Table.Media dankt hunderttausendmal! Table Professional Briefings werden jetzt über 100.000 Mal gelesen. Von den entscheidenden Köpfen für die Themen Afrika, Agrifood, Bildung, Berlin/Bundespolitik, China, Climate, ESG, Europa/EU, Research, Security, 100Headlines. Unser Dank: Lernen Sie kostenlos kennen, wieviel Vorsprung Ihnen Deutschlands größte Professional Briefing Redaktion verschafft. (Mehr)
Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt
Gescheiterte Baerbock-Reise: Mehr als nur peinlich
Notaufnahmen: Streit um Entlastungsplan
Lehrer: Esken plädiert für weniger Teilzeit
Schulpolitik: Höcke nimmt Anleihen beim Nationalsozialismus
China-Kritiker: Offene Drohungen und kein Schutz
Spanien: Puigdemont erhöht Druck auf Sánchez
Fußball: Managerappell zu mehr Nachhaltigkeit
Liebe Leserin, lieber Leser,
wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.
Einer Umfrage des Deutschen Beamtenbunds zufolge glauben nur noch 27 Prozent der Deutschen, dass der Staat in der Lage ist, seinen Aufgaben nachzukommen. Und leider lassen viele aktuelle Nachrichten befürchten, dass dieser Wert weiter sinken wird. So musste Außenministerin Annalena Baerbock ihre Reise in den Indopazifik wegen eines Defekts am Regierungsflieger abbrechen. Wie groß der politische Schaden ist, den dieser technische Schaden zur Folge hat, beschreibt Bernhard Pötter, der mit an Bord war.
Und auch die Situation in den überlasteten Krankenhäusern dürfte das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Staates nicht gerade steigern. Wir berichten über einen Vorschlag aus dem Gesundheitsministerium, der den Mangel besser verwalten soll – doch gelöst werden dürfte das Problem damit nicht. Und wir werfen noch mal einen ausführlicheren Blick auf die unsäglichen Äußerungen von Björn Höcke zur Bildungspolitik und ihre historischen Parallelen.
Wir wünschen Ihnen trotz allem eine informative Lektüre.
Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Annette Bruhns, Christian Füller, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt, Bernhard Pötter und Holger Schleper mitgewirkt.
Gescheiterte Baerbock-Reise: Mehr als nur peinlich
Gescheiterte Baerbock-Reise: Mehr als nur peinlich. Dass die deutsche Außenministerin es wegen technischer Probleme am Regierungsflieger nicht schafft, nach Australien, Neuseeland und Fidschi zu gelangen, ist ohne Frage eine Blamage für eine Nation, die vom Ruf der Qualität ihrer Maschinen und Ingenieure lebt. Entsprechend groß war der Frust der Delegation von Annalena Baerbock, als sie nach zwei gescheiterten Versuchen, die Landeklappen wieder einzufahren, von Dubai aus unverrichteter Dinge mit Linienflügen zurück nach Deutschland fliegen mussten. Doch das ist nicht alles, berichtet Table.Media-Redakteur Bernhard Pötter, der zusammen mit der Außenministerin unterwegs war.
Auch für die Klimaaußenpolitik ist der Reiseabbruch ein Problem. Denn Baerbock wollte die Gespräche nutzen, um im Vorfeld der nächsten Klimakonferenz im November neue Allianzen zu knüpfen. Und weil der Regierungsflieger in den Vereinigten Arabischen Emiraten gestrandet ist, musste die Außenministerin die dortige Regierung um Hilfe bitten, die die Präsidentschaft der nächsten Klimakonferenz stellt. Die eigentlich erwarteten harten Verhandlungen über den Ausstieg aus fossilem Öl und Gas dürften damit deutlich schwieriger werden. Eine ausführliche Analyse zu den Konsequenzen lesen Sie hier.
Notaufnahmen: Streit um Entlastungsplan
Notaufnahmen: Streit um Entlastungsplan. Nachdem der Kinderärzte-Präsident Thomas Fischbach eine Gebühr für Eltern gefordert hat, die mit nicht ernsthaft kranken Kindern Notaufnahmen verstopfen, wird bekannt, dass ein Entlastungsplan längst existiert. Allerdings gibt es um den Plan, den Lauterbachs Vorgänger Jens Spahn (CDU) schon im Juli 2021 in Auftrag gegeben hatte, Streit. Bereits am 6. Juli hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), das höchste Organ der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens, die lange verschobene Richtlinie zur Entlastung von Notaufnahmen vorgelegt. Sie sieht vor, echte von unechten Notfällen zu unterscheiden und nicht dringliche Fälle in die ambulante Versorgung zu überweisen (siehe Grafik).
