Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

  • KTF I: Grüne drängen auf alternative Finanzierung
  • KTF II: Streit im Haushaltsausschuss
  • Linke: Neustart auf dem Europaparteitag?
  • Umgang mit China: Daimler-Chef warnt vor Sieger-Denken
  • Gutachten zum Haushalt: Heil-Pläne sind verfassungswidrig
  • Dienste: Strengere Regeln für Datenweitergabe
  • Umfrage: Thunberg schadet Klimabewegung
  • Einstein-Teleskop: Chance für die Lausitz
  • Glyphosat: EU-Kommission verlängert Zulassung
  • Nahost: Israel läuft die Zeit davon

KTF I: Grüne drängen auf alternative Finanzierung

KTF I: Grüne drängen auf alternative Finanzierung. Nachdem sich die Ampel-Koalition am Mittwoch, unmittelbar nach dem Karlsruher Urteil, noch völlig einig präsentierte, traten am Donnerstag erste Unterschiede in den möglichen Konsequenzen zutage. Den zunächst entstandenen Eindruck, dass die gestrichenen 60 Milliarden Euro im Klima- und Transformationsfonds (KTF) einfach eingespart werden sollen, versuchte Robert Habeck zu korrigieren. Der klimafreundliche Umbau, der aus dem Fonds finanziert werde, dürfe keinesfalls zur Disposition stehen, sagte der Wirtschaftsminister. “Also müssen wir das Geld an anderer Stelle finden beziehungsweise aufbringen.”

Im Bundestag warben die Grünen um Unterstützung. Im Mittelpunkt stand dabei weniger der Klimaschutz als die Zukunftsfähigkeit der deutschen Industrie. Fraktionsvize Andreas Audretsch etwa erinnerte daran, dass Thyssenkrupp für den Umstieg auf klimaneutrale Stahlproduktion zwei Milliarden Euro aus dem Fonds erhalte – was auch von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst als großer Erfolg gefeiert worden sei. Um solche Projekte nicht zu gefährden, sei es notwendig, “seriös darüber zu beraten, wo das Geld herkommt”.

Die FDP will kein zusätzliches Geld zur Verfügung stellen. Finanzminister Christian Lindner machte im Bundestag klar, dass er an der Schuldenbremse festhalten will und Steuererhöhungen weiterhin ablehnt. Deutschland habe “kein Einnahmeproblem”. Vielmehr müsse die Regierung “die Prioritäten klären”. Bis der Haushaltsentwurf des KTF überarbeitet ist, gilt dort eine Haushaltssperre. Die schriftliche Anweisung von BMF-Staatssekretär Werner Gatzer, die Table.Media vorliegt, zeigt, dass diese nicht für 2023 gilt, sondern nur für alle “noch verfügbaren Verpflichtungsermächtigungen” für die kommenden Jahre – also jene, für die es noch keine verbindliche Zahlungszusage gibt. Die Frage, auf welche der im KTF für 2024 vorgesehenen Ausgaben das zutrifft, blieb auch am Donnerstag offen.

Betroffen könnte ein wichtiges Projekt des Umweltministeriums sein. Denn neben Zahlungen an Industrie, Verbraucher und die Bahn ist im KTF für 2024 auch knapp eine Milliarde Euro für das “Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz” vorgesehen. Neben der Wiedervernässung von Mooren und Renaturierung von Flussauen werden daraus auch Projekte finanziert, die Kommunen im Rahmen des Klimaanpassungsgesetzes umsetzen. Bei der Verabschiedung des Gesetzes am Donnerstag warnte Umweltministerin Steffi Lemke, hier zu kürzen. “Klimaschutz und Klimavorsorge verursachen Kosten”, sagte sie. Unterbliebe das, “wären die Kosten um ein Vielfaches höher”.

  • Die Grünen
  • Klimapolitik
  • Robert Habeck

KTF II: Streit im Haushaltsausschuss

KTF II: Streit im Haushaltsausschuss. Das Urteil des Verfassungsgerichts überschattet auch die Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses, die am Donnerstagnachmittag begonnen hat. Denn die Ampel-Fraktionen wollen als Konsequenz lediglich im Klima- und Transformationsfonds die unzulässig übertragenen 60 Milliarden Euro löschen, den normalen Haushalt aber unverändert lassen. Die Unionsfraktion lehnt das entschieden ab. Solange die Auswirkungen des Urteils auf den Gesamthaushalt nicht geklärt seien, könne das Haushaltsverfahren “nicht weitergeführt werden”, schreiben die CDU-Haushälter Matthias Middelberg und Christian Haase in einem Brief an ihre Fraktion. “Denn es besteht die große Gefahr, dass die Koalitionsfraktionen ein weiteres Mal einen verfassungswidrigen Haushalt beschließen”. Aus Protest gegen das Verfahren will die Union in der Bereinigungssitzung keine eigenen Anträge stellen.

Die Ampel will einen Nothaushalt verhindern. Vertreter der Regierungsfraktionen verteidigten in der Aktuellen Stunde des Bundestags das Festhalten am Zeitplan. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass es bis zum Jahresende keinen beschlossenen Haushalt gebe. Anders als in den USA droht in Deutschland ohne Haushalt zwar kein Shutdown der Regierung. Aber dann greift die sogenannte “vorläufige Haushaltsführung”, bei der der Bund nur Maßnahmen finanzieren darf, zu denen er rechtlich verpflichtet ist und die unaufschiebbar sind. Das Verfahren schränkt die Handlungsfähigkeit der Regierung stark ein, findet aber nach Bundestagswahlen regelmäßig Anwendung.

Presseschau von morgen

16. November 2023 Presseschau

FAZ: Vielleicht nicht Ruanda, aber das Prinzip stimmt. Hendrik Wüst lässt sich vom Stopp des britischen Supreme Court zu Asylverfahren in Ruanda nicht beirren: “Asylverfahren außerhalb Europas sind möglich.” Darum gehe es, das sei die Basis für einen Politikwechsel. Etwas skeptischer ist der Migrationsbeauftragte Joachim Stamp. Auch er hält Drittstaatsverfahren für “grundsätzlich möglich”; wenngleich niemand suggerieren solle, “es gäbe eine schnelle Zauberlösung”. (“Wüst, Stamp und Kretschmann sehen Ruanda-Urteil gelassen”, Seite 5)

Taz: Vorgehen gegen Islamismus. Das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) steht seit Jahren wegen Extremismusverdacht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes, unter anderem wegen der Unterstützung der terroristischen Hisbollah. Am Donnerstag ordnete Innenministerin Nancy Faeser eine Durchsuchung des Zentrums und 53 weiterer Objekte an. Faeser: “Wir dulden generell keine islamistische Propaganda und keine antisemitische und israel­feindliche Hetze.” (“Razzien gegen islamistische Szene”, Seite 6)

SZ: EU will mit Diamanten-Embargo Russlands Finanzierungsschlupfloch stopfen. Etwa ein Drittel aller weltweit abgebauten Diamanten stammt aus Russland, sie bringen dem Land pro Jahr rund vier Milliarden Dollar. Diese Einnahmequelle steht im Fokus des zwölften Sanktionspakets der EU. Jan Diesteldorf zitiert aus einem Kommissionspapier, das von 2024 “die direkte oder indirekte Einfuhr, den Kauf oder die Weitergabe von Diamanten aus Russland” verbieten soll. Das war bislang an Belgien gescheitert, dort leben etwa 30.000 Menschen vom Diamanten-Geschäft. (“Das steckt hinter dem neuen Edelstein-Embargo”, Seite 15)

Handelsblatt: Lust auf GroKo. In Hessen verkündete Ministerpräsident Boris Rhein Ende vergangener Woche den Wechsel des Koalitionspartners von den Grünen zur SPD. Die Begründung: Die Wählerinnen und Wähler sehnten sich nach “Stabilität”. Sven Prange beschreibt essayistisch den Wunsch das “Fortschrittsnarkotikum namens GroKo wiederzubeleben”. (“Fortschritt ohne Fürsprecher oder: Die gefährliche Lust an der GroKo”, Seite 14/15)

Nicht überlesen!

