeder Verbraucher für wenig Geld einen digitalen Zähler einbauen lassen, und für Waschmaschine, Wärmepumpe und E-Auto dann Strom zapfen, wenn er günstig ist. Andere Länder sind Deutschland bei der Einführung der Smart Meter weit voraus. (“Weniger zahlen, wenn die Sonne scheint”, S. 13)
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Lothar Wieler: Genervt vom Kompetenzgerangel. Es war eine dieser Pressemitteilungen, die mehr verschweigt, als sie aussagt. In der Mitteilung, dass Lothar Wieler Ende April sein Amt als Präsident des Robert Koch-Instituts niederlegt, fand Karl Lauterbach nur lobende Worte für ihn: “Die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm habe ich über all die Jahre sehr geschätzt”, wurde der Gesundheitsminister zitiert. Und Wieler revanchierte sich brav: “Genauso danke ich den Gesundheitsministern, mit denen ich zusammenarbeiten durfte”, ließ er erklären. Und in einer Mail an alle Mitarbeitenden des RKI schrieb er, man solle “gehen, wenn es am schönsten ist”.
Die Realität sieht anders aus. In Berlin ist es ein offenes Geheimnis, dass Wieler und Lauterbach sich zunehmend entfremdeten, gar genervt voneinander waren. Einige Male wurde das auch öffentlich – etwa als beide auf offener Bühne über die Verkürzung des Genesesen-Status stritten. Oder als Wieler mit eigenen, schärferen Vorschlägen vorpreschte, kurz bevor Lauterbach neue Schutzmaßnahmen vorstellte – was den Minister, der in der Opposition immer das “Team Vorsicht” angeführt hatte, schlecht aussehen ließ.
Insgesamt waren die Probleme aber weniger inhaltlich als menschlich. Während Lauterbachs Amtsvorgänger Jens Spahn als gelernter Bankkaufmann fachlich voll von Wieler abhängig war, ließ Lauterbach den RKI-Chef regelmäßig spüren, dass er sich ihm inhaltlich überlegen fühlte, ist aus dem Amt zu hören. Umgekehrt soll Wieler bisweilen von der Beratungsresistenz des durchaus sprunghaften Ministers genervt gewesen sein – und von der Erwartung, sich in jeder Frage eng mit dem Ministerium abzustimmen. Dass er in der Abschiedsmitteilung explizit erklärte, die “Unabhängigkeit der Forschung” sei für das RKI “unabdingbar”, kann als Hinweis darauf gewertet werden.
Das Kompetenzgerangel war aber wohl nicht allein ausschlaggebend. Auch die große öffentliche Aufmerksamkeit soll den RKI-Präsidenten belastet haben. In seiner Abschiedsmail ans Haus schreibt Wieler, er wolle künftig außerhalb des Scheinwerferlichts von Politik und Medien arbeiten. Nach dem Druck, unter dem er zur Hochphase der Pandemie stand, als er schwere Drohungen erhielt, scheint das verständlich.
Den Zeitpunkt für die Trennung soll schließlich Wieler gewählt haben. Was der 61-Jährige künftig machen wird, ist noch nicht bekannt; zu seiner Zukunft heißte es bisher nur, dass er ein Angebot aus dem Forschungsbereich habe. Der Eindruck, dass der Abgang im völligen Einvernehmen erfolgt, war dabei allen Beteiligten wichtig – auch damit nicht der Eindruck entsteht, er gehe wegen inhaltlicher Differenzen über die Pandemiebekämpfung.
Fraktionsspitzen der Ampel: Neues Machtzentrum der Koalition. Einigermaßen erfolgreich haben Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner die Ampel durch Zeitenwende, Gasmangellage und Waffen-für-die-Ukraine-Debatten manövriert. Im Hintergrund assistieren Wolfgang Schmidt (SPD), Anja Hajduk (Grüne) und Steffen Saebisch (FDP) – und manchmal auch der Koalitionsausschuss.
