wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Über Stärken und Schwächen von Politikern, über das Auf und Ab ihrer Karrieren schreiben auch wir hier häufig und immer wieder. Aber wie es im Innern eines Ministers, einer Kanzlerkandidatin, einer Parteichefin oder eines Fraktionschefs aussieht, bleibt meistens ihr Geheimnis. Umso eindrücklicher ist ein Interview der SZ-Kollegen Roman Deininger und Mareen Linnartz mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Lässt man seine Eitelkeit und Selbstverliebtheit mal beiseite, öffnet er einen Blick in eine Welt, die neben den großen Höhenflügen voller Schmerz und Einsamkeit sein kann. “Wir werden von einsamen Menschen regiert” ist für Politjunkies Pflichtlektüre.
Einer, dem diese Gefühle nicht fremd sein dürften, heißt Friedrich Merz. Seit seiner Rückkehr lebt er in einer Mischung aus krasser Ablehnung, lauter Zustimmung und eigenen Unsicherheiten. Nun kommt eine schwere Frage noch dazu: Soll er bei der neuen Flüchtlingspolitik mitmachen oder nicht? Im einen Fall präsentiert er sich als kompromissfähiger Staatsmann, aber riskiert eine politische Mithaftung, wenn es schiefgeht. Im anderen Fall grenzt er sich ab, aber riskiert, mit seiner Kritik nur der AfD zu helfen. Es klingt abgegriffen, aber stimmt dieses Mal: Man darf gespannt sein.
Wir kümmern uns heute umfangreich um das am Montag anstehende Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten. Dabei berichten wir über den Streit ums Geld, die scharfe Kritik aus dem BMJ an den Rückführungsplänen und die Fortschritte bei der Planungsbeschleunigung. Außerdem schauen wir auf die missliche Lage der FDP.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Vera Weidenbach und Britta Weppner mitgewirkt.
Wir freuen uns über Ihr Interesse.
Gipfel mit dem Kanzler: MPK im Zeichen des Geldes. Unmittelbar vor dem Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Olaf Scholz scheint eine Einigung in vielen Fragen der Flüchtlingsaufnahme und der Planungsbeschleunigung möglich. Ums Geld aber dürfte am Montag bei der MPK mit dem Kanzler bis zur letzten Minute gestritten werden. Angesichts immer größerer Probleme bei der Unterbringung und Versorgung fordern die Länder zusätzliche Milliarden vom Bund. Die Bundesregierung aber lässt verlauten, dass zusätzliches Geld wegen dramatisch knapper Kassen nicht mehr vorhanden sei. Die Zeiten seien vorbei, in denen der Bund immer neue Milliarden locker machen könne, hieß es im Vorfeld.
Zugleich verweist man in Berlin auf Milliardenausgaben für die Verteidigung Deutschlands. Diese seien unbestreitbar notwendig geworden; gleichwohl komme niemand auf die Idee, die Länder um einen Beitrag zu bitten. Daran wolle niemand was ändern, aber das Beispiel zeige, wie groß die Belastungen für den Bundeshaushalt geworden seien. Außerdem verwies der Bund darauf, dass der Bund 2022 Steuermindereinnahmen von rund 100 Milliarden Euro schlucken musste, während die Länder (12 Milliarden) und Kommunen (2,5 Milliarden) zusätzliche Einnahmen verzeichnet hätten. Angesichts der Finanznot könnte der Druck auf Finanzminister Christian Lindner steigen, sein striktes Nein zu höheren Steuern und neuen Schulden zu überdenken. Sowohl aus den Ländern als auch aus den anderen Ampelfraktionen werden entsprechende Stimmen immer lauter.
Rückführungsgesetz: BMJ hat schwere Bedenken. Vor der geplanten Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts erhebt das Bundesjustiministerium erhebliche verfassungsrechtliche Einwände. Wie aus einer Stellungnahme hervorgeht, die Table.Media vorliegt, mahnen die Juristen von Marco Buschmann, FDP eine “strikte Beachtung der Verhältnismäßigkeit” der geplanten Maßnahmen an. So gebe das Grundgesetz vor, je stärker die Freiheit eines Individuums beschränkt werde, “umso wichtiger müssen die Gründe sein, die sie tragen sollen und umso strenger wird die Erforderlichkeit zu prüfen sein”. Und noch deutlicher: “Die fachlichen Gründe für eine nahezu Verdreifachung der bisher gesetzlich vorgesehenen Höchstdauer des Ausreisegewahrsams sind bisher nicht dargelegt.” Der Gewahrsam von abzuschiebenden Migranten sei “in zeitlicher Hinsicht auf das unmittelbare Vorfeld der Abschiebung” zu begrenzen.
