wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Zumindest einen Hoffnungsschimmer gibt es an diesem Abend: Bei der Wahl in Polen hat die europafeindliche PiS-Partei von Jarosław Kaczyński zwar die meisten Stimmen bekommen, aber die absolute Mehrheit verloren. Damit ist ein Regierungswechsel möglich, sofern sich die Opposition unter Führung von Donald Tusk auf eine Koalition einigt.
Ansonsten beginnt die neue Woche so, wie die alte aufgehört hat: mit großen Sorgen über die Situation im Nahen Osten, wo Israel nun ein Zwei-Fronten-Krieg droht. Und auch in Deutschland wächst die Angst vor den Folgen des Konflikts: Stephan Kramer, ehemaliger Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland und aktueller Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, fürchtet Anschläge radikaler Hamas-Sympathisanten auf jüdische Einrichtungen. “Manche Palästinenser fordern ganz offen und unverhohlen eine Art Reichspogromnacht 2.0”, warnt er. Allerdings werfen auch manche Gegenreaktionen Fragen auf: An Berliner Schulen sollen ab sofort Palästinenser-Tücher verboten werden können. Dabei wurden die schwarz-weißen Baumwolltücher bisher auch von friedlichen Palästina-Sympathisanten getragen.
Außer nach Israel schauen wir heute auch auf eine andere Krisenregion: In Afghanistan fordert die bebende Erde immer neue Opfer – während Hilfsorganisationen wenig helfen können. Und wir blicken auf die Grünen, die zur Halbzeit der Legislaturperiode angesichts sinkender Zustimmungswerte vor einer schwierigen Richtungsentscheidung stehen.
Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre.
Heute haben Okan Bellikli, Markus Bickel, Stefan Braun, Annette Bruhns, Enno Eidens, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt und Daniel Schmidthäussler mitgewirkt.
Wir freuen uns über Ihr Interesse.
Grüne Sinnsuche: Kretschmann drängt auf Asyl-Kompromiss. Die Spitze der Grünen sucht nach den Verlusten in Hessen und Bayern nach dem richtigen Kurs in der Regierung. Und das hat auch mit dem jüngsten Verhalten des Kanzlers zu tun. Mit seiner Entscheidung, zum ersten Gespräch über einen Deutschland-Pakt mit Stephan Weil, Boris Rhein und Friedrich Merz zwar SPD- und CDU-Politiker, aber keine Grünen einzuladen, hat Olaf Scholz dem Koalitionspartner signalisiert: Wenn Ihr nicht wollt, muss ich es halt mit der Union machen. Das erhöht den politischen Druck auf sie, auch in Migrationsfragen bisherige Linien aufzuweichen.
Entsprechende Forderungen kommen aber auch aus der eigenen Partei, vorneweg von Baden-Württembergs Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Er rief die Grünen am Wochenende unmissverständlich zu Kompromissen auf. “Wenn wir im Namen der Humanität die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft auf Dauer massiv überfordern, dann werden wir die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger verlieren”, sagte Kretschmann auf einem Landesparteitag in Weingarten. “Das Ergebnis einer solchen Politik wäre dann nicht mehr, sondern weniger Humanität.” Die Krise habe “die Wucht, das demokratische Gemeinwesen zu erschüttern”, sagte Kretschmann. “Das dürfen wir auf keinen Fall zulassen”.
Die Grünen trifft die Debatte zu einem denkbar schwierigen Zeitpunkt. Spätestens seit den schmerzhaften Verlusten bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern stehen sie vor der Frage, wie sie sich in der zweiten Hälfte der Legislatur verhalten. Dabei ringen zwei Kräfte miteinander: Die einen wollen, Beispiel Kindergrundsicherung, vehementer für die eigenen Herzensthemen kämpfen; die anderen warnen davor, sich damit aus der Mitte der Gesellschaft herauszubewegen und wieder vor allem das alte, kleinere Kernmilieu zu bedienen. Für sie hieße das, den Anspruch aufzugeben, auch in nicht-klassische Wählerschichten der Grünen vorzudringen. Wie schwer die Lage für die Partei geworden ist und welche Kräfte dabei wirken, lesen Sie in einer Analyse von Stefan Braun und Franziska Klemenz.
