Das Thema Energie beschäftigt Bärbel Höhn schon lange. Als die Grünenpolitikerin 1990 erstmals in den nordrhein-westfälischen Landtag einzog, ging es für sie um die energetische Nutzung von Abfall. Heute ist die 71-Jährige im Ehrenamt Energiebeauftragte für Afrika im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie versucht, mit Energie die wirtschaftliche Entwicklung des Globalen Südens anzukurbeln.
„Energie ist wirklich ein Treiber, und damit etwas ganz anderes als die anderen Nachhaltigkeitsziele“, sagt Höhn. Der Zugang zu bezahlbarer und sauberer Energie ist Ziel Nummer 7 der 17 SDG (Sustainable Development Goals). „Mit Energie kann ich zwei Drittel der anderen Ziele besser erreichen.“ Das trifft schon auf die ersten drei SDG zu: die Bekämpfung von Armut und Hunger sowie eine Gesundheitsversorgung für alle Menschen.
Schon während ihres Mathematik- und VWL-Studiums in Kiel in den 1970er-Jahren engagierte Höhn sich politisch, für Umwelt und Frieden. So richtig begann ihr Einsatz nach dem Umzug nach Oberhausen 1980. Nach wenigen Monaten erlitt ihr kleiner Sohn in der Ruhrstadt eine heftige Bronchitis. Höhn fing an, sich in Bürgerinitiativen einzubringen; gegen Giftmüllverbrennung, für bessere Kindergärten. Zunächst ohne Parteibuch, dann als Mitglied der Grünen. Als Landtagsabgeordnete kämpfte sie gegen den Tagebau Garzweiler II – verhindern konnte sie ihn nicht mehr, doch immerhin wird es die letzte Grube NRWs.
In Vorbereitung auf die Landtagswahlen und Koalitionsverhandlungen 1995 kam Höhn erstmals mit der Entwicklungsarbeit in Kontakt: Für die Grünen übernahm sie die Verantwortung für die Eine-Welt-Arbeit. Ab 2000 war sie als Landesministerin zuständig für Umwelt, Naturschutz und Landwirtschaft sowie als erste deutsche Ministerin überhaupt für Verbraucherschutz. Die Kooperation mit Ländern des Globalen Südens im Rahmen der Eine-Welt-Arbeit lag damit direkt in ihrem Aufgabenbereich, etwa mit dem Kohleland Südafrika. 2005 wechselte Bärbel Höhn in den Bundestag. Als MdB arbeitete sie zusammen mit dem CSU-Politiker und späteren Entwicklungsminister Gerd Müller, der sie schließlich ins BMZ berufen hat.
Man habe sich trotz Differenzen gut verstanden, sagt Höhn. Zu Müllers Amtsantritt im BMZ habe sie gefrotzelt: „Jetzt müssen Sie ja alle Schäden auf dieser Erde, die Sie vorher mit dem Export von Schweinefleisch ausgelöst haben, wieder reparieren.“ Trotzdem berief Müller sie 2017 gemeinsam mit Josef Göppel (CSU) zu Energiebeauftragten für Afrika in sein Ministerium. Und auch die amtierende Nachfolgerin Svenja Schulze (SPD) scheint Höhns Arbeit zu schätzen – sie arbeitet für die neue Leitung jetzt in gleicher Position.
Im BMZ ist Höhn heute verantwortlich für das Projekt Grüne Bürgerenergie, das in neun afrikanischen Ländern dezentrale Energieerzeugung im ländlichen Raum fördert: Senegal, Elfenbeinküste, Ghana, Benin, Äthiopien, Uganda, Sambia, Mosambik und Namibia. Kleine, dezentrale Projekte machten auf dem Land oft mehr Sinn als der Anschluss an ein nationales Stromnetz, erklärt Höhn. Zudem hätten die Länder des Globalen Südens häufig den Vorteil, anders als die Industriestaaten noch nicht alte Technik genutzt zu haben. Darum könnten sie direkt modernstes Equipment installieren.
Es gehe um die produktive Nutzung von Energie, etwa darum, mehr aus der Ernte herauszuholen, beispielsweise durch Kühlung, Trocknung oder Weiterverarbeitung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Oder bei der Kühlung von Medikamenten, die diese länger haltbar macht. Das schaffe nicht nur mehr wirtschaftliche Aktivität, sagt die Afrika-Energiebeauftragte. Es trägt auch zu einem friedlichen Umgang bei. Ein höherer Lebensstandard mache Dorfbewohner weniger anfällig für die Rekrutierung durch terroristische Gruppen.
Das Ministerium setzt dabei auf ein Bezahlmodell: Der Strom ist günstig, aber nicht gratis. Dies soll zum einen die Betreiber zur ordentlichen Wartung der meist solarbetriebenen Anlagen bewegen, zum anderen soll es Unternehmertum fördern und damit auch Arbeitsplätze schaffen. Für die Wartung und um die Menschen vor billigen Ramsch-Anlagen zu schützen, bietet das Projekt Bildung und Messgeräte. Finanziert werden die kleinen Netze von der Stiftung Clean Energy and Energy Inclusion for Africa, die Höhn gemeinsam mit der deutschen Entwicklungsbank KfW eigens dafür ins Leben gerufen hat.
Entwicklungsarbeit und Energiefragen müssten sehr viel stärker zusammengedacht werden, fordert Höhn. 2015 sei ein Schlüsseljahr für sie gewesen. Damals fanden sowohl der Nachhaltigkeitsgipfel der Vereinten Nationen als auch die Klimakonferenz von Paris statt. „So wie ich als Energieexpertin lernen musste, mich mit Entwicklungszusammenarbeit zu beschäftigen, ist es auch ganz wichtig, dass Entwicklungsexperten die Chancen von Energie erkennen.“ Für die Zukunft sei die Förderung erneuerbarer Energien in den Ländern des Globalen Südens unerlässlich, sagt Höhn. Aber auch Deutschland müsse sich als ein Land begreifen, das sich weiter entwickeln muss.