Atommüll: Lemke muss die Notbremse ziehen. Überraschende Wende im Streit um ein Atommüll-Zwischenlager: Das sogenannte Logistikzentrum Würgassen an der Landesgrenze von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, in dem schwach- und mittelradioaktive Abfälle für das geplante Zwischenlager Schacht Konrad (bei Salzgitter) verpackt und gelagert werden sollten, ist vom Tisch. „Das Projekt wird nicht weiterverfolgt“, sagte Bundesumweltministerin Steffi Lemke am Dienstag. Grund dafür sei, dass „die notwendige politische Unterstützung“ für das Projekt nicht gegeben sei; darum hätte „mit langwierigen Prozessen“ gerechnet werden müssen. Diese drohten den Bau des Zwischenlagers so zu verzögern, dass die Zeitersparnis, die es eigentlich bringen sollte, nicht mehr gegeben wäre.
Das Logistikzentrum sollte die Räumung der Zwischenlager beschleunigen. Denn bevor sie im Schacht Konrad eingelagert werden können, müssen die verschiedenen Atommüll-Arten neu zusammengestellt und in Container verpackt werden – was einfacher und schneller geht, wenn es an einem zentralen Ort geschieht: Die bestehenden Zwischenlager an den AKW-Standorten hätten dadurch laut BMUV im Schnitt zehn Jahre früher geleert werden können, was die Strahlenbelastung dort verringert hätte. Auch die Einlagerungsphase in Schacht Konrad hätte statt 40 nur 30 Jahre gedauert. Aus diesem Grund hatte Lemke bisher an den Plänen der Vorgängerregierung festgehalten – trotz erheblicher Kritik auch aus der eigenen Partei, etwa vom niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer. Während dieser begrüßte, dass der Standort „aus guten Gründen“ aufgegeben worden sei, betonte Lemke, dass es weiterhin „keine sicherheitstechnischen Bedenken“ gegen das geplante Lager gebe.
Grund für das Aus war der Widerstand von Land und Kommune. Die Stadt Beverungen, wo die CDU die absolute Mehrheit hat, hatte die Pläne ebenso wie die Bezirksregierung von Anfang kritisiert. Zuletzt hatte auch die schwarz-grüne NRW-Landesregierung ihre Ablehnung in einem einstimmigen Kabinettsbeschluss deutlich gemacht. Das Lager sei nicht notwendig und der Prozess intransparent, erklärte der zuständige Arbeitsminister Karl-Josef Laumann. Im BMUV geht man davon aus, dass Land und Kommune das Verfahren so stark hätten verzögern können, dass das Zwischenlager nicht rechtzeitig fertig geworden wäre. Darum wurde die Notbremse gezogen, bevor zum Jahresende die Kaufoption für das Grundstück des früheren AKWs Würgassen auslief. Weil ein alternativer Standort nicht zur Verfügung steht, wird nun komplett auf ein Logistikzentrum verzichtet und der Atommüll direkt zum Schacht Konrad geliefert.