Israel: Militärische Evakuierungsoperation möglich. Nach der Reise von Außenministerin Annalena Baerbock in den Nahen Osten bereiten sich Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium darauf vor, weitere Deutsche aus Israel nach Deutschland auszufliegen. In einer gemeinsamen Erklärung heißt es darüber hinaus, dass für den Fall einer weiteren Lageverschlechterung die Bundeswehr “auch für eine militärische Evakuierungsoperation bereit” sei. Hierzu würden weitere vorbereitende Maßnahmen getroffen. Außerdem habe der Krisenstab im Auswärtigen Amt beschlossen, die bereits in die Region entsandten Krisenunterstützungsteams zu verstärken.
Am Samstag hatte die Bundeswehr begonnen, Staatsbürger aus Israel auszufliegen. Dies schließe an die vom AA organisierten Sonderflüge der letzten Tage an, hieß es. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden hat die Bundeswehr in drei Flugzeugen der Luftwaffe rund 160 ausreisewillige Personen nach Deutschland gebracht. Bei Bedarf könnten weitere Luftwaffenflüge eingerichtet werden. Mittlerweile hat der Krisenstab im AA eine Reisewarnung für Israel, die gesamten palästinensischen Gebiete und den Libanon beschlossen. Klare Botschaft: Niemand soll sich angesichts der Gewalteskalation jetzt noch in Gefahr bringen.
FAZ: Kretschmer kontra “Berliner Blase”. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kritisiert im Interview mit Jasper von Altenbockum und Berthold Kohler die Ampel für ihre unentschlossene Migrationspolitik. Er fordert zudem einen niedrigeren Strompreis. Und er findet, dass man der Ukraine keinen Blankoscheck ausstellen dürfe, denn dann könne “die Ukraine machen, was sie will, und so lange, wie sie will”. (“Alle sagen, ihr Deutschen seid schuld am Massengrab”, Seite 4)
Woher kommt der Zündstoff für die Digitalisierung des Gesundheitswesens? Lange ist die Politik hinter den Erwartungen zurückgeblieben, meint Markus Leyck Dieken. Mit den neuen Digitalgesetzen mache Deutschland nun aber einen großen Sprung nach vorn. Auf dem Big Bang Health-Festival haben wir für unseren PKV-Youtube-Kanal mit dem Gematik-Chef gesprochen. (Mehr)
SZ: Union setzt Scholz unter Druck. Friedrich Merz hat im Anschluss an die Ministerpräsidentenkonferenz einen Katalog mit 26 Forderungen zur Migrationspolitik vorgelegt. Darin: Die Ampel soll eine Obergrenze von 200.000 Personen pro Jahr einführen; Visa sollen nur noch an Angehörige eines Staats erteilt werden, der bereit ist, abgelehnte Asylbewerber zurückzunehmen; Personen, die bereits in anderen EU-Staaten um Asyl ersucht haben, sollen dorthin zurückgewiesen werden. Wichtiger als eine Einigung mit der Union sei Scholz der Schulterschluss mit den Ländern, analysiert Markus Balser. (“26 Punkte und ein Problem”, Seite 5)
Welt: Günther fordert handlungsfähigen Staat. Im Gespräch mit Ulrich Exner sagt Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU), dass nicht nur das Thema Migration die Wahlergebnisse der AfD erkläre. “Sie spiegeln vielmehr das mangelnde Vertrauen in staatliches Handeln.” Durch die Unstimmigkeiten innerhalb der Ampel dauere vieles viel zu lange. (“Überversorgung von Asylbewerbern sollte vermieden werden”)
