Das Ringen um den Haushalt soll am Freitag offenbar enden. Das innere Zerwürfnis dieser Koalition aber dürfte damit kaum mehr zu reparieren sein. Die Gräben nach den erneuten Verhandlungen wirken unüberbrückbar. Am deutlichsten bringt das inzwischen Robert Habeck zum Ausdruck. „Die Koalitionspartner haben nicht mehr die Kraft“, bekennt er ungeniert bei Politico. Und fügt hinzu, dass die Ampel „keine gemeinsamen Ideen“ mehr habe.
Auf die Kritik von Parlament und Medien stellen sich die Akteure schon vorab ein. Der Kompromiss jedenfalls, den die Regierungsspitze voraussichtlich am Freitag ins Umlaufverfahren bringen will, zeugt nicht von großem Einfallsreichtum. Trotzdem erscheint das dem Trio an der Spitze besser zu sein als das Gefeilsche der letzten Tage. Ursprünglich wollten Olaf Scholz, Christian Lindner und Habeck die globale Minderausgabe von rund 17 Milliarden Euro bis auf eine einstellige Zahl drücken. Inzwischen aber zeichnet sich ab, dass sie sich lediglich darauf einigen, fünf Milliarden Euro bei der Bahn aufzufangen, über Eigenkapitalerhöhung und zum kleinen Teil über Umwandlung in Kredite.
Für die Autobahn-Gesellschaft lehnt Lindner dieses Vorgehen weiter ab. Es ist rechtlich nicht unkompliziert, aber nach Auffassung des Gutachters Johannes Hellermann möglich. Am Donnerstagabend zeichnete sich ab, dass die globale Minderausgabe bei 12 Milliarden Euro bleibt und damit deutlich höher liegt als in der Vergangenheit. Völlig offen ist, ob am Ende tatsächlich in dieser Größenordnung Mittel für andere Projekte nicht abgerufen werden. Nur dann würde die Rechnung aufgehen. Lindner, der für die Aufstellung des Haushalts zuständig ist, hat bislang offenbar keinen neuen Vorschlag für die fehlenden zwei bis drei Milliarden Euro vorgelegt, die zum einstelligen Wert noch fehlen.
Dieses Vorgehen ist paradigmatisch für den Zustand der Ampel. Eine „Koalition des Aufbruchs“ wollte das Bündnis beim Start sein. Nun steht diese Koalition still, weil sich vor allem der Kanzler und sein Finanzminister verhakt haben. Dabei hatte Scholz Lindner viel eigenen Willen durchgehen lassen. Zu viel nach Meinung vieler Genossen und der Grünen. Die fühlten sich etwa beim Klimaschutz oft allein gegen zwei. Trotzdem driften Scholz und Lindner auseinander, weil es im Konflikt ums Geld und die Schuldenbremse um parteipolitische Identität geht und nicht mehr um einen tragbaren Kompromiss. Es geht nicht ums Miteinander, sondern ums Durchsetzen.
Dass sie noch nicht auseinanderlaufen, erklärt sich nur aus den Umfragen. Das Politbarometer von diesem Donnerstag weist für die SPD 14 Prozent, für die Grünen 13, für die FDP vier Prozent aus. Neuwahlen würden keinem helfen und allen schaden. Zudem will niemand Verantwortung für den möglichen Bruch übernehmen. Vor den Landtagswahlen im Osten wäre es der Beleg für das finale Scheitern. Für die FDP wäre das gefährlich, für die Grünen schmerzhaft. Für Scholz aber könnte es das Ende seiner Karriere bedeuten. Dass die SPD mit einem gescheiterten Kanzler nochmal eine Wahl gewinnen kann – daran zweifeln nicht nur Sozialdemokraten.
Am ungeniertesten, so scheint es, geht Lindner mit der Zwangslage des Kanzlers um. „Dann müssen Sie mich entlassen“, soll er Scholz im heikelsten Moment der Haushaltsverhandlungen entgegengeworfen haben. Was so viel heißt wie: Ich bin zu allem bereit, auch zum Ende. Dass die FDP seit Monaten zwischen vier und fünf Prozent schwankt, hat bei ihm eine Art Trotz, manche sagen Fatalismus, wachsen lassen. „Der ist ein Spieler“, sagen Führungsleute von SPD und Grünen – und fragen immer lauter, ob man so ein krisengebeuteltes Land regieren kann.
Zerbrochen ist der Zusammenhalt im vergangenen Dezember. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen sich im Kern zwei Denkschulen gegenüber, die – zumindest in dieser Koalition – nicht mehr zueinander finden: Da sind die FDP und Teile der Union, die jede Reform der Schuldenbremse strikt ablehnen. Kein Erbe, so ihr Credo, sei für spätere Generationen schwieriger als ein Schuldenberg. Und da sind SPD und Grüne, die nach Jahren verschleppter Reformen und im Lichte aktueller Krisen davon überzeugt sind, dass es für einen Aufbruch Investitionen und begrenzte neue Kredite braucht. Zugespitzt formuliert: Sie hinterlassen späteren Generationen lieber Schulden als ein heruntergewirtschaftetes Land.
Was die Ampel-Akteure bewusst ignorieren: Eine ganze Republik schaut zu, wie sich die Regierung selbst handlungsunfähig macht. Wie sie ihre Autorität selbst untergräbt und damit all denen in die Hände spielt, die von demokratischen Prozessen ohnehin nicht viel halten. Dabei ist eines klar: Bei aktuellem Stand haben weder die Schuldenbremsen-Verteidiger noch die Schuldenbremsen-Reformer bei der nächsten Wahl eine Chance auf eine eigene Mehrheit. Das bedeutet: Die nächste Koalition wird vor dem gleichen Problem stehen, an dem die jetzige gescheitert ist.