wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Endlich. Immerhin. Wenigstens ein Anfang. So dürften heute viele denken, seit am Mittag bekannt geworden ist, dass Olaf Scholz nun doch reagiert. Der Kanzler hat für Freitagabend Friedrich Merz, Stephan Weil und Boris Rhein zum ersten Reden über einen Deutschland-Pakt geladen. Vorausgegangen sind vier Wochen, in denen hin- und herwaberte, wer nun auf wen zugehen sollte: der Oppositionsführer auf den Regierungschef oder doch der Kanzler auf den Unionsfraktionschef. Dieses Schauspiel war der Lage längst nicht mehr angemessen. Umso größer dürfte die Erleichterung sein, dass es jetzt den Versuch gibt, die großen Probleme gemeinsam anzugehen. Dass sich pünktlich dazu drei rebellische Bürgermeister aus dem Südwesten melden und Bundesinnenministerin Nancy Faeser Verschärfungen bei der Abschiebung verkündet, kann – absichtlich oder nicht – als Start in eine große Diskussion gelten. Zumal der Kanzler am Abend Faesers Initiative auch noch für sich reklamiert hat.
Wir berichten über den Brandbrief der Bürgermeister Matthias Klopfer (SPD), Richard Arnold (CDU) und Boris Palmer, schauen auf die Pläne der Innenministerin – und schreiben über eine Klage gegen Glyphosat, die einiges ins Rutschen bringen könnte.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Annette Bruhns, Enno Eidens, Damir Fras, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Daniel Schmidthäussler und Thomas Wiegold mitgewirkt.
Wir freuen uns über Ihr Interesse.
Deutschland-Pakt I: Kommunaler Brandbrief an den Kanzler. Drei Oberbürgermeister aus dem Schwäbischen, aus Esslingen, Tübingen und Schwäbisch Gmünd, warnen Olaf Scholz in einem eindringlichen Schreiben vor einem Kollaps ihrer Verwaltungen – wegen ausufernder Verwaltungsvorschriften. Auf 14 Seiten listen sie von A wie Aufenthaltsgestattung bis Z wie Zone 30 eine Vielzahl absurder Beispiele auf, die großen Aufwand verursachen, aber kaum noch zur gewünschten Zielerreichung beitragen. “Lähmend” sei “die Summe der Vorschriften in unserem Land geworden”. Und leider sei keine Trendwende zu erkennen, im Gegenteil nahezu “täglich müssen wir uns über neue, verschärfte Regelwerke beugen und den Bürgern erklären, was eigentlich niemand mehr wirklich versteht”. Das Besondere an der Konstellation: Der Esslinger OB ist Sozialdemokrat (Matthias Klopfer), der aus Schwäbisch Gmünd Christdemokrat (Richard Arnold), der aus Tübingen parteilos (Boris Palmer).
Kommunen sollen von Vorschriften abweichen dürfen. Das Trio, durchaus erfahren im Umgang mit Öffentlichkeit, lässt durchblicken, wie es in ihren Stadtverwaltungen aussieht: “Wenn wir es nicht schaffen, das Dickicht der Bürokratie zu lichten, wird der Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung das Problem auf unkonventionelle Weise lösen. Es gibt die Leute schlicht nicht mehr, die die Vorschriften lesen, verstehen und anwenden könnten.” In vielen Teilbereichen sei das verträgliche Maß an Bürokratie längst überschritten, die Verwaltungen befänden sich “bereits im anaeroben Bereich, wo nicht mehr viel fehlt, bis alles kippt”. Die Städtechefs fordern den Kanzler auf, den Kommunen das Recht einzuräumen, “begründet von Vorschriften und Normen abzuweichen, wo dies vor Ort notwendig erscheint”. Welche – teilweise absurd anmutenden – Beispiele die drei Oberbürgermeister für die angebliche Lähmung ihrer Verwaltungen aufführen, lesen Sie in einer Analyse von Horand Knaup.
Deutschlandpakt II: BMI will Abschieberegeln verschärfen. Unmittelbar vor dem Treffen des Kanzlers mit CDU-Chef Friedrich Merz und den Ministerpräsidenten Stephan Weil und Boris Rhein hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Gesetzentwurf “zur Verbesserung der Rückführung” vorgelegt. Angesichts der parallel stattfindenden Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten in Frankfurt lässt sich die Initiative als Versuch interpretieren, in Sachen Migration nicht als Getriebene zu wirken, sondern mit eigenen Vorschlägen den Diskurs zu lenken. “Wer in Deutschland kein Bleiberecht hat, muss unser Land wieder verlassen”, lässt sich die Ministerin zitieren.