Handelsblatt: Strategen haben Kosten für Wasserstoffproduktion unterschätzt. Statt drei Euro pro Kilogramm würden für grünen Wasserstoff ab 2030 voraussichtlich fünf bis acht Euro je Kilogramm aufgerufen, heißt es in einer Studie, aus der Kathrin Witsch zitiert. Da in manchen Branchen dieser als einzige Alternative zu fossilen Energieträgern gilt, wäre das für die Energiewende eine katastrophale Nachricht. Über eine “Wasserstoffbank” der EU soll zwar die Preisdifferenz zu den Fossilen ausgeglichen werden, das Budget ist mit 800 Millionen Euro zum Start allerdings begrenzt. (“Grüner Wasserstoff ist deutlich teurer als gedacht”, Seite 25)
Taz: Ungleichbehandlung bei der Kinderwunschbehandlung. Die gesetzlichen Krankenkassen erstatten verheirateten, heterosexuellen Paaren die Hälfte der oft mehrere Tausend Euro teuren Behandlung. Bund und zwölf Länder übernehmen bis zu 50 Prozent vom Rest. Doch von den Ländern, die eine künstliche Befruchtung fördern, unterstützen nur sechs auch homosexuelle Paare. Einen rechtlichen Grund für diese Diskriminierung gebe es nicht, schreibt Rieke Wiemann. (“Diskriminierung bei künstlicher Befruchtung”, Seite 7)
Israel: Österreichischer Kommandeur rechnet mit Zweifrontenkrieg. Der Kommandeur der österreichischen Garde, Markus Reisner, hält einen Zweifrontenkrieg Israels mit dem Libanon und Gaza für wahrscheinlich: “Die Hisbollah erwägt ihre nächsten Schritte sehr genau.” Im Gespräch mit Table.Media äußerte er zudem die Befürchtung, dass der Bodeneinsatz der israelischen Armee im Gazastreifen viele Opfer fordern werde. “Die Israelis versuchen natürlich, im Rahmen des Völkerrechts zu agieren. Aber sie machen nicht den Fehler zu glauben, einen sauberen Krieg führen zu können, weil sie wissen, dass Krieg hauptsächlich schmutzig und grausam ist.” Ein Grund für den bevorstehenden Einmarsch sei der anhaltende Beschuss Israels durch Raketen der Hamas. Um diesen zu beenden, müsse die Armee “Raketen-Abschussrampen in Besitz nehmen”, so Reisner.
Israel werde Tausende Soldaten einsetzen müssen, um die Hamas im Häuserkampf besiegen zu können, sagte Reisner, der als Oberst dem österreichischen Generalstab angehört. “Schon um einen einzelnen Scharfschützen zu bekämpfen, braucht man eine ganze Gruppe von acht oder zehn Soldaten”, erklärte er Table.Media. Aus diesem Grund hätten die Israel Defense Forces (IDF) auch mehr als 350.000 Reservisten eingezogen. Zugleich sei die Massenmobilisierung “ein Zeichen im Informationsraum an Israels Feinde, dass sie sich keinen Illusionen über mangelnde Entschlossenheit hingeben sollten”.
Die Hamas habe durch ihren Terrorüberfall am 7. Oktober im Informationskrieg einen “überraschenden Erfolg” erzielt, “vor allem dahingehend, dass der Nimbus der Unbesiegbarkeit der israelischen Armee einen Schlag versetzt bekommen hat”. Zugleich habe der Angriff in den frühen Morgenstunden des jüdischen Feiertags Simchat Tora für “Chaos und Übersättigung der israelischen Sicherheitseinrichtungen” gesorgt. “Für einen halben Tag war die Armee dadurch wie gelähmt, aber das hat der Hamas gereicht an diesem schwarzen Schabbat-Morgen”, so Reisner. Das komplette Interview von Markus Bickel lesen Sie im Security.Table.