Doch leise und kaum beobachtet ist ein selbstbewusstes Quartett dazugekommen. Die Fraktionschefs und -chefinnen der drei Parteien, Rolf Mützenich (SPD), Britta Hasselmann, Katharina Dröge (beide Grüne) und Christian Dürr (FDP) haben im Lauf des letzten halben Jahres ihre Einflusssphäre deutlich ausgeweitet. Mit einigem Selbstbewusstsein und nicht nur zur Freude des Regierungstrios.
Offen sichtbar wurde das erstmals in Dresden. Dort trafen die SPD-Abgeordneten im Spätsommer zur Klausur zusammen. Unter dem Eindruck der explodierenden Energiekosten verabredeten sie, den Deutschen mit milliardenschweren Hilfspaketen unter die Arme zu greifen. Der Kanzler soll nicht sehr erbaut gewesen sein. Doch Fraktionschef Rolf Mützenich holte die Kollegen und Kolleginnen von FDP und Grünen ins Boot und dekretierte: “Das muss jetzt sein.” Lesen Sie hier die Analyse über den wachsenden Einfluss der Fraktionschefs.
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SZ: Habeck drängt Scholz in Panzerdebatte
Tagesspiegel: Deutschlandweit fehlen 700.000 Wohnungen: Berliner Koalition streitet über Neubauten
taz: Baggerst du noch oder baust du schon? (Laut einer Studie fehlen 700.000 Wohnungen in Deutschland)
Handelsblatt: Die Personalnot wächst (Zwei Millionen Stellen werden wohl vakant bleiben)
Rheinische Post: Eine Hundert Gewaltbereite erwartet (Lützerath)
Zeit Online: Lützerath: Ein Spektakel vor entblößter Erde
RND: “General Armageddon” nur noch Vize: Das Comeback der russischen Uniform-Apparatschiks
t-online: Programm auf Prüfstand, Personal entlassen: Was steckt hinter dem TV-Beben bei ProSiebenSat.1?
GMX/Web.de: US-Justizminister ernennt Sonderermittler zu Fund geheimer Dokumente bei Biden
Business Insider: Geheimdienst-Briefing der Nato: Angriff aus Belarus auf die Ukraine sei “weiterhin nicht wahrscheinlich”
SZ: Sonderermittler soll Aktenfunde in Bidens Privaträumen untersuchen
Welt: Situation auf dem Wohnungsmarkt “immer dramatischer”
FAZ: “Ich fahre diesen Zug nur unter Protest”
Handelsblatt: Luxusstrategie von BMW, Mercedes und Audi gerät an ihre Grenzen
Kampf gegen Funklöcher: Bilanz offenbar enttäuschend. Die Funklöcher in Deutschland sind seit Jahren ein Ärgernis, und daran wird sich so schnell wohl auch nichts ändern. Das Bundesverkehrsministerium und die Bundesnetzagentur werten zur Zeit Zahlen aus, die offenlegen werden, inwieweit die Mobilfunkanbieter ihre Verpflichtung erfüllt haben, die noch bestehenden Funklöcher zu schließen. Offenbar sind sie damit nicht sonderlich weit gekommen. Die Vorgaben der Bundesnetzagentur sind dabei eindeutig: Die Betreiber sind verpflichtet, “Basisstationen für den ländlichen bzw. unwirtschaftlichen (‘weiße Flecken’) Raum mit 500 Stationen pro Netzbetreiber” aufzubauen, und zwar “mit einer Übertragungsrate von mindestens 100 Mbit/s bis Ende 2022”.
Telekom, Vodafone und Telefónica sind Pflichten eingegangen. Im Tausch für die Nutzung der entsprechenden Frequenzen sagten sie zu, die Löcher zu schließen. Am 6. Januar mussten die Mobilfunkbetreiber ihre Abschlussberichte bei der Behörde einreichen – und erklären, inwiefern sie diese Vorgaben erfüllt haben. Die Daten sind laut BNetzA-Sprecher eingetroffen. Ihre Auswertung wird jedoch Monate dauern. Eines aber lässt sich schon absehen: dass diese unbefriedigend ausfallen werden. Der Bundesregierung zufolge haben, Stand November 2022, die drei Anbieter von den verlangten 500 Masten lediglich 85 in Betrieb genommen – das sind 17 Prozent, wie aus der Antwort auf eine kleine Anfrage der Unionsfraktion hervorgeht.