Das Rückführungsverbesserungsgesetz sieht unter anderem vor:
Zeitgleich wird ein Beschlussvorschlag der unionsgeführten B-Länder für die MPK in Frankfurt bekannt. Darin erinnern die Chefs der Staatskanzleien den Bund an die “herausfordernde Situation” in den Ländern. Nötig seien “klare und zielgerichtete Maßnahmen gegen unkontrollierte Zuwanderung, die rasch und wirksam für Entlastung sorgen und den aktuellen unkontrollierten Zuzug effektiv begrenzen”, heißt es in dem Papier. Bei den Kosten werden die Länder sehr konkret: Neben den bereits zugesagten jährlichen 1,25 Milliarden Euro, soll sich der Bund für jeden gestellten Asylantrag mit 1000 Euro pro Verfahrensmonat beteiligen. Die ebenfalls enthaltenen Forderungen nach einer Verschärfung der Abschieberegeln decken sich mit Faesers Vorstoß. Mit dem Wunsch, Armenien und Indien sowie die Maghreb-Staaten Marokko, Tunesien und Algerien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen, gehen die B-Länder allerdings einen deutlichen Schritt weiter. Auch das ist wohl mit ein Grund, weshalb die A-Länder sich dem bislang nicht anschließen konnten.
Wachstumschancengesetz: Normenkontrollrat kritisiert BMF. Das Gremium übt scharfe Kritik an der Tatsache, dass es gerade mal zwei Stunden Zeit zur Verfügung hatte, um all jene Prüfungen am Gesetz des Finanzministeriums von Christian Lindner vorzunehmen, die seinem Auftrag entsprechen. In einer Stellungnahme heißt es, nach der in dieser Zeit möglichen Prüfung sei die Darstellung der Folgen des Gesetzes “weder nachvollziehbar noch methodengerecht”. Außerdem sei zu kritisieren, dass das Ressort den einmalig anfallenden Aufwand für die Wirtschaft mit rund 8,2 Millionen Euro beziffere, ohne dies angemessen herzuleiten. Im Übrigen habe es das Finanzministerium versäumt, die “Möglichkeiten zum digitalen Vollzug der Neuregelung” zu prüfen. Die Folge: Niemand könne sagen, wie viel an Aufwand möglicherweise durch Digitalisierung erleichtert werden könnte.
SZ: Netanjahus schwere Wochen. Keiner hatte den Israelis über Jahrzehnte so selbstbewusst versprochen, dass nur er ihre Sicherheit wirklich garantieren könne. Und doch muss Benjamin Netanjahu jetzt den furchtbarsten Angriff seit 50 Jahren erst abwehren und dann erklären. Israel-Experte Peter Münch beschreibt sein Bemühen, der Kritik mit größter Härte gegen die Hamas zu begegnen. Trotzdem wird es für ihn schwer werden. Auch die berühmte Golda Meir musste nach dem Yom-Kippur-Angriff abtreten. (“Umstrittener Kriegspremier”, Seite 2)
Wir sind die Fair-gegenüber-Jugendlichen-Versicherung. Die Alterung unserer Gesellschaft führt zu steigenden Gesundheitskosten. Denn ältere Menschen benötigen in der Regel mehr medizinische Leistungen. Im kapitalgedeckten Finanzierungsmodell der Privaten Krankenversicherung sorgt jede Generation für ihre eigenen Gesundheitskosten vor. So werden die nachfolgenden Generationen nicht belastet. (Mehr auf pkv.de)
FAZ: Bewohner des Gazastreifens wissen nicht, wohin sie flüchten sollen. Es ist eines der am dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Zwar warnt die israelische Armee kurz vor dem Bombardement die Einwohner, doch die 2,3 Millionen Menschen wissen nicht wohin, schreibt Hans-Christian Rößler. 81 Prozent leben in Armut. 88 Schulen wurden bereits zu Notunterkünften umgewandelt, 175.000 drängen sich bereits dort. Der Grenzübergang Rafah nach Ägypten ist geschlossen. Strom- und Wasserversorgung sind gekappt. (“Ein weiteres Mal auf der Flucht”, Seite 5)