Die BMJ-Experten sehen hohes verfassungsrechtliches Risiko. Sie erwarten von den BMI-Kollegen “die Darlegung und fachliche Aufbereitung der Gründe”, die die Ausweitung der Höchstdauer des Gewahrsams rechtfertigten. Werde das nicht beigebracht, “dürfte ein verfassungsrechtliches Risiko bestehen”. Auch das Verhältnis von Abschiebehaft und Abschiebegewahrsam sei unzureichend geklärt. Angesprochen wird auch die zusätzliche Belastung der Gerichte, “die zu einer Belastung der Justiz führen”, weshalb auch die Justizministerien der Länder angehört werden müssten. Deshalb sei der BMI-Vorschlag “sehr problematisch”. Sie sei ohne Anhörung der Staatsanwaltschaften entwickelt worden. Im BMI heißt es auf Arbeitsebene, eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit finde grundsätzlich statt. Offiziell ist von einem “internen Prozess” die Rede, eine Stellungnahme dazu gebe es nicht.
Asylverfahren: Richterbund drängt auf mehr Personal. Der Deutsche Richterbund (DRB) hält den Ruf der Ministerpräsidenten nach Asylverfahren binnen drei Monaten für unrealistisch und unredlich, solange sie dieses Ziel nicht mit mehr Personal und Ausstattung unterstützen. Der Richterbund verweist darauf, dass die aktuellen Bearbeitungszeiten bundesweit bei durchschnittlich 17 Monaten liegen. Während in Trier die Verfahren mit 3,5 Monaten die schnellsten bundesweit sind, dauern sie im brandenburgischen Cottbus mit 38,5 Monaten am längsten. Trotz steigender Asylklagezahlen sinkt die Verfahrensdauer inzwischen leicht. Der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, fordert die Bundesländer auf, ihrer Forderung Taten folgen zu lassen. “Ohne personelle Verstärkungen für die Verwaltungsgerichte wird es nicht gehen”, sagte er am Sonntag. Es brauche gut ausgestattete Gerichte und spezialisierte Kammern. Die Konzentration von Verfahren bei zentral zuständigen Gerichten biete Potenzial, das zeige sich in Trier.
SZ: Über die Angst der Muslime in Deutschland. Sind alle Palästinenser, die hier leben, Hamas-Anhänger? Loben alle Muslime deren Terror? Natürlich nicht. Und doch wächst bei vielen hierzulande das Gefühl, dass sie behandelt würden als sei es so. In einer Reportage erzählen Dunja Ramadan und Sonja Zekri Geschichten über diese Menschen. Wie verloren sie plötzlich sind, wie sie selbst verzweifeln am Hamas-Terror, und wie sie sich in Deutschland immer weniger Zuhause fühlen. (“Diese Debatte bricht uns alle”, Seite 3)
Gemeinsam für eine gesunde Schule: PKV fördert Präventionsprojekt “Weitblick”. Kinder und Jugendliche haben ein Recht auf gesundes Aufwachsen. Deshalb unterstützt der PKV-Verband Schulen dabei, Präventionskonzepte für ihre Schülerinnen und Schüler zu verwirklichen. 15 Einrichtungen setzen das Vorhaben bereits um – weitere sind aufgerufen mitzumachen. (Mehr auf pkv.de)
FAZ: Senioren brauchen weniger Unterstützung. Die Kosten der Altenpflege steigen, aber die Zahl der Senioren, die auf Sozialhilfe angewiesen ist, sinkt erstaunlicherweise. Um fast zehn Prozent im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021. Der Grund: Ein Zuschuss in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, bezahlt von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Eine teure und obendrein wenig zielgenaue Subvention, wie Dietrich Creutzburg findet. (“Sozialhilfe-Wunder in der Pflege”, Seite 15)
Handelsblatt: Talfahrt beim Einzelhandel. Schlechte Stimmung bei den Verbrauchern, das HDE-Konjunkturbarometer auf einem Sechs-Monats-Tief, auch eine repräsentative Umfrage zum Kaufverhalten in den kommenden Monaten sieht keine Trendwende, schreibt Axel Schrinner. Obendrein steigt die Sparneigung der Konsumenten. Das Weihnachtsgeschäft jedenfalls, so scheint es, wird die Umsätze kaum ankurbeln. (“Einzelhandel muss um Weihnachtsgeschäft bangen”, Seite 9)
Tagesspiegel: KI soll’s richten. Mal zu viel Strom, mal zu wenig, der Ausgleich der Engpässe (“Redispatch”) verschlang im vergangenen Jahr 4,2 Milliarden Euro. Technisch ist die Steuerung eine enorme Herausforderung. Aber: In einer Million nachts ungenutzter E-Autos steckte eine Speicherkapazität von 50 Gigawatt, Tendenz steigend, schreibt Anna Gauto. Noch werden die Auto-Speicher kaum genutzt. Deutschland will zügig aufholen – mit Hilfe von KI. (“Stabileres Netz, günstigerer Strom”, Seite 20)
Nicht überlesen!