Migration: Union fordert Arbeitspflicht. Die Fraktion der CDU/CSU fordert die Bundesregierung auf, zugewanderte und geflüchtete Menschen, die das Asylverfahren erfolgreich abgeschlossen haben, zu praktischen Tätigkeiten zu verpflichten. “Dafür braucht es einen niedrigschwelligen und verpflichtenden Ansatz”, heißt es in einem entsprechenden Bundestags-Antrag, der Table.Media vorliegt. “Unser Land ist ganz offensichtlich nicht gut darin, erwerbsfähige Menschen mit Bleiberecht an den Arbeitsmarkt und an eine Ausbildung heranzuführen”, erklärte dazu der innenpolitische Sprecher der Union, Alexander Throm: “Wer dauerhaft in Deutschland leben will, integriert sich am erfolgreichsten über den Job.” 45 Prozent der anerkannten Flüchtlinge beziehen laut Throm derzeit Bürgergeld: “Kommunen nehmen wahr, dass sich manch einer im Bürgergeld ‘einrichtet’.” Nach Vorstellung der Union sollte diese Arbeit den Sprach- und Integrationskursen dann gleichgestellt werden.
Zuvor hatte schon der Deutsche Landkreistag eine Arbeitspflicht für alle Migranten gefordert. Verbandspräsident Reinhard Sager, ebenfalls CDU-Mitglied, hatte am Freitag in der Bild geäußert, dass es dabei egal sei, ob es sich um “gemeinnützige Arbeit oder eine Arbeit in der Gastronomie” handele. Die Union macht sich diese Forderung nun teilweise zu eigen, und konkretisiert in ihrem Antrag, welche Tätigkeiten infrage kommen sollten: “Dies können unterstützende Tätigkeiten in Einrichtungen der Daseinsvorsorge sein, etwa Pflege- und Gartenarbeiten in öffentlichen Grünanlagen, Reinigungs- und Instandhaltungsarbeiten in Gemeinden oder unterstützende Tätigkeiten in der Jugend-, Kranken- und Altenhilfe.”
Bundesfinanzminister Christian Lindner sieht eine Arbeitspflicht für Migranten kritisch. Am Rande der Tagung des Internationalen Währungsfonds in Marrakesch sagte er am Freitag: “Was wir auf keinen Fall wollen können, ist, dass ein neuer Magnet für die illegale Einwanderung nach Deutschland eingeschaltet wird.” Auch bei der Diakonie stößt eine Arbeitsverpflichtung auf Kritik. “Das hat etwas von einem Zwangsdienst”, sagte der Präsident des Wohlfahrtverbandes, Ulrich Lilie. Es gehe um Menschen, die Anrecht auf Asyl haben oder die in Deutschland Flüchtlingsschutz genießen.
Antisemitismus-Vorwürfe: ZDF schneidet Aussage von Richard David Precht heraus. +++ Goodbye Greenwashing: HelloFresh darf nicht mehr mit Klima-Neutralität werben. +++ Ströerfeuer: Business Insider berichtet über mögliche Stellenstreichungen bei T-Online. +++
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SZ: Israel bereitet nächste Eskalationsstufe vor
FAZ: Israelische Armee: Hamas verhindert Flucht der Bevölkerung
Tagesspiegel: “Müssen über ihren Schatten springen” – FDP drängt Grüne zu härterer Flüchtlingspolitik
Handelsblatt: Angst vor dem Flächenbrand – Die wichtigsten Antworten zur Lage in Nahost
Zeit Online: Zivilisten in Gaza – “Wir trinken salziges Wasser”
Spiegel: Benjamin Netanyahu unter Druck – Den ersten Krieg hat er schon verloren
RND: Massenflucht vor der Bodenoffensive – “Es gibt keinen sicheren Ort”
T-Online: Stimmung in Russland – Jeder will wissen, wann Putin stirbt
Business Insider: “Wenn die Hamas kommt, schieß mir in den Kopf”: Junges Paar aus Israel überlebte das Festival-Massaker – jetzt ziehen sie gemeinsam in den Krieg
Zeit Online: Palästinenser in Deutschland – “Nein, sag das nicht! Nur Sätze für den Frieden!”