Patienten, deren Behandlung mehr als 24 Stunden Aufschub verträgt, sollen einen Code erhalten. Damit soll ihnen die örtliche Kassenärztliche Vereinigung einen Arzttermin vermitteln. Ursprünglich war vorgesehen, dass die Krankenhäuser nicht dringliche Patienten direkt mit einem Termin beim niedergelassenen Arzt entlassen. Die Krankenhausgesellschaft wehrte sich dagegen. Ihr Vorsitzender Gerald Gass lehnte auch die neue Richtlinie gegenüber Table.Media ab: “Die Idee, dass Krankenhäuser noch Termine vermitteln, ist gänzlich realitätsfremd.”
Auch Ampel-MdBs haben Vorbehalte.Andrew Ullmann (FDP) begründet seine Kritik damit, dass die Reform der Notfallversorgung “ganzheitlich betrachtet” werden müsse – also im Rahmen der Krankenhausreform. Grünen-Kollege Janosch Dahmen hält es für potenziell “lebensgefährlich”, Patienten mit akuten Problemen im Krankenhaus abzuweisen, ohne für eine rasche Weiterbehandlung zu sorgen. Eine Analyse von Annette Bruhns zu den Hintergründen des Streits, in dem es auch darum geht, wer an den Kranken verdienen darf, lesen Sie hier.
Presse-Briefing von morgen
15. August 2023 Presseschau
Handelsblatt: Veto gegen Lindner. Gegen das Wirtschaftsentlastungsgesetz, das Christian Lindner an diesem Mittwoch im Kabinett einbringen wollte, hat die Familienministerin ein Veto eingelegt, schreiben Martin Greive und Julian Olk. Begründung von Lisa Paus: Sechs Milliarden Euro an Entlastung sei zu viel, wenn kein Geld für die Kindergrundsicherung da sei. Der geplante Neustart der Ampel kommt offenbar ins Stocken, bevor er überhaupt begonnen hat. (“Paus legt Veto gegen Steuererleichterungen für Firmen ein”, Seite 7)
Warum die Pflegezusatzversicherung so wichtig ist. Die Babyboomer gehen in Rente und werden pflegebedürftig. Das setzt das deutsche Sozialsystem zunehmend unter Druck. Gut zu wissen: Die Beträge für eine private Pflegezusatzversicherung sind meist geringer als gedacht – und können auch vom Arbeitgeber finanziert werden. PKV-Sprecher Stefan Reker über die Vorzüge dieser Vorsorge. (Mehr)
Tagesspiegel: Komplettumbau des Sozialstaats? Die CDU-Abgeordneten Kai Whittaker und Markus Reichel schlagen vor, dass alle Einkommensarten – etwa Einkünfte aus Kapital und selbstständiger Arbeit – für die Sozialversicherung herangezogen werden. Auf sie soll ein einheitlicher Beitrag erhoben werden. Das Ziel: die Beitragslast für untere und mittlere Einkommen senken. Die Idee soll in die aktuelle parteiinterne Diskussion um ein neues Grundsatzprogramm einfließen. (“Ein CDU-Duo will den Sozialstaat umbauen”, Seite 6)
SZ: Söders Wind- und Strom-Gepolter. Während Bayern selbst kaum Windenergie erzeugt, lehnt Markus Söder ab, dass Länder, die das tun und dafür höhere Stromkosten stemmen, einen Ausgleich erhalten. Im Wahlkampf vermengt er zu Unrecht die Frage der Stromnetzentgelte mit der Kritik an drohenden Strompreiszonen für Deutschland, infolge derer Regionen im Norden und Osten für die Industrie attraktiver würden. Die Solidarität gegenüber Bayern, auch beim Ausbau der Netze dorthin, verschweigt er. “Söder ahnt nicht, auf welch dünnem Eis er da wandelt”, schlussfolgert Michael Bauchmüller. (“Söder wandelt auf dünnem Eis”, Seite 13)
Taz: Ortskräfte bitten um Hilfe. Nach einem Brief malischer Übersetzer an die Bundesrepublik fordert auch Marcus Grotian vom Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte mehr Unterstützung für Betroffene. Ihm zufolge hätte die Regierung längst Lehren aus der “katastrophalen Situation” nach dem Abzug vom Hindukusch ziehen können und müssen. Auch die Verfasser des Briefs weisen darauf hin, dass in Afghanistan noch immer Ortskräfte festsitzen. (“Ortskräfte aus Mali fordern Schutz”, Seite 6)
FAZ: Staat erzeugt Unsicherheit. Fehlende Entscheidungsfreude seitens der Bundesregierung verunsichere die Bevölkerung, beklagt der Chef des Beamtenbundes (DBB). Einer in dessen Auftrag durchgeführten Umfrage zufolge glaubt weniger als ein Drittel der Deutschen, der Staat sei in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Am häufigsten genannt wurde dabei die Flüchtlingspolitik. Der DBB fordert zudem mehr Schutz vor Übergriffen für Beamte. (“Noch weniger Vertrauen in den Staat”, Seite 2)
Presse vs. Mitteilung: Christian Schertz setzt sich im Streit um Pressemitteilung gegen “Spiegel” durch. +++ Text statt Talk: Macher der “Lage der Nation” kündigen politisches Buch an. +++ Über den Wolken: Marke Air Berlin hat neuen Besitzer.