Welt: Scholz und der Emir. Dass Politik kompliziert ist, weiß man. Dass sie manchmal schmerzhaft heikel wird, bekommt der Kanzler am Donnerstag zu spüren. Dann wird er den Emir aus Katar empfangen. Eigentlich will Deutschland eng mit dem Land kooperieren, andererseits finanziert der Emir die Hamas. Beides passt nicht zusammen. Es sei denn, Scholz würde den Emir zum Druck auf die Hamas bewegen, ihre Geiseln freizulassen. Laut Nikolaus Doll und Daniel-Dylan Böhmer hofft er genau das. (“Ein umstrittenes Treffen”, Seite 9)
Zweimal Tagesspiegel: Berliner Polizei rechnet mit vielen Aktionen von Terror-Anhängern. Polizeipräsidentin Barbara Slowik hält die Gefährdungslage durch Hamas-Sympathisanten für gefährlicher als die durch Querdenker. Es sei für sie eine der schwierigsten Zeiten im Amt. In Neukölln und anderen Stadtteilen erlebt die Polizei eine massive Erhöhung antisemitischer Straftaten. Alle Einheiten haben den Objektschutz israelischer Einrichtungen hochgefahren. Die Polizei hat mehrere Demonstrationen unterbunden. Alexander Fröhlich berichtet über angekündigte Aktionen und klärt über die Gruppen auf, die besonders gefährlich sein könnten. (“Hamas-Terror verschärft Lage in Berlin: Polizeipräsidentin rechnet mit Zuspitzung”, Seite 32 und “Samidoun, Hamas und Rote Hilfe Die Terroranhänger in Berlin”, Seite 35)
Spiegel: Deutschland wird Israels Offensive gegen die Hamas militärisch unterstützen. Die Luftwaffe stellt Israel die beiden Heron-Kampfdrohnen zur Verfügung, an denen deutsche Piloten ausgebildet werden. Nach Table.Media-Informationen handelt es sich dabei um Gerät, das Deutschland zuvor von Israel geliehen hatte. Erst später soll die Luftwaffe mehrere bewaffnete Heron T-Modelle erhalten, diese werden vom israelischen Hersteller geleast. (“Deutschland stellt Israel Heron-Kampfdrohnen zur Verfügung”)
Glyphosat: Naturschützer klagen gegen EU-Kommission. Die von einem deutschen Imker gegründete Aurelia Stiftung hat Klage gegen die von der EU-Kommission beschlossene Zulassungsverlängerung von Glyphosat beim EU-Gericht in Luxemburg eingereicht*. Hintergrund der Klage ist, dass die Kommission eine zehnjährige Neuzulassung des Herbizids plant. Darüber will ein Fachausschuss der Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission am Freitag abstimmen. Sollte das EU-Gericht der Klägerin Recht darin geben, dass die Zulassungsverlängerung gegen Unionsrecht verstößt, müsste die Kommission die Entscheidung aufheben. Hunderte glyphosathaltige Pestizidprodukte in der gesamten EU müssten laut Aurelia Stiftung dann vom Markt genommen werden.
Die Bienenschützer betreten mit der Klage juristisches Neuland. Erst 2021 hatte die EU das Unionsrecht an die völkerrechtlich verbindliche Arhus-Konvention angepasst. Damit ist es Umweltverbänden erstmals möglich, gegen Zulassungsentscheidungen der EU-Kommission zu klagen. Die EU-Genehmigung des Pestizidwirkstoffs Glyphosat war Ende 2022 ausgelaufen; die Kommission hat diese bis Ende 2023 verlängert. Die Aurelia Stiftung hatte gegenüber der Kommission bemängelt, dass die Glyphosat-Hersteller die nötige Dokumentation für die bei einer Genehmigungsverlängerung fällige erneute Risikoprüfung nicht rechtzeitig vorgelegt hatten. Im Juli 2023 antwortete die EU-Kommission der Stiftung, sich zur Verlängerung verpflichtet zu sehen, ohne dass Belange des Gesundheits- und Umweltschutzes zu berücksichtigen wären. Die EU-Kommission teilte mit, die vorhandenen Datenlücken fielen nicht in die Verantwortung der Hersteller und ließ erkennen, die Glyphosat-Genehmigung nochmals zu verlängern, falls das Genehmigungsverfahren sich weiter hinziehe.
