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Erscheinungsdatum: 10. Dezember 2023

Union liebäugelt mit umfassendem Neuanfang

Spätestens seit dem Unglück von Fukushima 2011 gilt Atomkraft in vielen Staaten, zuvorderst in Deutschland, als erledigt. CDU und CSU erwägen aber eine Kehrtwende – und in Dubai haben sich 22 Staaten pro Kernkraft zusammengeschlossen.

Atomkraft: Union liebäugelt mit umfassendem Neuanfang. CDU und CSU denken offenbar über eine massive Rückkehr zur Atomkraft nach. Das geht auf Äußerungen prominenter Politiker wie Markus Söder zurück, spielt offenbar aber auch im neuen Grundsatzprogramm der CDU eine Rolle, das am Montag im CDU-Bundesvorstand präsentiert wird. Darin heißt es unter anderem: „Deutschland kann derzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“ Unzweideutige Botschaften hat die CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsunion MIT schon mal präsentiert. In einem MIT-Vorstandsbeschluss, aus dem die Bild zitiert, heißt es, Deutschland müsse sich der Pro-Atomkraft-Allianz anschließen, die sich gerade auf der COP28 in Dubai gegründet hat. Außerdem müsse es sofort ein „Rückbaumoratorium“ für jene Reaktoren in Deutschland geben, die erst vor wenigen Monaten endgültig vom Netz gegangen seien. Und: Deutschland müsse zum technologischen Vorreiter werden für jene Klein-AKWs, von denen sich die Befürworter mehr Sicherheit und sehr viel CO2-freie Energie erhoffen.

Für die Union wäre das eine Abkehr von den Beschlüssen, die Angela Merkel angestoßen hat. Allerdings waren das Beschlüsse, die in ihrer Geschwindigkeit in der Union immer umstritten waren. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nach dem Super-Gau von Fukushima 2011 der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und sein Umweltminister Markus Söder zu jenen gehörten, denen diese Entscheidung gar nicht schnell genug gehen konnte. Söder schwenkte inzwischen um. Bild zitiert ihn mit den Worten: „Unser Ziel muss sein, tatsächlich neue Kernkraftwerke – kleinere, mit einer ganz anderen Energieleistung, mit einer ganz anderen Absorption von möglichem Müll – anzunehmen.“ In der CDU-Führung, so ist am Sonntag zu hören, hat es über eine solche Rückkehr zur Atomkraft in den letzten Tagen heftige Debatten gegeben.

CDU und CSU fühlen sich durch Dubai gestärkt. Doch während sie auf die Allianz der 22 verweisen können, zu denen etwa die USA, Großbritannien und Frankreich gehören, müssten sie in Deutschland auch dort Überzeugungsarbeit leisten, wo eigentlich Verbündete sein müssten: bei den großen Energieversorgern. Erst in der vergangenen Woche hatte RWE-Chef Markus Krebber bekräftigt, dass dieses Thema erledigt sei. Ähnlich haben sich seit dem Ausstieg auch schon andere Energieversorger geäußert. Und Bundesfinanzminister Christian Linder hatte kurz nach Amtsantritt im Januar 2022 erklärt, der Neubau von AKWs komme auch deshalb nicht infrage, weil es keine Versicherer gebe, die nach Fukushima noch bereit seien, AKWs zu versichern.

Für die Grünen und das Auswärtige Amt kommt das Ganze äußerst ungelegen. Der Grund: Seit Jahren bemüht sich die deutsche Diplomatie, französische Bemühungen für eine Renaissance der Atomkraft abzuwehren, auch mit dem Verweis auf die letzten Sommer, als ausgerechnet die AKWs in Frankreich wegen Hitze und Trockenheit große Probleme bekamen. Frankreichs Initiative zur Allianz der 22 in Dubai hat Berlin durchaus verärgert; mancher Diplomat sieht darin sogar den Versuch, erstmals seit vielen Jahren eine Allianz gegen Berlin zu schmieden. Das könnte für eine EU, die ohnehin um ihren inneren Zusammenhalt kämpft, ein großes Problem werden – ausgerechnet in einem Moment, in dem sich die großen Machtblöcke auf der Welt komplett neu aufstellen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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