turi2 – das Wichtigste für Kommunikationsprofis. 2x täglich. Kostenlos.turi2.de/newsletter
Lehrer: Esken plädiert für weniger Teilzeit
Lehrer: Esken plädiert für weniger Teilzeit. Die Co-Vorsitzende der SPD, Saskia Esken, hat sich für einen Wandel der Teilzeit-Kultur an den Schulen ausgesprochen. “Würden die in Teilzeit arbeitenden Lehrkräfte nur eine Stunde mehr arbeiten, dann hätten wir quasi 10.000 zusätzliche Vollzeit-Lehrkräfte im System”, sagte sie am Rande einer Informationsreise zur Bildungspolitik nach Norwegen und Finnland zu Table.Media.
Erst 2019 hatte die SPD eine Ausweitung des Rechts auf Teilzeit durchgesetzt. Doch nun geht Esken mit ihrer Forderung in die gleiche Richtung wie die Januar-Empfehlungen der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) zur Bewältigung des eklatanten Lehrermangels. Die hatte empfohlen, die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit zu begrenzen. Hier liege die größte Beschäftigungsreserve. “Die Teilzeitquote im Lehramt ist mit rund 47 Prozent im Verhältnis zu jener bei Erwerbstätigen insgesamt (29 Prozent) deutlich höher”, hieß es im Papier der SWK.
Schulpolitik: Höcke nimmt Anleihen beim Nationalsozialismus
Schulpolitik: Höcke nimmt Anleihen beim Nationalsozialismus. Im umstrittenen MDR-Sommerinterview mit dem MDR hat der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke erneut Anleihen beim Nationalsozialismus genommen: Er stellte in dem Gespräch seine Vorstellung von einer “gesunden Schule” gegen die Inklusion, also die Einbeziehung von behinderten Kindern in Regelschulen. Die Inklusion gehöre zu den Ideologieprojekten, sagte Höcke, “die unsere Schüler nicht weiter bringen, die unsere Kinder nicht leistungsfähiger machen”. In Wahrheit ist die Inklusion seit 2009 und der Ratifizierung der Behindertenrechts-Konvention der UN geltendes Recht in Deutschland. Eltern können seitdem darauf klagen, dass ihre behinderten Kinder in allgemeinbildenden Schulen lernen dürfen.
Der Rechtsextremist stellte im Interview gesunde und vermeintlich kranke Kinder gegeneinander. Dass Kinder mit Handikaps nicht in Regelschulen lernen sollten, hat in Deutschland eine unselige Tradition. Die heute noch so bezeichnete Sonderpädagogik bekam ihren Namen im Nationalsozialismus. Der Erfinder der “völkischen Sonderpädagogik”, der Lehrer Karl Tornow, rühmte sich, die Hilfsschulen vor den Nazis gerettet zu haben – indem er sie für sogenannte “rassehygienische und eugenische Maßnahmen” öffnete. Dazu zählten Sterilisierungen von Hunderttausenden. Tornow propagierte, den ab 1938 Sonderschulen genannten Zweig streng vom allgemein bildenden Schulwesen zu trennen. Viele Schüler der Einrichtungen gehörten zu den ersten Opfern des systematischen Massenmords durch die Nationalsozialisten.