Imkermeister Thomas Radetzki begründet die Klage mit der Sorge um die Artenvielfalt. “Wir kämpfen mit juristischen Mitteln für die Gesundheit von Bienen und bestäubenden Insekten, um die Zerstörung der Artenvielfalt durch Ackergifte zu beenden”, sagte der Stiftungsvorstand Table.Media. Aurelia-Anwalt Achim Willand wirft der Kommission vor, das Vorsorgeprinzip zu unterlaufen: “Die Argumentation der EU-Kommission im Glyphosat-Verfahren läuft darauf hinaus, dass Alt-Genehmigungen jahrelang verlängert werden, obwohl Risiken noch nicht hinreichend bewertet werden konnten.” Die Klage der Aurelia Stiftung wird durch das Sozialunternehmen Ecosia finanziell unterstützt.
*In einer ersten Fassung des Artikels hatte es geheißen, dass die Klage sich gegen den Vorschlag der Kommission richte, die Zulassung des Herbizids um zehn Jahre zu verlängern. Dies ist nicht korrekt; gegen eine weitere Verlängerung hat die Stiftung bisher nur Klage angedroht.
Mehrwertsteuer auf Gas: Kritik am Kabinettsbeschluss. Die Mehrwertsteuer auf Gas soll bereits zum Jahreswechsel wieder von 7 auf 19 Prozent steigen. Eine Formulierungshilfe für eine entsprechende Gesetzesänderung hat das Kabinett am Mittwoch auf Vorschlag von Finanzminister Christian Lindner beschlossen. Ursprünglich sollte der reduzierte Mehrwertsteuersatz, der während der Gaskrise am 1. Oktober 2022 eingeführt worden war, bis zum 1. April 2024 gelten. Unions-Vize Andreas Jung kritisiert den Plan: “Eine Zusatzbelastung mitten im Winter” sei “ganz sicher das falsche Signal”. Der Energieversorger-Verband BDEW warnt, durch die Änderung bestehe “die Gefahr, dass die Gaspreise für viele Haushalte steigen”.
Tatsächlich sind die Auswirkungen aber minimal. Denn die Gaspreise sind in den letzten Monaten stark gesunken: Kurz bevor der Mehrwertsteuersatz zum 1. Oktober 2022 gesenkt wurde, lagen die Gaskosten für Haushalte bei neuen Verträgen im Schnitt bei 30 bis 40 Cent pro Kilowattstunde. Aktuell beträgt der Preis wieder weniger als 9 Cent pro Kilowattstunde; durch den Wiederanstieg der Mehrwertsteuer würden daraus 10 Cent. Weil die starken Preissenkungen für Neuverträge erst mit Verzögerung bei den Bestandskunden ankommen, dürften die Gaspreise in diesem Winter für die meisten Haushalte trotz der Mehrwertsteuererhöhung deutlich sinken.
X wie weg: Ferda Ataman fordert von Bundesregierung, Twitter-Nachfolger zu verlassen. +++ Causa Lindemann: “Süddeutsche Zeitung” setzt sich gegen Rammstein-Sänger durch. +++ Graustufen: “Bild”-Reporter Paul Ronzheimer über Krieg, Frieden und Medien-Monster.
turi2 – das Wichtigste aus der Medienwelt. 2x täglich. Kostenlos. turi2.de/newsletter
SZ: Ampel will Abschiebungen erleichtern
FAZ: Regierung will Abschiebungen und Arbeitszugang erleichtern
Tagesspiegel: Regierung will Abschiebungen erleichtern Scholz lädt Merz zu Migrationsgipfel
Handelsblatt: Knappe Kasse beim Bund
Sächsische Zeitung: Zahl der illegalen Einreisen nach Sachsen hat sich verdoppelt
Zeit Online: “Ein Soldat meinte, wenn ich nicht sterben will, muss ich still sein”
Spiegel: Deutschland stellt Israel Heron-Kampfdrohnen zur Verfügung
RND: Von Syrien bis zum Iran: Israels gefährliche Nachbarn
T-Online: Bericht: Deutschland liefert Heron-Drohnen an Israel
Business Insider: Zwischen Home Office und Raketenalarm: Eine deutsch-israelische Mutter erzählt, wie ihre Familie den Alltag nach dem Angriff bewältigt
Zeit Online: Warum brach das Glas?