Welt: Zusammenbruch zwei Stunden nach dem Rennen – Laura Philipp kollabiert
FAZ: Cum-Ex-Skandal – Das ist die mächtigste Staatsanwältin Deutschlands
Handelsblatt: Ägypten will Gaza-Grenze für Ausreise ausländischer Bürger öffnen – Hamas und Iran beraten über “Widerstandsachse”
NZZ: Das Völkerrecht setzt Israels Selbsterteidigungsrecht Grenzen – trotz dem Terror der Hamas
Afghanistan: Nichts als Elendsverwaltung. Während die Welt in den Nahen Osten schaut, nimmt das Drama in Afghanistan weiter zu. Mehr als 2.000 Menschen sollen beim jüngsten Erdbeben im Westen des Landes, dem immer noch Nachbeben folgen, ums Leben gekommen sein. Geholfen wird nur noch bedingt. Weil es an Geld fehlt, an qualifiziertem Personal, weil die im Land verbliebenen Organisationen bereits überlastet sind. Schon im September, also vor den Erdbeben, hatte die WFP-Landesdirektorin Hsiao-Wei Lee mangels finanzieller Unterstützung Alarm geschlagen: “Wir sind gezwungen, von den Hungernden zu nehmen, um die Verhungernden zu retten.” Bereits im Frühjahr hatte die Organisation acht Millionen Menschen von der Nahrungsmittelhilfe abgeschnitten.
Auch andere Organisationen haben massive Probleme. Die Deutsche Welthungerhilfe, seit Jahrzehnten in Afghanistan aktiv und dort im Jahr 2022 noch mit über 20 Millionen Euro engagiert, sieht sich nicht in der Lage, mit eigenen Helfern in der Erdbebenregion zu helfen. Weil Nothilfe andere Fähigkeiten erfordert als Entwicklungsprojekte, weil sie kaum eigene Strukturen im Westteil des Landes unterhält, aber auch weil viele ihrer erfahrenen Leute im Zuge der Machtübernahme der Taliban das Land verlassen haben.
Die Lage wird sich weiter verschärfen. Das Nachbarland Pakistan hat nach mehreren Selbstmordanschlägen vor wenigen Tagen 1,7 Millionen afghanische Flüchtlinge aufgefordert, bis zum 1. November das Land zu verlassen. Auch Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, sieht die Lage überaus kritisch: “Mehr als die Hälfte der Afghanen ist eigentlich auf humanitäre Hilfe angewiesen. Pakistan schickt die Flüchtlinge zurück – und jetzt steht auch noch der Winter bevor.” 15,7 Millionen Euro hat die Welthungerhilfe 2023 in Afghanistan ausgegeben. Es fehlten aber schlicht die Mittel, um allen Bedürftigen gerecht zu werden. Während die Zahl der asylsuchenden Afghanen in Deutschland weiter ansteigt, will und soll das Auswärtige Amt seinen Etat für humanitäre Hilfe im kommenden Jahr drastisch zusammenkürzen.
Kindergrundsicherung: Neuberechnung verzögert sich. Bei der Präsentation der Einigung zur Kindergrundsicherung Ende August hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus angekündigt, das Statistische Bundesamt werde innerhalb von sechs bis sieben Wochen berechnen, was Kindern künftig zustehen soll. Diese Zeit ist jetzt abgelaufen. Doch auf die Frage nach dem Ergebnis dieser Berechnungen verweist das BMFSFJ auf das Bundesarbeitsministerium als Auftraggeber. Laut diesem werden die Ergebnisse für die Beratungen des Bundestags vorgelegt.