Die Thesen wurden vom MDR nicht eingeordnet. Der Leitsatz von Tornow, der Mitarbeiter des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP wurde, lautete: “Die Hilfsschule ist notwendig, damit die deutsche Volksschule erfolgreich arbeiten und wirken kann.” Björn Höcke ist es gelungen, eine Variation dieses diskriminierenden Konzeptes im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk zu wiederholen – ohne Einordnung oder Widerspruch durch MDR-Moderator Lars Sänger. Eine Analyse von Christian Füller dazu lesen Sie im Bildung.Table.
Aus den Professional Briefings
15. August 2023 Professionals
China.Table:Ungeschützte Dissidenten. Wer vor Verfolgung nach Deutschland flieht, sollte sich sicher fühlen. Doch der lange Arm Pekings reicht weit. Die chinesische Demokratie-Aktivistin Su Yutong berichtet von direkten Bedrohungen an der Haustür und Cyber-Mobbing. Sie fühlt sich nicht geschützt und fordert ein Gesetz gegen chinesische Agententätigkeit in Deutschland. Mehr
Europe.Table: Puigdemont erhöht Druck auf Sánchez. Am Donnerstag wählt Spaniens Kongress seinen Vorsitz. Erst kurz davor will Junts, die Partei von Carles Puigdemont, entscheiden, ob sie das linke Bündnis von Noch-Ministerpräsident Pedro Sánchez unterstützt. Wenn ja, bekommen die Sozialisten den Vorsitz und mutmaßlich auch die Mehrheit für eine Regierungsbildung. Doch Puigdemonts Preis ist hoch. Mehr
ESG.Table: Der Fußball könnte nachhaltiger sein. Manager Andreas Rettig, ehemals DFL-Geschäftsführer, erwartet von den Profivereinen mehr Engagement für Nachhaltigkeit. So müsse etwa der Spielplan dem Kalenderjahr angepasst werden. Allein eine Rasenheizung verbrauche 2000 Liter Heizöl pro Tag. Und alle Vereine bis zur Dritten Liga verfügten über Rasenheizungen. Nachhaltigkeit schaffe Identität und locke Mitarbeiter an. Mehr
Morgeninterviews am 16. August
15. August Morgeninterviews am 16. August
Informationen am Morgen (Deutschlandfunk)
ca. 6:50 Uhr: Jens Südekum, Ökonom: Wachstumschancengesetz
ca. 7:14 Uhr: Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung: Cannabis-Gesetz im Kabinett
ca. 8:10 Uhr: Ulf Kämpfer, Verband kommunaler Unternehmen: Wärmewende, aber wie?
ARD-Morgenmagazin (Das Erste)
6:35 Uhr: Hubertus Bardt, Institut der Deutschen Wirtschaft: Wachstumschancengesetz
8:05 Uhr: Simone Borchardt, MdB (CDU): Cannabis
rbb24-Inforadio
ca. 6:05 Uhr: Jan Redmann, CDU-Landesvorsitzender in Brandenburg: Stationäre Grenzkontrollen
ca. 7:45 Uhr: Burkhard Blienert, Drogenbeauftragter der Bundesregierung: Cannabis
Unser Tipp führt Sie heute in die Unterwelt der Hauptstadt. Genauer gesagt: In die Welt der Berliner Polizeieinheiten, die sich dem Kampf gegen kriminelle Clans verschrieben haben. Meistens mit mühsamen, lauteren, manchmal auch mit unlauteren Mitteln. Im Mittelpunkt stehen zwei Polizisten und eine junge Staatsanwältin, die im Strudel dieser Kämpfe mal zusammen, mal getrennt der Wahrheit hinterhereilen. Schlafende Hunde ist eine kurze Serie, in der man den seelischen Überforderungen, den eiskalten Bürokraten und den schmerzvollen Brüchen in diesen Jobs sehr nahekommt. Spannend und bedrückend.
Das war’s für heute. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Mittwochabend.
Good night and good luck!
Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.
PS: Wenn Ihnen der Berlin.Table gefällt, empfehlen Sie uns bitte weiter. Wenn Ihnen diese Mail weitergeleitet wurde: Hier können Sie sich für das Late-Night-Memo kostenlos anmelden.