New York Times: Die Fake-News-Aliierten der Hamas. Experten beobachten, dass der Iran, Russland und China das Internet in beispiellosem Ausmaß mit Falschmeldungen zugunsten der Hamas fluten – und auf diese Weise radikal Stimmung gegen Israel und seine Unterstützer, allen voran die USA, machen. Man habe es mit einem nicht erklärten Informationskrieg der Autokraten zu tun. Das social media Unternehmen Cyabra hat seit dem 7. Oktober 40.000 neue Bots und Fake Accounts gezählt, die falsche Bilder und Meldungen verbreiten, um Hass zu schüren. (“In a Worldwide War of Words, Russia, China and Iran Back Hamas”, 3. November 2023)
FDP: Warum die Zahl 85 an den Liberalen nagt. Die jüngsten schlechten Umfragewerte führen in der FDP nicht zu großen Aufständen, aber zu wachsenden Zweifeln, ob und wie sie aus dem tiefen Tal wieder herauskommen könnte. Zuletzt lag die Partei am Freitag bei Infratest Dimap nur noch bei vier Prozent. Deshalb wächst in der Führung das Gefühl, dass man zunehmend hilflos eingeklemmt ist zwischen der eigentlich hohen Zustimmung an der Basis für die eigenen Positionen und einer gleichzeitig massiven Ablehnung der Ampel. “85 Prozent unserer Anhänger finden die FDP immer noch gut, aber ebenfalls 85 Prozent unserer Anhänger finden die Ampel eine Katastrophe”, sagte ein führendes Mitglied der Liberalen Table.Media. Was das bedeutet und warum die Partei es in der Koalition bis heute so schwer hat, lesen Sie in einer Analyse von Stefan Braun.
Schnellere Planung: Umweltverbände können weiter klagen. Weitgehend einig sind sich Bund und Länder im Vorfeld des Treffens am Montag über den “Pakt zur Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung”. Während viele der darin aufgeführten Punkte – etwa verstärkte Digitalisierung und Erleichterungen beim Ausbau von Windkraft, Schienen und Wohnungen – unstrittig waren, wurde über andere Vorhaben lange gerungen. So fand sich in einem früheren Entwurf die Forderung, die Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden stark zu beschränken, sofern ein überwiegendes oder überragendes Interesse für ein Projekt vorliegt. Nach Ansicht von betroffenen Verbänden wäre ein solches Vorgehen europarechtswidrig gewesen.
Im aktuellen Textentwurf, der Table.Media vorliegt, ist der Vorschlag gestrichen. Sascha Müller-Kraenner, Co-Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, wertet das als wichtigen Erfolg. “Der geschlossene Protest der Naturschutzverbände hat offenbar dazu geführt, dass die europarechtswidrige Abschaffung des Rechtsschutzes für Straßen- und Schienenbauten sowie industrielle Großprojekte so nicht kommt”, sagte er. Komplett zufrieden ist er allerdings nicht. “Die Verkürzung des Rechtsweges und die Abschaffung öffentlicher Erörterungstermine sorgen trotzdem für ein Weniger an Bürgerbeteiligung und Gewaltenteilung.” Festhalten will der Bund auch an der Prüfung, inwieweit Klagemöglichkeiten durch die sogenannte Legalplanung beschränkt werden können, bei der Genehmigungen direkt durch den Gesetzgeber erteilt werden.
Verzichtet wurde auch auf eine Ankündigung zum Bundesnaturschutzgesetz. Hier war zunächst vorgesehen, dass Eingriffe in Ökosysteme künftig nicht mehr direkt und ortsnah ausgeglichen werden müssen, sondern stattdessen Geld bezahlt werden kann, mit dem dann größere Flächen für den Umwelt- und Artenschutz gesichert werden. Voraussetzung dafür wäre aber ein neues Gesetz, das dem Bund die Möglichkeit gibt, Vorrangflächen zu definieren. Weil es bei diesem Flächenbedarfsgesetz keine Fortschritte gibt, so ist aus regierungsnahen Kreisen zu hören, hat das von Steffi Lemke geführte BMUV den Vorstoß für die finanzielle Kompensation von Naturschutzeingriffen zunächst gestoppt.
Seeheimer: Ruf nach umfassender Bildungsoffensive. Der Seeheimer Kreis der SPD-Bundestagsfraktion positioniert sich kurz vor dem SPD-Parteitag mit der Forderung nach einer weitreichenden Bafög-Reform. Die Seeheimer wollen das einst überaus erfolgreiche Aufstiegsversprechen – Chancengerechtigkeit über Bildungsangebote – wieder in den Vordergrund rücken. Noch immer hingen Bildungserfolg und -chancen zu sehr von der sozialen Herkunft ab. In einem Positionspapier schreiben sie: Der Bund müsse weiterhin eine Rolle in der Bildungspolitik spielen. Beim Bafög etwa brauche es “eine große weitreichende Reform, um das Bafög zeitgemäß, zukunftssicher und gerecht aufzustellen”. Dies müsse von “einer qualitativ hochwertigen und flächendeckenden frühkindlichen Bildung, Betreuung und Erziehung” flankiert werden. Grundsätzlich bedürfe es einer Investitionsoffensive aus Bund und Ländern. Keine Aussage macht das Papier zur Herkunft der Milliardenbeträge, die für eine solche Bildungsoffensive notwendig wären.
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SZ: Israel kesselt Gaza-Stadt ein
FAZ: Scholz ruft zum Schutz von Juden in Deutschland auf
Tagesspiegel: Asylverfahren außerhalb der EU: Union verlangt von Scholz Beschluss bei Migrationsgipfel
Handelsblatt: Streit ums Geld
Sächsische Zeitung: Über 420.000 Einsprüche gegen Grundsteuerbescheide in Sachsen
Zeit Online: Gandhi muss weg!
Spiegel: Das Ende des Turbokapitalismus
RND: Keine Freiheit den Feinden der Freiheit
T-Online: Migration: “Das ist brandgefährlich”
Business Insider: Bespuckt, gewürgt, an den Haaren aus dem Zug gezerrt: DB Regio-Mitarbeiter wurden seit Jahresbeginn 954-mal attackiert – das berichten Betroffene
Zeit Online: “Kind körperlich unversehrt” – Polizei verhandelt mit Geiselnehmer
Welt: Großdemo in Essen mit islamistischen Zeichen, Fahnen und “Allahu Akbar”-Rufen
Spiegel: Geiselnehmer soll Schusswaffe und womöglich Sprengsätze bei sich haben
Handelsblatt: Wieso Deutschland jetzt der Glasfaserkollaps droht
Parteienfinanzierung: Gesetzentwurf steht. Die Bundestagsfraktionen der Ampelparteien haben sich nach Informationen von Table.Media nach langen Verhandlungen mit den Fraktionen von Union und Die Linke auf einen Gesetzentwurf zur Parteienfinanzierung verständigt. Kern der Übereinkunft sind die Anhebung der absoluten Obergrenze bei der Parteienfinanzierung auf 185 Millionen Euro ab dem Jahr 2018. Das sind rund fünf Millionen weniger, als einst die Große Koalition vorgesehen hatte. Deren Gesetzentwurf war vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Sie werden entsprechend der Lebenshaltungskosten jährlich angepasst. Neu ist auch, dass Großspenden künftig ab 35.000 Euro sofort veröffentlicht werden müssen. Bisher lag die Grenze bei 50.000 Euro. Nicht veröffentlichungspflichtig sind nach wie vor Spenden unterhalb von 10.000 Euro. Die Ampelfraktionen wollten eine Untergrenze von 7.000 Euro einziehen, dagegen sperrte sich die Union. Noch in der kommenden Woche soll der Gesetzentwurf von den Fraktionen beraten und im Bundestag eingebracht werden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte die bestehende Praxis im vergangenen Januar kassiert. Es hatte die Erhöhung der absoluten Obergrenze, die die Große Koalition 2018 beschlossen hatte, zwar nicht per se ausgeschlossen, aber eine präzisere Begründung verlangt. Dem kommen die Parteien jetzt nach. Allein für die zunehmenden Herausforderungen in den Bereichen Digitalisierung, Datenschutz, Partizipation, aber auch social media und Cyberkriminalität veranschlagen sie jährliche Zusatzkosten von über 25 Millionen Euro. Anzeigepflichtig sind künftig auch “Parallelaktionen”, wenn etwa großzügige Spender Großflächenplakate finanzieren, ganz in Stil und Design der geförderten Partei, aber eben nicht aus der Kasse derselben. Bisher galt das nicht als Spende oder Sponsoring, musste auch nicht im Rechenschaftsbericht Erwähnung finden. Nun muss der Spender sich outen.
Parteitage sind künftig auch digital möglich. Auch das soll in das Gesetz – als eine Erfahrung aus Corona – aufgenommen werden. Noch offen ist die Höhe der fälligen Rückzahlungen für die Jahre 2018 bis 2022. In der Folge des Karlsruher Richterspruchs hatte die Bundestagsverwaltung Anfang des Jahres angekündigt, die gesamte zwischen 2018 und 2022 zu viel bezahlte Summe, ein dreistelliger Millionenbetrag, zurückzufordern. Sollte das neue Gesetz beschlossen werden, müssten die Parteien nur noch einen Teil zurückerstatten, aber nicht die ganze Summe. Bisher haben alle Parteien knapp 40 Millionen Euro rücküberwiesen, ein niedriger einstelliger Millionenbetrag wird wohl noch dazukommen. Bei den Beratungen zum neuen Gesetz war – anders als die AfD – auch die Linkspartei einbezogen. Den Entwurf soll sie auf Betreiben der Union allerdings nicht mit in den Bundestag einbringen.
Linke: Mit Investitionen und Klimageld in die Offensive. Nach dem Austritt von Sahra Wagenknecht versucht die Linke, ihr Profil zu schärfen und neue Geschlossenheit herzustellen. Landesvorsitzende, Partei und Fraktion beschlossen am Sonntag ein Strategiepapier, in dem sie den Fokus auf Industrie- und Klimapolitik legen. Unter anderem schlägt die Linke ein Investitionsprogramm und ein monatliches Klimageld von 200 Euro für Einkommen unter 4.000 Euro brutto vor. Über eine Industriestiftung soll der Bund Anteile an Unternehmen kaufen können, die eine Schlüsselrolle bei der Transformation spielen. Unklar bleibt bei den Plänen bisher die Finanzierung.
Die Neuausrichtung soll der Parteivorstand organisieren. In der Krise scheint sich die Partei um den Bundesvorstand zu versammeln. Die Zeit der “lähmenden Selbstbeschäftigung” müsse vorbei sein, sagte der Noch-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch. Und: “Die Fraktion ist politisch tot.” Es sei klar, dass es die Fraktion bald nicht mehr geben werde, es gehe jetzt darum, die Sache in Würde zu Ende zu bringen. In einer Fraktionssitzung, voraussichtlich Mitte November, werden die Abgeordneten das Datum der Liquidation beschließen. Als Gruppe werden die Abgeordneten deutlich weniger Redezeit in Anspruch nehmen und parlamentarische Anfragen stellen können.
Steinmeier-Rede: Vom Wert der Nachdenklichkeit. Anlässlich des 100. Geburtstags von Spiegel-Gründer Rudolf Augstein hat Frank Walter Steinmeier über Verantwortung und Herausforderung von Journalismus referiert, gerade in der Gegenwart. “Halten Sie Distanz”, appellierte Steinmeier am Freitag beim Spiegel in Hamburg. Guter Journalismus lasse sich nicht durch Künstliche Intelligenz ersetzen. Nur Glaubwürdigkeit ermächtige zu investigativem Journalismus, zur Bewertung, zur Überwachung der Mächtigen. “Bleiben Sie unterscheidbar von den sozialen Medien!”, so Steinmeier. “Betrachten Sie die Aufgabe zu differenzieren nicht als Nachteil, sondern als das Fundament von Journalismus, der sich der Demokratie verpflichtet fühlt. Lassen Sie nicht zu, dass in unserer Demokratie die Lauten über die Nachdenklichen siegen!”