Welt: Israel-Flaggen vor Rathäusern abgerissen – Berliner Mauer mit Hakenkreuzen beschmiert
FAZ: Frühere Freundin belastet Kryptobörsengründer Bankman-Fried
Handelsblatt: Ölpreis: Drei Gründe für das plötzliche Ende der Preisrally
Bundeswehr: Pistorius stellt Kampfbrigade für Litauen auf. Die Pläne für die erste dauerhafte Stationierung eines Bundeswehr-Kampfverbandes außerhalb Deutschlands nehmen Gestalt an. Verteidigungsminister Boris Pistorius kündigte heute an, dass in Litauen eine neue gepanzerte Kampfbrigade aufgestellt und nicht eine bestehende Brigade aus Deutschland verlegt werden soll. Formal wird die neue Truppe, die der Abschreckung gegen Russland dienen soll, voraussichtlich Anfang 2025 in Dienst gestellt – eine nennenswerte Anzahl deutscher Soldaten und Soldatinnen wird aber wohl frühestens 2026 in dem baltischen Land präsent sein.
Suche nach Freiwilligen. Pistorius hatte im Sommer überraschend angekündigt, die bereits zuvor von Bundeskanzler Olaf Scholz den Litauern versprochene Bundeswehr-Brigade werde nicht aus rotierenden Einheiten bestehen, sondern dauerhaft komplett in Litauen stationiert werden. Nach den Plänen des Wehrressorts werden dafür einzelne Bataillone, vielleicht auch Kompanien aus bestehenden Einheiten in Deutschland abgezogen. Der Minister hofft auf möglichst viele Freiwillige, die dann für mehrere Jahre nach Litauen gehen – auch mit ihren Familien, für die Wohnungen, Schulen, Kindergärten und Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Ob dieses “größte Projekt der Bundeswehr” (O-Ton Pistorius) so funktioniert, ist noch offen. Vorsorglich kündigte der Minister auch an: Freiwilligkeit “ist ein Prinzip, aber am Ende zählt das Ergebnis”.
CDU-Gesundheitspolitikerin: Kassen müssen Pflegedienste schneller bezahlen. Die Bundestagsabgeordnete Simone Borchardt sieht ambulante Pflegedienste von einer Pleitewelle bedroht, die hausgemacht sei. “Die größte Bedrohung für unsere ambulante Pflege ist die enorme Verzögerung bei der Übernahme der Personalkosten durch die gesetzlichen Krankenkassen”, sagte Borchardt zu Table.Media. Die “herausragenden Leistungen” von Pflegerinnen und Pfleger würden erst Monate oder teilweise Jahre später vergütet. “Ich fordere, dass die Refinanzierung der Personalkosten endlich zeitnah binnen einer festgelegten Frist erfolgen muss, damit die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit der Pflegedienst gewährleistet ist.”
Am Mittwoch hat auch die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein Positionspapier zur Pflege vorgestellt. Zentrales Anliegen: eine zukunftssichere Finanzierung der Pflege durch einen Mix aus gesetzlicher Pflegeversicherung, betrieblicher Mitfinanzierung sowie eigenverantwortlicher Vorsorge. “Insbesondere die junge Generation kann bereits durch geringe Beiträge ein späteres Pflegerisiko im Alter finanziell absichern”, schreiben die Initiatoren um den gesundheitspolitischen Sprecher der Union, Tino Sorge. Da pflegende Angehörige “das Rückgrat des deutschen Pflegesystems seien” (siehe Grafik), fordert die Fraktion “zeitnah klare Entlastungsmaßnahmen” für pflegende Angehörige, um die Versorgung der Pflegebedürftigen “weiterhin gewährleisten zu können”. Wer diese Frau der klaren Worte ist, hat Annette Bruhns für Sie aufgeschrieben.
Welthunger-Index: Rückschritte im Kampf gegen Hunger. Die Welt droht den Kampf gegen den Hunger zu verlieren. Wie aus dem aktuellen Welthunger-Index der Welthungerhilfe hervorgeht, dürfte das Ziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis zum Jahr 2030 auszurotten, kaum noch erreichbar sein. Zwar hat sich der neuen Studie zufolge die Hungersituation in manchen Ländern die Lage im Vergleich zum Jahr 2015 leicht verbessert. Doch ist die Zahl der unterernährten Menschen gestiegen. Hatten 2017 noch 572 Millionen Menschen zu wenig zu essen, sind es heute 735 Millionen. Das ist auch auf die Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zurückzuführen, schreibt Daniel Schmidthäussler in seiner Analyse.
Climate.Table: Holt Polen seine verschleppte Energiewende nach? Kaum ein Land in Europa produziert so klimaschädlich Energie wie Polen und hält so hartnäckig an der Kohle fest. Die PiS-Regierung hat die Energiewende sogar aktiv behindert. Am Sonntag wählt das Land ein neues Parlament. Ob ein Sieg der Opposition Schwung in die Energiewende bringen könnte, lesen Sie hier.