Das Statistikamt will sich ebenfalls nicht äußern und verweist auf die beiden Ministerien. Grundlage für die Berechnung ist eine Sonderauswertung der Einkommens- und Verbraucherstichprobe (EVS) von 2018. Der statistische Verteilungsschlüssel, mit denen Haushaltsausgaben anteilig Kindern zugewiesen werden, soll erneuert werden. Ziel ist, dass sich das Existenzminimum stärker als bisher an deren “tatsächlichen Bedürfnissen” ausrichtet. Die EVS wird alle fünf Jahre durchgeführt und dient auch als Grundlage für die Regelsätze im Bürgergeld.
Der Bundestag wird voraussichtlich im November erstmals über den Gesetzentwurf beraten. Für Ende des Monats ist dann eine Stellungnahme des Bundesrats angedacht. Offiziell hält die Bundesregierung weiter am 1. Januar 2025 als Start für die Kindergrundsicherung fest. Sowohl die Bundesagentur für Arbeit als auch der Städtetag stellten das Datum zuletzt allerdings infrage. Weil die FDP auch nach dem Kabinettsbeschluss weiter Änderungen fordert, gelten weitere Verzögerungen als wahrscheinlich. Die zuständigen Berichterstatter sind bereits in Gesprächen. Zuletzt legte der aus Wissenschaftlerinnen und Praktikern bestehende “Arbeitskreis Armutsforschung” ein Papier mit Forderungen vor. Irene Becker, eine der Hauptautorinnen, hatte sich bereits zuvor im Interview mit Table.Media geäußert.
FDP: Junger Abgeordneter fordert Denken über Landesgrenzen hinaus. Maximilian Gludau fordert größere politische Visionen, um Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu finden. “In der Landespolitik denken wir in unseren Lösungen manchmal zu klein und konzentrieren uns nur auf ein einzelnes Bundesland”, sagte der jüngste Abgeordnete von Sachsen-Anhalt im Gespräch mit Table.Media. Gerade beim Klimaschutz brauche es europäische Lösungen. Wieso der 24-Jährige, in dessen Wahlkreis ein Kohlerevier liegt, den Strukturwandel als Chance sieht und welches Thema der Bundestag aus seiner Sicht zu wenig auf dem Radar hat, lesen Sie im Interview von Okan Bellikli – im fünften Teil unserer Serie über die jüngsten Abgeordneten der deutschen Landtage.
Europe.Table: “Die Sanktionen gegen Russland funktionieren” – sagt EU-Sanktionskoordinator David O’Sullivan. Das sehe man an der sinkenden Qualität der russischen Waffen, die von der Ukraine abgefangen werden. Wie die EU Umgehungsgeschäfte weiter eindämmen will, lesen Sie im Interview.
China.Table: Ai Weiwei über westlichen Autoritarismus. Der chinesische Künstler ist für seine Ausstellung “Know Thyself” kurzzeitig an seinen ehemaligen Wohnort Berlin zurückgekehrt. Warum die Stadt nie besonders wichtig für die internationale Kunstwelt gewesen sei und man in westlichen Ländern wie Deutschland ebenfalls mit autoritären Systemen zu kämpfen habe, lesen Sie im Interview mit dem Künstler.
Europe.Table: EU leitet Untersuchung gegen den Nachrichtendienst X ein. Der Digital Services Act gibt der EU die Möglichkeit, gegen Plattformen vorzugehen, auf denen illegale Inhalte und Desinformation verbreitet werden. Der Krieg in Israel und Gaza verleiht dem Thema Brisanz: Warum das Instrumentarium der EU noch nicht voll einsatzfähig ist, lesen Sie hier.
China.Table: Rollenwechsel im Nahen Osten. Der Angriff der Hamas auf Israel und der drohende Flächenbrand gefährdet Chinas Image als selbstloser Vermittler. Denn Peking hat durchaus handfeste Interessen in der Region: vor allem an Öl. Welche Tendenz sich schon jetzt abzeichnet, lesen Sie hier.
Deutschlandfunk
ca. 6:50 Uhr: Thorsten Frei (CDU), Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion: Migrationspolitik
ca. 7:14 Uhr: Rolf Mützenich (SPD), Vorsitzender der Bundestagsfraktion: Eskalation in Nahost
ca. 8:10 Uhr: Terry Reintke, MdEP, Co-Vorsitzende der Grünen/EFA-Fraktion: Wahlen in Polen
ZDF
ca. 7:10 Uhr: Ron Prosor, Botschafter von Israel in Deutschland
ca. 8:10 Uhr: Josef Schuster, Präsident Zentralrat der Juden
ca. 8:40 Uhr: Rolf Nikel, ehemaliger deutscher Botschafter in Polen und Vizepräsident Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Highlights der Woche
Von heute (Sonntag) bis Dienstag findet der World Health Summit in Berlin statt. Karl Lauterbach, Steffi Lemke, Svenja Schulze, Christian Drosten, Lothar Wieler und viele weitere deutsche und internationale Experten nehmen teil.
Olaf Scholz eröffnet die Frankfurter Buchmesse am Mittwoch um 17 Uhr. Die Messe läuft bis Sonntag. Cem Özdemir nimmt Samstag (13:30 Uhr) und Sonntag (11 Uhr) teil.
Am Montag treffen sich die EU-Minister für Umwelt und sprechen über kommunales Abwasser, CO₂-Emissionsnormen und die COP28 in Dubai. Am Donnerstag treffen sich die EU-Innenminister und sprechen vor allem über das Schengen-Abkommen.
Was noch wichtig wird
Montag, 16. Oktober
Bildung I: Der Branchenverband Bitkom lädt zur Pressekonferenz über die Forderung nach einem Digitalpakt 2.0 für die Digitalisierung der Schulen ein. 9:30 Uhr, Anmeldung
Nachrichtendienste: Die Anhörung der Präsidenten der Nachrichtendienste findet auf der öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums statt. 10 Uhr, Paul-Löbe-Haus
Bildung II: Die Friedrich-Ebert-Stiftung lädt ein zur Online-Veranstaltung über “Sprachliche Kompetenzen im Focus – Aktuelle Befunde des IQB-Bildungstrends”. 17 Uhr, Anmeldung
Künstliche Intelligenz I: Robert Habeck spricht in seinem vierten “Gespräch zur Transformation” mit Experten über künstliche Intelligenz. 19 Uhr, BMWK
Balkan: Olaf Scholz trifft sich im Rahmen des Berlin-Prozesses mit den Regierungschefs der sechs Westbalkanländer in Tirana. Eine Abschluss-Pressekonferenz mit Ursula von der Leyen ist für 17:45 Uhr geplant.
Dienstag, 17. Oktober
Arbeit: Olaf Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner, Hubertus Heil, Bettina Stark-Watzinger, Friedrich Merz, Andrea Nahles und viele weitere nehmen am Arbeitgebertag der BDA teil. Ganztägig, Berlin Congress Center
Integration: Das Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (DeZIM) stellt die Studie “Wer ist hier ostdeutsch und wenn ja, wie viele?” vor. 13:30 Uhr, DeZIM-Institut Berlin
Mittwoch, 18. Oktober
Weltraum: Olaf Scholz, Volker Wissing, Anna Christmann (Koordinatorin der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt), Siegfried Russwurm (BDI-Präsident) und viele weitere nehmen am Weltraumkongress 2023 des Bundesverbands der Deutschen Industrie teil. Ganztägig, Kino Kosmos Berlin, Infos & Anmeldung
Ostdeutschland: Bettina Stark-Watzinger, Michael Kretschmer (MPK-Ost Vorsitzender) und Carsten Schneider (Ostdeutschland-Beauftragter der Bundesregierung) nehmen an der Sonderkonferenz der Regierungschefinnen und Regierungschef der ostdeutschen Länder teil. 10 Uhr, Helmholtz-Zentrum Berlin
Donnerstag, 19. Oktober