China.Table: Fehlende Kompetenz. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft fordern mehr China-Wissen. Die Bundesregierung hat dem Komplex in ihrer jüngst veröffentlichten China-Strategie ein ganzes Kapitel gewidmet. Doch in der Realität werden vielen China-Programmen die Gelder gekürzt oder komplett gestrichen. Wie sich Christian Straube von der Stiftung Mercator gegen den Vorwurf, weniger China-Programme zu unterstützen, lesen Sie hier.
China.Table: Konsum nicht erwünscht. Die Import-Expo startet erneut – doch das Konsumumfeld bleibt gedämpft. Seit Jahren leiden europäische Unternehmen unter der schwachen Nachfrage Chinas. Die Gründe sind ideologisch. Warum Xi Jinping gar kein Interesse daran hat, sein Volk mehr konsumieren zu lassen, lesen Sie hier.
Europe.Table: Europa schaut Gaza-Konflikt gebannt zu. Die Auseinandersetzungen in Nahost haben auch eine digitale Komponente. Europa ist darin nicht unmittelbar involviert – kann aber jederzeit betroffen sein. Denn europäische Unternehmen und auch staatliche Stellen setzen stark auf “Cybersicherheit, made in Israel”. Was daraus folgt, lesen Sie hier.
Deutschlandfunk
ca. 6:50 Uhr: Carina Konrad (FDP), Vize-Fraktionschefin: Zukunft fürs 49-Euro-Ticket?
ca. 7:14 Uhr: Dietmar Woidke (SPD), Ministerpräsident Brandenburg: MPK mit Scholz
ca. 8:10 Uhr: Jochen Kopelke, Gewerkschaft der Polizei: Gaza-Demos
Das Erste
7:40 Uhr: Ahmad Mansour, Psychologe und Autor: Härteres Vorgehen gegen pro-palästinensische Demos?
8:10 Uhr: Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident Nordrhein-Westfalen: MPK mit Scholz
Highlights der Woche
Das BMAS richtet am Montag eine Konferenz aus, die sozialpolitische Impulse für die nächste EU-Kommission entwickeln soll. Dabei sind unter anderem Sozialkommissar Nicolas Schmit, die Generalsekretärin des Europäischen Gewerkschaftsbunds Esther Lynch sowie Oliver Röpke, der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses “Wettbewerbsfähigkeit wird nicht durch bloßen Regulierungsabbau besser, und Mitbestimmung und Sozialpartnerschaft dürfen in einer verflochtenen Wirtschaft nicht an Grenzen enden”, sagte Heil zu Table.Media. Livestream
Am Montag kommen Olaf Scholz sowie die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten zum Gipfel in Berlin zusammen. Im Mittelpunkt stehen erneut die Frage nach dem Umgang mit Asyl und Migration und das Tauziehen ums Geld.
Von Donnerstag auf Freitag findet im Berliner Marriott Hotel die Bundeswehrtagung statt, für die Boris Pistorius mehrfach angekündigt hat, einige seiner Zukunftspläne offenzulegen.
Was noch wichtig wird
Montag, 6. November
Wirtschaft: Robert Habeck nimmt an einer Gesprächsrunde mit “aleph Alpha” teil. 13 Uhr, Landesvertretung Baden-Württemberg, Berlin
Demokratie: Nancy Faeser eröffnet einen Kongress unter dem Motto “Demokratie unter Druck – Die Gesellschaft und die Zeitenwende”. 14 Uhr, Alte Münze, Berlin Übertragung
Dienstag, 7. November
Arbeit: Hubertus Heil nimmt am Tag der Jobcenter teil. 9 Uhr, bcc Berlin.
Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier besucht Siemens Healthineers AG und Medical Valley EMN. 9:45 Uhr, Erlangen
Maschinenbau: Beim Maschinenbau-Gipfel gibt es um 9 Uhr eine Keynote von Robert Habeck, um 18 Uhr hält Christian Lindner eine Rede. Vienna Haus, Berlin
Bundeskanzler: Olaf Scholz besucht die Festveranstaltung “20 Jahre Deutscher Betriebsrätetag”. 18 Uhr, World Conference Center, Berlin
Mittwoch, 8. November
Nachhaltigkeit: Das BMUV lädt zur Konferenz “Nachhaltigkeit & Resilienz: Mit System in die unternehmerische Zukunft”. 10 Uhr, BMUV
Wirtschaft: Olaf Scholz und Hubertus Heil nehmen das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung entgegen. 12 Uhr, Kanzleramt
Wohnungslose: Klara Geywitz spricht bei der Bundestagung des BAG Wohnungslosenhilfe, 12:50 Uhr, Mercure Hotel Moa, Berlin
Bundespräsident: Frank-Walter Steinmeier lädt zum Runden Tisch für ein Zusammenleben ohne Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit. 12:15 Uhr, Schloss Bellevue
Bildung: Bettina Stark-Watzinger empfängt ihren ukrainischen Amtskollegen. 13:50 Uhr, BMBF. Livestream
Israel: Ron Prosor und andere kommen beim Netzwerktreffen zur aktuellen Lage in Israel und zur Bekämpfung von Antisemitismus in Deutschland zusammen. 18 Uhr, Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin
Donnerstag, 9. November
Holocaust: Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz und Bettina Stark-Watzinger nehmen an der Zentralen Gedenkveranstaltung zum 85. Jahrestag der Novemberprogrome teil. 11 Uhr, Synagoge Beth Zion, Berlin
Europa-Politik: Christian Lindner reist zum EU-Rat “Wirtschaft und Finanzen”. 12:30 Uhr, Brüssel
NATO: Olaf Scholz empfängt Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. 13:30 Uhr, Kanzleramt
Ukraine: Frank-Walter Steinmeier spricht mit der ukrainischen Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwijtschuk. 16:30 Uhr, Schloss Bellevue
Aristokratie: Olaf Scholz empfängt den norwegischen Kronprinzen Haakon und Kronprinzessin Mette-Marit. 16:30 Uhr, Kanzleramt
Freitag, 10. November
Landwirtschaft: Cem Özdemir spricht mit Botschafterinnen und Botschaftern Lateinamerikas und der Karibik. 14 Uhr, BMEL
Bundeskanzler: Olaf Scholz reist nach Malaga, wo er seine Amtskollegen Pedro Sánchez und António Costa trifft
Sonntag, 12. November
Bundeswehr: Boris Pistorius beteiligt sich am feierlichen Gelöbnis zum 68. Gründungstag der Bundeswehr. 15 Uhr, BMVg
Bundeskanzler: Olaf Scholz nimmt am Live-Bühnengespräch der Heilbronner Stimme teil. 17 Uhr, Heilbronn
Montag, 6. November
Bettina Brück (SPD), Bildungsstaatssekretärin in Rheinland-Pfalz, 56 / Janez Lenarčič, EU-Kommissar für Humanitäre Hilfe, 56 / Alex Mariah Peter, Model, 26 / André Schürrle, Ex-Fußballprofi und Weltmeister, 33 / Thomas Neuwirth alias Conchita Wurst, 35 / Volker Weidermann, Journalist, 54 /
Unser Tipp führt Sie heute in die Wälder von Birnam. Die für Hamlet verhängnisvolle Kulisse inspirierte die Band Woods of Birnam zu ihrem Namen. Immer wieder verwebt sich ihre Musik eng mit Theater und Malerei. Wenn Christian Friedel am Dresdner Schauspielhaus Hamlet oder Macbeth mimt, schwebt seine Band aus dem Nebel auf die Bühne, und Friedels gesprochene Worte fließen in Gesang über. Zu sehen war Friedel auch auf der Leinwand, etwa in “Babylon Berlin” oder als Hitler-Attentäter Georg Elser. Zu hören ist seine Band auf Alben, die Titel wie “How to hear a painting” tragen. Der Song “I’ll call thee Hamlet” lässt Shakespeares Figur zwischen Leidenschaft, Verzweiflung und Hoffnung balancieren. Hamlet erinnert uns an die Abgründe der Vergeltung.
I’ll call thee Hamlet | Woods of Birnam
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Good night and good luck!
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.
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