FAZ: Schelte aus der Staatskanzlei. Heike Raab, Bevollmächtigte der rheinland-pfälzischen Landesregierung und SWR-Vizeverwaltungsrätin hat einen SWR-Journalisten für dessen Berichterstattung scharf gerügt. Er habe “objektiv falsch” berichtet und das Publikum in die “Irre geführt”. Der Korrespondent hatte kritisiert, dass Roger Lewentz nach der Ahrtal-Katastrophe zwar als Innenminister, nicht aber als SPD-Landeschef zurückgetreten war. Das sei “wahrscheinlich einmalig”. Das Dumme daran: Raabs Schreiben trug den Briefkopf der Staatskanzlei. Jetzt fordert die CDU ihren Rücktritt. (“Kritik an Heike Raab”, Seite 13; 16.11.2023)

Umgang mit China: Daimler-Chef warnt vor Sieger-Denken

Ola Källenius warnt vor Sieger-Denken.

Umgang mit China: Daimler-Chef warnt vor Sieger-Denken. Ola Källenius hat auf einer Veranstaltung der Unionsfraktion davor gewarnt, mit China genauso umzugehen, wie es einst der Westen mit der Sowjetunion getan hat. “Es geht nicht um ein Die-müssen-besiegt-werden”, sagte der Daimler-Chef. Zuvor hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die EU-Überlegungen gerechtfertigt, auf Verzerrungen im Wettbewerb gegebenenfalls mit Gegenmaßnahmen zu reagieren. Källenius lehnt das strikt ab. “Das schadet uns nur allen.” Er plädierte dafür, die Chinesen zu niedrigeren Zöllen zu bewegen, statt eine Spirale nach oben in Gang zu setzen. Er verwies darauf, dass der chinesische Automobilmarkt mit Abstand der größte der Welt sei, inzwischen fast so groß wie die USA und Europa zusammen. “Du kommst an China nicht vorbei.”

Der Manager widersprach der Einschätzung, China verfolge einen imperialen Anspruch. “Ich glaube nicht, dass sie das oberste Ziel haben, nach Deutschland zu kommen und deren System bei uns einzuführen”, sagte Källenius. “Wir müssen gucken, dass wir unser System, unsere Werte, unsere soziale Marktwirtschaft stark halten und schützen – christlich, demokratisch, keine Frage.” Aber: “Wir werden das auch denen nicht aufschwätzen können.” Dagegen betonte von der Leyen: “Geopolitik und Geoökonomie müssen heute stärker zusammen gedacht werden.” Das bedeute, dass Europa sich im Fall wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen “nicht nur auf WTO-Verfahren stützt, sondern auch bereit ist, robuste, abgestimmte Gegenmaßnahmen zu ergreifen”. Mehr dazu lesen Sie in der Analyse von Stefan Braun im China.Table.

turi2. Für Telekommunikationsprofis.

Zwangsgäste: AfD Thüringen muss “Monitor” zum Landes­parteitag zulassen. +++ Will’s wissen: Julian Reichelt zieht im Streit mit Svenja Schulze vors Bundesverfassungsgericht. +++ Noyb sagt No: Datenschutz-Beschwerde gegen Kampagne des EU-Innen­kommissariats.

turi2 – das Wichtigste aus der Medienwelt. 2x täglich. Kostenlos. turi2.de/newsletter

Dienste: Strengere Regeln für Datenweitergabe

Dienste: Strengere Regeln für Datenweitergabe. In einem ersten Reformteil ändert die Ampelkoalition einige kritische Punkte im Bundesverfassungsschutzgesetz- und BND-Gesetz. Künftig sollen strengere Vorgaben bei der Erhebung und der Weitergabe der Daten im Inland sowie an Partner im Ausland gelten. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber bis Jahresende eine entsprechende Frist gesetzt. Die Koalitionsfraktionen einigten sich auf Änderungsanträge, die am Donnerstagabend im Bundestag beschlossen werden sollten. In den kommenden Monaten will die Ampel zudem die Nachrichtendienstkontrolle nachschärfen und erneut über die V-Personen-Praxis beraten.

Aus den Professional Briefings

16. November 2023 Professionals

Europe.Table: Massive Kritik an EU-Regulierung zu E-Fuels. Vertreter der Industrie, des Anlagenbaus und der Politik warnen: Die delegierten Rechtsakte der Richtlinie für erneuerbare Energien (RED) könnten dazu führen, dass die geplanten Anlagen in der EU unwirtschaftlich werde. Welche Probleme dazukommen, lesen Sie hier.

Agrifood.Table: EU-Kommission verlängert Zulassung für Glyphosat. Die Kommission hat entschieden, Glyphosat für weitere zehn Jahre zuzulassen. Cem Özdemir will nun prüfen, welche “nationalen Handlungsmöglichkeiten wir haben, um den Koalitionsvertrag so weit wie möglich umzusetzen”. Welche das sind, lesen Sie hier.

