Bodo Ramelow warnt seine Partei, die Linke, davor, eine „Spaßpartei“, eine „Partei der besseren Menschen“ oder eine „Elitenpartei“ zu werden. In einem Weckruf an seine Partei äußert er seine Bedenken über die aktuellen Entwicklungen und fragt: „Bin ich dabei, die Partei zu verlassen – oder verlässt meine Partei gerade mich?“
Die Linke hat in letzter Zeit viele Veränderungen erlebt. Die Mitgliederzahl hat sich im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt, und erstmals sind mehr Westdeutsche in der Partei. Von den 64 Abgeordneten sind 46 Neulinge. Einige dieser neuen Abgeordneten waren so überrascht von ihrer Wahl, dass sie erst nachträglich informiert werden mussten. Doch was veranlasst Ramelow zu seiner scharfen Kritik?
Auf dem Landesparteitag in Thüringen am vergangenen Wochenende setzte sich die neue Ausrichtung der Linken durch. Dies zeigte sich vor allem bei der Wahl der Landesvorsitzenden, die die bisherigen Vorsitzenden Christian Schaft und Ulrike Grosse-Röthig überraschend verloren. Schaft, der im September letzten Jahres Fraktionsvorsitzender im Landtag wurde, benötigte vor seiner Wiederwahl eine Satzungsänderung, um die Trennung von Amt und Mandat zu lockern. Diese Satzungsänderung, die auch Ramelow unterstützte, wurde jedoch abgelehnt. Dadurch konnten die 34-jährige Katja Maurer und ihr Co-Vorsitzender Ralf Plötner gewählt werden.
Ramelow geht es jedoch um mehr als nur die verlorene Wahl der Landesvorsitzenden. Auf dem Parteitag forderte ein Redner, dass sich die Thüringer bei der „bundesweit entstehenden Bewegungslinken“ einbringen sollen. Ramelow entgegnete: „Die Linke in Bewegung darf nicht zu einer Bewegungslinken werden, die sich selbst isoliert!“
Ramelow befürchtet, dass die neuen Mitglieder nicht genug Pragmatismus zeigen und durch zu theoretische Diskussionen den Bezug zur Lebensrealität der Menschen verlieren könnten. Neben der Lektüre von Karl Marx und Antonio Gramsci empfiehlt er, auch Dieter Strützel zu lesen. Strützel prägte nach der Wende den sogenannten „Thüringer Weg“, der die damalige Isolation der PDS-Partei durch aktiven Gestaltungswillen und breitere Anschlussfähigkeit überwinden sollte.