CDU: Bei Nichterfüllung müssen Sanktionen folgen. Die Obfrau der Christdemokraten im Bundestagsausschuss für Digitales, Ronja Kemmer, sieht große Defizite bei den Mobilfunknetzbetreibern und sagt: “Wenn Versorgungsauflagen nicht erfüllt werden, müssen Sanktionen folgen.” Auch bei der die Aufsicht führenden BNetzA sieht Kemmer Nachholbedarf. Die Überprüfungen durch die Behörde müssten deutlich ausgeweitet werde. Die Praxis, nur in Referenzregionen nachzusehen, reiche nicht aus. Das zeige allein die Tatsache, “dass bei den bisherigen stichprobenartigen Messungen deutliche Abweichungen zu den Daten der Mobilfunknetzbetreiber festgestellt wurden”.
Das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr will erst einmal abwarten und verweist auf die BNetzA. Erst nach Abschluss der Prüfungen sei eine Bewertung möglich, heißt es.
Doch selbst wenn die vereinbarten 500 Handymasten endlich kommen, hieße das nicht, dass Deutschland damit frei von “weißen Flecken” wäre. Es existieren nämlich noch weitaus mehr Gegenden ohne zuverlässigen Handyempfang (mindestens 4G). Zuständig für diesen Lückenschluss ist die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft (MIG). Die Auswahl der Gebiete erfolgt in enger Abstimmung mit den jeweiligen Bundesländern nach einer bestimmten Priorisierung (Haushalte und Gebäude, Nutzflächen, Verkehrswege). Bisher hat die MIG deutschlandweit 1273 solcher Markterkundungsverfahren durchgeführt. Davon wurden 972 ausgewertet mit dem Ergebnis, dass 704 Gebiete potenziell förderfähig sind.
Der MIG ist eine Tochtergesellschaft des bundeseigenen LKW-Mautbetreibers TollCollect. Vor exakt zwei Jahren am 12. Januar 2021 gegründet, stehen ihr für den Ausbau der Standorte und den passiven Betrieb der Stationen über sieben Jahre insgesamt 1,1 Milliarden Euro zur Verfügung – für den aktiven Betrieb der Funkmasten sind allein die Mobilfunkbetreiber zuständig. Im vergangenen Jahr wurden zwei Förderbescheide übergeben, 13 Förderaufrufe wurden bislang veröffentlicht. Nach Auskunft der MIG sind für dieses Jahr weitere Förderaufrufe im dreistelligen Bereich geplant. Das vereinbarte Ziel, bis 2025 bis zu 4.400 “weiße Flecken” durch den Aufbau von bis zu 5.000 4G-Standorten zu fördern, ist also durchaus ambitioniert. Doch am Schluss ist auch die bundeseigene Gesellschaft von den Mobilfunkbetreibern abhängig – ohne mindestens einen Betreiber bleibt die Basisstation ungenutzt und der “weiße Fleck” bleibt weiß.
Vorbild Steuerzahlerbund: Eine Uhr zur Erbschaftssteuer. Ein Bündnis aus DGB, Verdi, Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Verein Finanzwende hat eine sogenannte Erbschaftssteuer-Uhr in Betrieb genommen. Sie zeigt jeden Tag aktuell die stetig steigende Summe an, die dem Staat aus Sicht des Bündnisses mangels adäquater Erbschaftsteuer verloren geht.