China.Table: Biden kann es nicht lassen. Auf Nachfrage hat Joe Biden bestätigt, dass er Präsident Xi Jinping für einen Diktator hält – und das sauber mit dem politischen System Chinas begründet. Der Aufschrei aus Peking war leise, schließlich unternimmt China gerade eine diplomatische Charme-Offensive. Was die mächtigsten Männer der Welt bei ihrem Treffen in San Francisco wirklich umtreibt, lesen Sie hier.

China.Table: Fentanyl – Kampf gegen das neue Opium. Xi hat Biden zugesagt, mehr gegen illegale Rauschmittelexporte aus China zu tun. Bisher hat China die Ausfuhr aus US-Sicht nicht unterbunden und damit eine Gesundheitskrise gefördert. Was das mit den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts zu tun haben könnte, lesen Sie hier.

Security.Table: Israel läuft die Zeit davon. Noch halten einige arabische Staaten zu Israel. Doch Premier Benjamin Netanjahu spürt wachsenden Druck: Sein Vorgehen im Gazastreifen gefällt auch dem wichtigsten Partner, den USA, immer weniger. Wer ihm Luft verschafft, lesen Sie hier.

Morgeninterviews am 17. November

16. November 2023 Morgeninterviews am 17. November

Deutschlandfunk

6:50 Uhr: Martin Schirdewan, Co-Vorsitzender der Linkspartei: Vor Linken-Parteitag in Augsburg – Personeller und inhaltlicher Neuanfang?

7:15 Uhr: Monika Schnitzer, Ökonomin an der Münchner Maximilian-Ludwigs-Universität und “Wirtschaftsweise”: Nach BVerfG-Urteil zum Haushalt – Wie schwer wiegt die verbotene Umwidmung von 60 Milliarden Euro?

8:10 Uhr: Ali Ertan Toprak, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde in Deutschland: Nicht nur wegen jüngster Äußerungen zu Israel – Wie willkommen kann der türkische Präsident Erdoğan in Berlin sein?

rbb24-Inforadio

7:25 Uhr: Lars Feld, Persönlicher Beauftragter des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung: Schuldenbremse – Karlsruhe entscheidet über Nachtragshaushalt und mehr

7:45 Uhr: Dennis Buchner, sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus: Berliner Olympia-Bewerbung?

ZDF

8:10 Uhr: Macit Karaahmetoğlu (SPD), stellvertretendes Mitglied Auswärtiger Ausschuss: Erdoğan-Besuch

8:40 Uhr: Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur: Gasversorgung vor dem Kälteeinbruch

Geburtstage

16. November 2023 Geburtstage

Freitag, 17. November

Stephan Auer, Deutscher Botschafter in Äthiopien, 62 / Sven Giegold, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Grüne), 54 / Rem Koolhaas, niederländischer Architekt, 79 / Irene Mihalic, MdB, Erste Parlamentarische Geschäftsführerin (Grüne), 47 / Willi Stächele, MdL Baden-Württemberg (CDU), 72

Samstag, 18. November

Gracia Baur, Sängerin, 41 / Ilka Bessin, Comedian (Cindy aus Marzahn), 52 / Wolfgang Joop, Modedesigner, 79 / Eckart von Klaeden, Leiter Abteilung Politik Mercedes-Benz AG, 58 / Helmut Kleebank, MdB (SPD), 59 / Anna Loos, Schauspielerin, 53 / Joseph Mpinganjira, Botschafter der Republik Malawi in Deutschland, 59 / Ulrich Noethen, Schauspieler, 64

Sonntag, 19. November

Katarina Barley, Vizepräsidentin EP (SPD), 55 / Michael Brand, MdB (CDU), 50 / Mette Frederiksen, Ministerpräsidentin Dänemark, 46 / Amy Gutmann, Botschafterin der Vereinigten Staaten in Deutschland, 74 / Jens Kraus-Massé, Deutscher Botschafter in Sierra Leone, 62 / Ted Turner, US-Medienunternehmer, 85 / Susan Link, Fernsehmoderatorin, 47

Nachttisch

16. November 2023 Verabschiedung

Das war’s für heute. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Sonntagabend.

Good night and good luck!

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