China.Table: Harte Konkurrenz für Zuliefer-Industrie. Während die deutsche Zulieferindustrie mit technischen Umbrüchen kämpft, haben sich chinesische Anbieter als Alternative etabliert. Der Konzern Huawei etwa, der das Modell Aito komplett mit Digitaltechnik ausstattet – und damit zu einem der am besten vernetzten Fahrzeuge der Welt macht. Was die Lage und das Huawei-Auto so besonders macht, lesen Sie hier.
Europe.Table: Pingpong beim Bürokratieabbau. Deutschland und Frankreich drängen auf konkrete Maßnahmen der EU-Kommission, um Unternehmen zu entlasten. Die Behörde will nun nächste Woche konkret darlegen, wo sie Berichtspflichten reduzieren will. Warum Brüssel den Ball zurück in die EU-Staaten spielt, lesen Sie hier.
Research.Table: Wissenschaftler verlassen X. Die Skepsis gegenüber der Plattform X, ehemals Twitter, nimmt in der Forschungscommunity zu. Viele Wissenschaftler wenden sich ab und suchen nach neuen Foren. Ob die Alternative vor allem Bluesky heißt und was für die Präsenz bei LinkedIn spricht, lesen Sie hier.
Europe.Table: Selenskyj wirbt um Winterhilfe. Die Ukraine kann trotz der Eskalation im Nahen Osten mit der ungebrochenen Hilfe der Nato-Staaten rechnen, so die Botschaft beim Treffen der Verteidigungsminister in Brüssel. Wie der mutmaßliche Anschlag auf die baltische Pipeline zur Sprache kam, lesen Sie hier.
Deutschlandfunk
ca. 5:30 Uhr: Alexander Möller, Geschäftsführer ÖPNV beim Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV): Zukunft des Deutschlandtickets
ca. 6:20 Uhr: Arye Sharuz Shalicar, Sprecher der israelischen Armee: Kommt die Offensive?
ca. 6:50 Uhr: Nazih Musharbash, Präsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft: Wie stehen die Palästinenser zur Hamas?
ca. 7:14 Uhr: Anke Rehlinger (SPD), Ministerpräsidentin des Saarlandes; Migration
rbb24-Inforadio
ca. 7:45 Uhr: Prof. Michael Wolffsohn, deutsch-israelischer Historiker: Israel-Palästinenser: Der ewige Konflikt
Das Erste
6:05 Uhr, 7:05 Uhr, 8:35 Uhr: Felix Schotland, Synagogen-Gemeinde Köln: Forderung nach mehr Schutz
6:10 Uhr, 8:05 Uhr: Jürgen Hardt, Außenpolitischer Sprecher Unionsfraktion: Regierungserklärung zu Israel
7:35 Uhr Rolf Mützenich (SPD), Fraktionsvorsitzender: Regierungserklärung zu Israel
Phoenix
ca. 8:45 Uhr: Die Außenpolitischen Sprecher Nils Schmid (SPD) und Jürgen Hardt (CDU)
Donnerstag, 12. Oktober
Michael Grosse-Brömer (CDU), MdB, 63 / Nadine Heselhaus (SPD), MdB, 45 / Felix Klare, Schauspieler, 45 / Susanne Langhans, Schauspielerin, 47 / Sophie von Kessel, Schauspielerin, 55 / Heide Pfarr (SPD), Ehrenmitglied des Deutschen Juristinnenbundes, Politikerin und Rechtswissenschaftlerin, 79
Unser Tipp führt Sie heute zur “Liebesbeziehung zwischen Rap und Politik”. So beschreibt der WDR-Journalist Vassili Golod, der zuletzt auch aus der Ukraine berichtete, das Konzept des Podcasts “Macchiavelli”. Seit fünf Jahren sprechen er und Jan Kawelke darüber, dass sich beide Welten “näher sind, als die meisten meinen”. Einer der derzeit bekanntesten deutschen Vertreter des Genres ist RIN, der in einer aktuellen Folge auf Olaf Scholz trifft. Das auch auf Video festgehaltene Gespräch dreht sich um viele Themen: von Krieg über die Unzufriedenheit mit der Ampel bis hin zur Frage, warum der Rapper nicht wählen darf.
Olaf Scholz & RIN: Bundeskanzler trifft Rap-Star | COSMO
Das war’s für heute. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Donnerstagabend.
Good night and good luck!
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.
PS: Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden.