Bloß keine Personaldebatten. Nach dem Trauma der offenen Personalschlacht zwischen CSU-Chef Markus Söder und CDU-Chef Armin Laschet über die Kanzlerkandidatur 2021 will der Vorsitzende Friedrich Merz bei dem für ihn so wichtigen Parteitag im Mai die Reihen geschlossen halten.
Das Problem: Mehrere aufstrebende Christdemokraten aus Bund und Ländern wollen von dem Comeback der Union in den Umfragen und der Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung profitieren, unterstützt von Landesverbänden, die um Einfluss vor der Bundestagswahl ringen. Die Plätze im obersten Führungsgremium, dem CDU-Präsidium, sind indes begrenzt.
Im Schnelldurchlauf: Ines Claus, die hessische Fraktionschefin, liebäugelt mit einem Platz als Vize-Vorsitzende, bisher ist sie im Präsidium. Angeblich soll Friedrich Merz, der einen guten Draht zum hessischen Landesverband pflegt, sie ermuntert haben. Aber auch Gitta Connemann, die Chefin der einflussreichen Mittelstandsunion, gehört zum Merz-Lager. Sie ließ sich vergangene Woche von ihrem Präsidium schon mal auf Vorrat zu einer Kandidatur für das Präsidium auffordern. Allerdings will auch Sebastian Lechner, der neue Landesvorsitzende der CDU, kandidieren und Silvia Breher, die Stimmenkönigin aus Cloppenburg-Vechta, ist ebenfalls als Niedersächsin im Präsidium vertreten und will erneut für den stellvertretenden Vorsitz kandidieren. Ein bisschen viel Niedersachsen, wäre das, denn mit dem scheidenden bisherigen Landesvorsitzenden Bernd Althusmann wird nur ein Platz im Präsidium frei.
Karl-Josef Laumann, der einflussreiche NRW-Sozialminister, will ebenfalls aufrücken und im Mai als Vize-Vorsitzender kandidieren. Der Sozialflügel drängt nach der Übernahme des Vorsitzes durch den Wirtschaftsmann Merz und der Nominierung des langjährigen Mittelstandsunions-Chef Carsten Linnemann zum Generalsekretär auf eine angemessene Repräsentanz im Präsidium.
Der Unmut im Sozialflügel ist spürbar. Mit Silvia Breher, Michael Kretschmer, Karin Prien und Linnemann sind gleich vier Spitzenleute der CDU auch Mitglieder des Wirtschaftsflügels. Laumann gilt deshalb als gesetzt, auch die Landesverbände NRW, Saarland und Baden-Württemberg unterstützen den an der Parteibasis beliebten Minister. Er dürfte auf den Platz von Carsten Linnemann rücken, der seinen Vize-Posten aufgibt (er ist als Generalsekretär qua Amt Präsidiumsmitglied).
Ebenso drängt Sachsen-Anhalts Landes-Chef Sven Schulze in das oberste Parteigremium, er soll Reiner Haseloff ersetzen, der sein Amt aufgibt.
Für Claus als Parteivize und Connemann als neues Präsidiumsmitglied müssten andere weichen. Kurzfristig wurde im Adenauer-Haus angeblich auch erwogen, die Zahl der Stellvertreter und die Zahl der Präsidiumsmitglieder zu erhöhen.
Doch nun haben Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann offenbar einen eleganteren Weg gefunden, wie Table.Briefings aus Parteikreisen erfuhr. Claus soll zwar erneut für einen Platz im Präsidium antreten, ihre Zukunft in der Partei sei „ohnehin gesetzt“, wie einer aus der engeren Parteiführung berichtet. Aber auf eine Kandidatur als Vize-Chefin dürfte sie wohl verzichten, da dies darauf hinauslaufen könnte, dass mit Breher oder Prien ausgerechnet eine Frau rausfliegen würde.
Dass der populäre Minister Laumann oder Sachsens Ministerpräsident Kretschmer, der im September einen wichtigen Wahlkampf zu bestehen hat, nicht gewählt würde, sei sehr unrealistisch, hieß es.
Bleibt Gitta Connemann, die Chefin der einflussreichen Mittelstandsunion. Sie könnte – so die Idee Linnemanns – in einer Art Regierungskommission maßgeblich bei der Erarbeitung des Regierungsprogramms für die Bundestagswahl berücksichtigt werden und dafür auf die Kandidatur für das Präsidium verzichten. Eine entsprechende Erklärung Connemanns lässt diese Deutung zu. Die inhaltlichen Forderungen der MIT, wie eine Rücknahme der Rente mit 63, ein Wiedereinsetzen der Kernenergie, die Abschaffung des Heizungsgesetzes oder das Abschaffen des Bürgergelds, werden ohnehin bei Merz und Linnemann wohlwollend gesehen.
Connemann selbst hat sich für ihre Kandidatur Bedenkzeit bis zur Sitzung des MIT-Präsidiums am 5. April erbeten. Bis zum 8. April müssen laut Parteizentrale alle Kandidaturen eingehen.
Sollte Connemann verzichten, wäre der Weg frei für Sebastian Lechner, der als machtbewusster Landesvorsitzender der Niedersachsen-CDU die Nachfolge des scheidenden Bernd Althusmann antreten will. Mit der ebenfalls erneut antretenden CDU-Vizin Silvia Breher wäre der Landesverband Niedersachsen im Präsidium ohnehin gut vertreten. Und die ebenfalls aus Niedersachsen stammende Connemann könnte als Vorsitzende der MIT im Programmprozess inhaltlich punkten.
Für Merz hätte dieser Kompromiss einen wichtigen Vorteil. Der Fokus des Parteitags läge dann nicht auf Personalrochaden und Machtkämpfe, sondern ausschließlich auf der Rede des Vorsitzenden und seinem Ergebnis als Parteivorsitzender. Mit einem klaren Votum von über 95 Prozent will sich Merz den Rückhalt der Delegierten für die anstehenden Wahlkämpfe holen – vor allem für den Kampf um die Kanzlerkandidatur, der ihm dann kaum noch zu nehmen wäre.