Ziel des Bündnisses: die Privilegien der Superreichen zu beschränken. DGB und Co gehen davon aus, dass die Reichsten in Deutschland beim Erbschaftsrecht große Vorteile genießen und so ihr Vermögen stetig weiter steigern können. Seit einigen Wochen läuft das Zählwerk im Internet. Knapp 75 Milliarden Euro haben die Bestverdiener im Land demnach seit 2009 eingespart. 13 Millionen Euro kommen jeden Tag dazu.
Das Vorbild: die Schuldenuhr. Nahezu jeder kennt die Uhr, die seit 1949 läuft und als wirkungsvolles Marketinginstrument des Bundes der Steuerzahler gilt. Der will mit ihr auf die Staatsverschuldung hinweisen, und diese ist mittlerweile auf über 2,5 Billionen Euro angewachsen. Dem versuchen sozial ausgerichtete Organisationen und Verbände im Netz jetzt auf ihre Weise etwas entgegenzusetzen.
Dass wenige in Deutschland viel besitzen, ist nicht neu. Werte im Umfang von rund 300 Milliarden Euro werden derzeit jährlich vererbt, Tendenz steigend. Im Jahr 2027 sollen es 400 Milliarden sein. Knapp zehn Milliarden Euro davon flossen 2021 in die Steuerkasse, nur ein schmaler Teil davon stammt aus Firmenübertragungen.
Die Kritiker des Erbschaftssteuerrechts argumentieren mit dem Subventionsbericht. In ihm listet die Bundesregierung für 2021 “als größte Steuervergünstigung” die Zugeständnisse “für Erwerber von Betrieben und Anteilen an Kapitalgesellschaften im Erb- oder Schenkungsfall” auf. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt Korrekturen angemahnt. Das Gericht hatte insbesondere bemängelt, dass Erben besonders großer Unternehmen ohne jegliche Bedürfnisprüfung wegen zahlreicher Ausnahmeregelungen von der Steuer weitgehend befreit sind.
Das Votum der obersten Richter: Diese Ungleichbehandlung ist verfassungswidrig. Doch geschehen ist seither wenig. Auch bei der letzten Reform 2016 sind die Ausnahmeregelungen weitgehend in Kraft geblieben. Vor allem CDU und CSU hatten sich in nächtelangen Verhandlungen dafür starkgemacht. Eine der Folgen: Die ungleiche Verteilung hat in den letzten drei Krisenjahren weiter zugenommen. Inzwischen verfügt das reichste Prozent der Bevölkerung über etwa 30 Prozent des Nettovermögens, während die ärmere Hälfte der Bevölkerung nur etwa drei Prozent besitzt. Zu diesem Missverhältnis tragen nicht unmaßgeblich Erbschaften und Schenkungen bei.
Security.Table: Interview zur Aufrüstung im Indopazifik. Die Gefahr, dass es zu einem Krieg zwischen China und den USA kommt, ist so groß wie lange nicht. Felix Heiduk von der Stiftung Wissenschaft und Politik erklärt im Gespräch mit Gabriel Bub, was die Gründe sind, wo die Widersprüche zwischen amerikanischer Rhetorik und Handeln liegen und welche Ordnung sich in der Region abzeichnet. Mehr
Europe.Table: EP-Präsidentin will Transparenzregeln schärfen. Als Folge aus dem Korruptionsskandal plant Roberta Metsola Karenzzeiten: Für jedes Jahr im Parlament sollen Ex-Abgeordnete einen Monat ins Abklingbecken, bevor sie einen Job bei der Lobby annehmen dürfen. Der Zugang von Ex-Abgeordneten soll reglementiert werden, berichtet Charlotte Wirth. Mehr
Bildung.Table: Betriebe fordern Stärkung der beruflichen Bildung. Unternehmen mangelt es vor allem an beruflich Qualifizierten und Azubis. Laut DIHK-Umfrage fordert fast die Hälfte eine Stärkung der beruflichen Bildung. Anna Parrisius berichtet, dass die DIHK sich bei der Berufsorientierung für mehr Druck auf die Schulen ausspricht. Mehr
China.Table: Taiwan-Besuche – Annäherung an die Zeitenwende. Felix Lee lotet aus, ob die vielen Abgeordneten-Besuche in Taiwan eine Zeitenwende in der China-Politik bedeuten. Die Antwort lautet: Noch nicht – aber ein echter Politikwechsel zeichnet sich ab. Nachdem Grüne und FDP die Wende bereits vollzogen haben, bewegt sich derzeit auch die SPD. Deren Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, Michael Roth sagt: “Die große Einigkeit in der Russlandpolitik muss unser Vorbild sein.” Der Politologe Eberhard Sandschneider warnt indessen vor den Gefahren, wenn Deutschland Taiwan massiv unterstützen sollte. Mehr
Informationen am Morgen (Deutschlandfunk)
ca. 6:50 Uhr: Benjamin Limbach, NRW-Justizminister (Grüne): Welche Formen des Protests sind erlaubt?
