SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hält die anhaltenden Konflikte in der Ampel nach wie vor für beherrschbar. Trotz Zwölf-Punkte-Papier und Ruanda-Forderungen aus der FDP ist Kühnert überzeugt davon, dass die schiere Vernunft die Ampel zusammenhalten wird. Nicht jede Debatte sei gleich ein Streit, sagte er im Interview mit dem Podcast Table.Today: Es sei auch „nicht Merkmal einer guten Koalition, dass sie in allem einer Meinung ist“. Der Sozialdemokrat räumte aber ein, dass der Ampel die Lust am und der Stolz auf den Kompromiss „verloren gegangen” sei. Zu Beginn der Koalition habe man Kompromisse noch „als Ausdruck politischer Handlungsstärke begriffen“. Es sei eine Kulturtechnik, „mich mit zwei anderen an einen Tisch zu setzen und auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen“.
Jüngsten FDP-Vorschlägen zur Migration erteilte Kühnert eine Absage. Fraktionschef Christian Dürr hatte empfohlen, sich an Großbritannien zu orientieren und Asylverfahren an Drittstaaten wie Ruanda auszulagern. Kühnert verwies auf einen Prüfauftrag, den Kanzler Scholz und die Ministerpräsidenten im vergangenen Jahr verabredet hatten: „Ich habe eine Ahnung, was da rauskommen wird und bin daher relativ entspannt.” Er empfahl, die Ergebnisse abzuwarten „und nicht für die schnelle Schlagzeile so ein Stichwort in die Runde zu werfen, in der Hoffnung, dass irgendein pawlowscher Hund anfängt zu sabbern“.
Kritisch betrachtet der Generalsekretär die Wohnungsbaupolitik seiner Regierung: „Wir sind nicht in den Neubauzahlen, die wir brauchen.“ Kühnert diagnostiziert „eine verkeilte politische Situation, nicht nur in der Ampel, sondern wirklich seit Jahren“. Es würden „Glaubenssätze vorgetragen“ anstatt „ins Machen zu kommen“. Die Nutzung von Baulücken, Dachgeschossen und sonstigen Ausbauten lösten das Problem nicht. Kühnert: „Wir müssen ganze Stadtquartiere zeitgemäß mit allem, was dazu gehört, wieder entwickeln.“ Das sei „baupolitisch die Kernaufgabe der nächsten Wahlperiode“.