Nachhaltigkeit: Die Bundesregierung und das Land Berlin konferieren zur Weiterentwicklung der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Mit dabei sind Svenja Schulze, Steffi Lemke, Cem Özdemir, Olaf Scholz, Manja Schreiner (Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt) und viele mehr. 9 Uhr, EUREF-Campus Schöneberg, Infos & Anmeldung
Künstliche Intelligenz II: Karl Lauterbach besucht eine Diskussionsveranstaltung der Bundesärztekammer über Erwartungen und ethischen Fragen an den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Medizin. 11 Uhr, Hotel Maritim pro Arte Berlin, Anmeldung, Infos & Livestream
Jüdisches Leben I: US-Botschafterin Amy Gutmann sowie der israelische Botschafter Ron Prosor besuchen die Jubiläumsgala zu 25 Jahren American Jewish Committee in Berlin. 19 Uhr, Hotel Adlon Kempinski
Freitag, 20. Oktober
Regierung: Die Ampel-Spitzen beraten im Koalitionsausschuss. Ganztägig, Berlin
Junge Politik I: Von Freitag bis Sonntag findet Bundeskongress 2023 der Grünen Jugend in Leipzig statt.
Junge Politik II: Die Junge Union veranstaltet ihren Deutschlandtag 2023 von Freitag bis Sonntag in Hannover.
Wahlrecht: Ralf-Uwe Beck (Bundesvorstand Mehr Demokratie e. V.) und Thorsten Kingreen (Universität Regensburg) informieren über ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Sperrklausel bei Bundestagswahlen. 10 Uhr, BPK
Samstag, 21. Oktober
Klima: Steffi Lemke eröffnet eine der ersten von fünf regionalen Bürgerdialogveranstaltungen im Rahmen des “Dialogs Klima-Anpassungen” des BMVUs. 10 Uhr, Dessau Bauhaus
Energie: Olaf Scholz hält die Eröffnungsrede beim Mitarbeiterfest zu 125 Jahren RWE. 18 Uhr, Essen
Sonntag, 22. Oktober
Jüdisches Leben II: Die neu erbaute Weill-Synagoge in Dessau-Roßlau, benannt nach dem Komponisten Kurt Weill, wird eingeweiht. 11 Uhr
FAZ: Amtsarzt mit Erfahrung – Johannes Nießen soll das neue Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (Bipam) aufbauen. Mit dem Vorbeugen von Krankheiten ist normalerweise kein Blumentopf zu gewinnen. Dieser Arzt könnte die nötige politische Erfahrung, Klarheit und Diskretion dafür mitbringen.
Montag, 16. Oktober
Marlene Mortler (CDU), MdEP und ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung, 68 / Markus Schick, Leitung der Abteilung Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit im BMEL, 60 / Günther Rüther, Politikwissenschaftler und ehemaliger Abteilungsleiter Begabtenförderung und Kultur der Konrad-Adenauer-Stiftung, 75 / Corinna Harfouch, Schauspielerin, 69
Unser Tipp führt Sie heute nach Israel. Genauer gesagt in ein Israel, in dem Angst und Sehnsucht nach Sicherheit alles andere überlagern. In dem Roman Das Recht auf Rückkehr entwirft der niederländische Schriftsteller Leon de Winter ein Bild, das lange Fiktion schien und plötzlich real erscheint. Von einer islamistischen Macht bedroht, ist das Land zu einem Hochsicherheitstrakt geworden. Einerseits uneinnehmbar, andererseits so angespannt, dass niemand in diesem Zuhause Ruhe findet. Nahe kommt man jenen, die überlegen, wie lange sie das noch aushalten – und jenen anderen, die schon weg sind, aber sich fragen, ob sie damit ihr Land, ihre Freunde, ihr Leben verraten. Ein Zweifel, der unter die Haut geht.
Leon de Winter: Das Recht auf Rückkehr | Diogenes
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