Bundestag: Scholz bleibt vage, Merz legt sich mit allen an. Bundeskanzler Olaf Scholz ist bei seiner Regierungserklärung entgegen der Hoffnung vieler wieder vage geblieben. Oppositionsführer Friedrich Merz hat seine Antwort zu einem Rundumschlag gegen die Regierung genutzt. Der CDU-Chef warf dem Kanzler vor, er sei „einfach nur noch peinlich“ und zitierte die jüngste Spiegel-Titelgeschichte, sie trägt die Überschrift: „Absturz eines Besserwissers“. Bei Robert Habeck bedankte er sich ironisch für dessen Vorwurf beim Grünen-Parteitag, dass die CDU eine Partei aus den 90er Jahren sei. Das empfinde er als „großes Kompliment“, erklärte Merz. Denn: „Wir hatten in den 90er Jahren Wirtschaftsminister, die wirklich etwas von Wirtschaftspolitik verstanden haben.“ Außerdem habe es mit Theo Waigel einen Finanzminister gegeben, der Deutschland „sicher in die Währungsunion geführt“ habe.
Die Regierungsfraktionen fühlten sich von Merz provoziert und nahmen ihn beim Wort. So erklärte FDP-Fraktionschef Christian Dürr: „Ein Wikipedia-Nachschlag hätte ausgereicht, um festzustellen, dass nicht ein einziger Wirtschaftsminister der 90er Jahre von der CDU/CSU gestellt worden ist, sondern ausschließlich von FDP und SPD.“ Das Lob nehme man deshalb gerne an. Grünen-Haushälter Sven Kindler erinnerte daran, dass die Staatsverschuldung in den 90er Jahren unter Theo Waigel um 850 Milliarden Mark gestiegen sei, der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent lag und damals eine Vermögenssteuer existierte, die gerade die Union heute ablehne. „Ich finde es spannend, dass Sie sich an diesen finanzpolitischen Rahmendaten orientieren wollen“, sagte Kindler. Für die SPD erinnerte Fraktionsvize Verena Hubertz daran, dass die 90er-Jahre für „Massenarbeitslosigkeit“ und „kompletten Reformstau“ ständen.
Merz lehnt eine Aufweichung der Schuldenbremse ab – die anderen verweisen auf die CDU-MPs. „Versuchen Sie erst gar nicht, einen Keil in die Union zu treiben“ , sagte der CDU-Chef, um dann allerdings selbst in den Clinch mit anderen Christdemokraten zu gehen. „Die Entscheidungen werden hier im Deutschen Bundestag getroffen und nicht im Rathaus von Berlin“, sagte der Fraktionschef unter Bezug auf den Berliner CDU-Bürgermeister Kai Wegner, der eine Reform der Schuldenbremse gefordert hatte. Rolf Mützenich erinnerte Merz daran, dass fast alle Union-Ministerpräsidenten das wie Wegner sehen würden. „Die Ministerpräsidenten haben es erkannt, Sie offenbar nicht, Herr Merz“, sagte der SPD-Fraktionschef. „Das bedauere ich.“
FDP-Haushälter Otto Fricke erinnerte die Unionsfraktion an ihren eigenen Entschließungsantrag. CDU und CSU selbst hätten in der Drucksache 20/4579 60 Milliarden Euro Corona-Kredite in Klimakredite umwandeln wollen, um die Neuverschuldung zu senken. Wer dann hingehe und erkläre, dass das Urteil „überhaupt nicht überraschend“ gekommen sei, obwohl er das Geld selbst habe nutzen wollen, sollte „in diesem Plenum mal ganz andere Worte verwenden“.