Friedrich Merz und die Tränen: Wo der Kanzler ein neues Gesicht gezeigt hat

23. Dezember 2025
Friedrich Merz im September in der Synagoge an der Reichenbachstraße in München (picture alliance / SZ Photo | Florian Peljak)

Friedrich Merz und die Tränen: Wo der Kanzler ein neues Gesicht gezeigt hat. Wer 16 Jahre lang eine meist kontrollierte Angela Merkel und anschließend drei Jahre einen weitgehend emotionslosen Olaf Scholz erlebt hat, für den ist ein weinender Regierungschef mindestens ungewohnt. Beim ersten Mal dachte man noch, es habe mit der besonderen Situation zu tun. Merz, der zwei Mal am Parteivorsitz gescheitert war, hatte es nun endlich geschafft – bei der Mitgliederbefragung erreichte er eine große Mehrheit. Das rührte ihn zu Tränen, für viele verständlich.

Beim zweiten Mal wird die Skepsis schon größer. Der Oppositionsführer Merz bekam einen Polizeibericht in der Fraktion vorgelesen, kurz nach dem Attentat in Aschaffenburg. Die Abgeordnete Andrea Lindholz las damals vor, wie ein marokkanisches Kleinkind und weitere Menschen schwer verletzt wurden. Teilnehmer berichteten später von einem sichtlich emotionalen Merz. Die Konsequenz: Der CDU-Chef wollte unbedingt handeln. Es folgte die Ankündigung, Merz wolle einen Antrag in den Bundestag einbringen und später als Kanzler gleich am ersten Tag mit seiner Richtlinienkompetenz harte Maßnahmen verkünden. Das Ganze kam so übereilt, dass nicht bedacht wurde, die AfD könne sich dranhängen und mitstimmen. Ein schwerer Fehler, von dem in der CDU heute viele glauben, er habe die Partei bei der Bundestagswahl Stimmen gekostet.

Aber, so würde es sein Umfeld beschreiben: Merz ist nun mal emotional. Es ist eine Stärke, aber auch eine Schwäche. Für manche wirkt er authentisch, andere fürchten, er sei dadurch getrieben. Ein Für und Wider. Es gab deshalb sehr unterschiedliche Reaktionen, als der Kanzler bei einem Besuch in der Münchner Synagoge erneut zu Tränen gerührt war. Merz sprach über den Holocaust, sichtlich ergriffen. Ob ein Kanzler weinen darf oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. In jedem Fall ist es ein Anblick, an den sich die Deutschen erst wieder gewöhnen müssen. Sara Sievert

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Letzte Aktualisierung: 23. Dezember 2025