Kommentare zu 100 Tage Schwarz-Rot:
Tagesspiegel: Friedrich Merz sei im Eiltempo vom „konservativen Reformer zum Kompromissschmied der Mitte“ geworden, bilanziert Felix Hackenbruch. Dass er seine Versprechen aus dem Wahlkampf nicht einlösen konnte, habe seine Anhängerschaft enttäuscht, dazu kamen handwerkliche Fehler bei Stromsteuer, Richterwahl und Israel-Politik. Für einen Abgesang sei es aber noch zu früh. („Aus dem Fehlstart die richtigen Lehren ziehen“)
Taz: Schwarz-Rot sei mit dem Versprechen angetreten, ein „Schutzschirm gegen rechts“ zu sein, doch dieses werde nicht eingelöst, analysiert Stefan Reinecke. Auf den Versuch von Rechtsaußen, die Union mit Kulturkampf-Kampagnen zu spalten, reagiere diese hilflos, wie der Fall Brosius-Gersdorf gezeigt habe. Der Versuch, die AfD mit harter Anti-Migrations-Politik auf ihrem eigenen Feld zu schlagen, sei nicht erfolgreich, und auch die SPD, die sich als Bastion des Antifaschismus feiere, habe in Wahrheit kein Konzept gegen rechts. („Kein Rezept gegen rechts“)
FAZ: Nach hundert Tagen sei die Gefahr des Scheiterns der schwarz-roten Koalition größer als die Hoffnung, dass es doch noch einen Politikwechsel gibt, lautet das Resümee von Jasper von Altenbockum. Einen Grund dafür sieht er in der veränderten Rolle von Union und SPD: Diese seien „nicht mehr die Platzhirsche der Bundesrepublik, sondern von Extremen verunsicherte Parteien, die um ihre Reviere kämpfen müssen“. Die großen Sondervermögen sorgten dafür, dass Reformen nicht angegangen würden, die SPD regiere „mit Lars Klingbeil an der Spitze geradewegs so weiter wie unter Olaf Scholz“. („Eine Koalition der Verunsicherten“)
RND: Das Versprechen, dass die Menschen im Land nach 100 Tagen bereits deutliche Veränderungen spüren, habe Friedrich Merz nicht eingehalten, meint Eva Quadbeck. Damit sich das ändere, müsse der Kanzler den Mut und die Entschlusskraft, mit dem er in der Außenpolitik agiere, auch innenpolitisch zeigen. Wahlgeschenke wie die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie und eine erneute Erhöhung der Mütterrente seien dabei nicht die richtigen Lösungen; stattdessen brauche es mutige Entscheidungen, die Deutschland wirtschaftlich wieder stabiler machen. („Ernüchternde Bilanz nach 100 Tagen“)
SZ: Zwar sei die Kommunikation von Friedrich Merz verständlicher als die seines Vorgängers, kommentiert Nicolas Richter. „Oft schafft er mit weniger Worten mehr Klarheit als Olaf Scholz.“ Doch innerhalb der Koalition ein Gefühl der Gemeinsamkeit zu schaffen, gelinge ihm noch weniger als zu Ampel-Zeiten. Besonders besorgniserregend sei, dass er nicht mal seine eigene Partei überzeugen könne. Im Fall der gescheiterten Richterwahl sei das Versagen „so offensichtlich, dass der von Merz als ‘Klempner der Macht’ gescholtene Scholz im Vergleich wie ein Virtuose seines Handwerks wirkte“. („Merz hat ‘CDU pur’ versprochen und ‘CDU Schorle’ geliefert“)