ca. 7:14 Uhr: Michael Roth, Vorsitzender Auswärtiger Ausschuss (SPD): Kampfpanzer für die Ukraine?
ca. 8:10 Uhr: Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende Verteidigungsausschuss (FDP): Nach Reise nach Taiwan
ZDF-Morgenmagazin (ZDF)
6:35 Uhr: Christian Böttcher, Bundesverband Deutscher Lebensmittelhandel: “Containern”
7:10 Uhr: Andrew Ullmann, Gesundheitspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion: Corona-Pandemie
8:05 Uhr: Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender: CDU-Bundesklausur
8:35 Uhr: Malik Böttcher, Allgemeinarzt: Fehlende Blutspenden
Inforadio (rbb24)
ca. 6:45 Uhr: Stefan Rahmstorf, Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK): Klimafolgen waren ExxonMobil bekannt (Studie)
ca. 7:05 Uhr: Gabriela Heinrich, Stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende: Debatte um Panzerlieferung an die Ukraine
ca. 7:25 Uhr: Mario Czaja, CDU-Generalsekretär: Klausurtagung CDU-Bundesvorstand
Freitag, 13. Januar
Bernhard Herrmann, MdB (Grüne), 57
Volkmar Klein, MdB (CDU), 63
Armin Willingmann, Minister für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt in Sachsen-Anhalt, 60
Samstag, 14. Januar
Michael Hennrich, MdB (CDU), 58
Herbert Wollmann, MdB (SPD), 72
Michael Kleiner, Ministerialdirektor im Wirtschaftsministerium von Baden-Württemberg, 56
Stefan Sauer, Staatssekretär im Hessischen Ministerium des Innern und für Sport, 57
Freitag, 13. Januar
Bundeswehr: Verteidigungsministerin trifft Spitzenvertreter der Rüstungsindustrie wegen Pannen beim Schützenpanzer Puma. Statements von Christine Lambrecht, dem Generalinspekteur der Bundeswehr und Vertretern von Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall. 15:45 Uhr, Berlin
Sie sind mit der Arbeit fertig und hätten gerne noch ein bisschen Unterhaltung? Unser Tipp des Abends führt Sie heute in die Welt einer besonderen Katastrophe. Ort des Geschehens ist diesmal die polnische Stadt Breslau. Es ist Sommer in Südpolen. Es ist warm und ziemlich trocken. Und doch schickt die Wissenschaftlerin Jaśmina Tremer (Agnieszka Zulewska) vermeintlich aus dem Nichts eine Hochwasser-Warnung an die Breslauer Stadtverwaltung. Die Hydrologin lebt wie eine Aussteigerin und stößt in Breslau auf Experten, die ihre Warnung für Blödsinn halten. Es entbrennt ein Kampf, beherrscht von Angst, Missgunst, Desinformation, Neid und irgendwann nur noch Chaos. So kann es überall laufen.
“Das Hochwasser” – Netflix-Serie | Produktionsland Polen | Originaltitel: Wielka woda
Das war’s für heute. Schön, dass Sie bei uns waren. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Sonntagabend.
Good night and good luck!
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