Koalition nach wackeligem Sommer: Zwei Kanzler-Gipfel und eine neue Gemeinsamkeit. Selbstkritik, Fokus auf die Wirtschaft und ein gemeinsamer Reformwille in der Sozialpolitik – mit diesem Dreiklang wollen der Kanzler und seine Koalition in den Herbst starten. Friedrich Merz räumte ein, dass sein Bündnis Fehler gemacht habe, vor allem bei der Stromsteuer und der Richterwahl. Zugleich bemühte er sich auf der PK der vier Parteichefs, das heikle Thema Sozialstaat zu befrieden. Er hob hervor, dass man diesen Sozialstaat „nicht kürzen“ und „nicht schleifen“, sondern funktionsfähig erhalten wolle. Man strebe deshalb gemeinsam eine Reform an. SPD-Co-Chefin Bärbel Bas räumte ein, dass es einen ebenso klaren wie notwendigen Austausch gegeben habe. Aber auch sie bestätigte, dass es einen hohen Reformbedarf gebe, dem habe auch sie nie widersprochen. Ihr Mantra, an alle gerichtet: „Die Debatten übereinander müssen wir beenden.“
Merz kündigte zwei große Krisentreffen an. Der Kanzler will alsbald einen Stahlgipfel einberufen, weil die Branche vor schwersten Herausforderungen stehe und die Regierung die Stahlindustrie in Deutschland erhalten wolle. Deshalb werde er die beteiligten Unternehmen, die Gewerkschaften und die Ministerpräsidenten der betroffenen Länder einladen. Das Gleiche hat Merz mit der Automobilindustrie und den Zulieferern vor, auch sie will er sehr bald bei sich versammeln. In diesem Zusammenhang betonte er, dass das keinesfalls nur die Hersteller betreffe, sondern „auch und vor allem die Zulieferer“. Deshalb lege er größten Wert darauf, dass sie mit dabei seien.
Als dritte zentrale Aufgabe der Koalition nannte Merz die Energiepolitik. Er kündigte an, dass sich die vier Parteichefs alsbald mit dem neuesten Monitoring zum Energie- und zum Strombedarf beschäftigen und dann Beschlüsse fassen würden. Man wolle den Weg Richtung Erneuerbare nicht verlassen, aber mögliche und nötige Nachjustierungen vornehmen. In diesem Zusammenhang versprach er große Geschwindigkeit. Das entscheidende Wort sei das „überragende öffentliche Interesse“. Mit dieser Begründung werde man ab jetzt „mehr oder weniger die ganze Infrastruktur in Deutschland“ extrem viel schneller bauen als in der Vergangenheit.
Der Kanzler sprach von einem „ausgesprochen guten Klima“ und „sehr großer Zuversicht“. In dieser Deutlichkeit wollten Bas und CSU-Chef Markus Söder das nicht wiederholen. Aber die SPD-Vorsitzende lobte nicht nur das gemeinsame (und schon länger geplante) Abendessen mit Merz vom Vortag und gab sich zuversichtlich, dass das alles „gut funktionieren wird“. Söder lobte, dass es „nach der Sommerdepression“ nun „neue Herbstkraft“ gebe. Zugleich hob er deutlicher als alle anderen hervor, wie zwingend das Zusammenrücken sei. „Wir müssen sehen, dass wir zum Erfolg verdammt sind“, so Söder. „Wir sind handlungswillig, wir müssen es aber auch sein.“ Sein wichtigstes Thema: die Hilfe für die Autoindustrie. „Jeder muss wissen: Ohne Autos wird Deutschland nicht funktionieren. Es gibt keinen Ersatz.“ Stefan Braun