Analyse
Erscheinungsdatum: 11. Juni 2024

Verwaltung in Deutschland: Warum Experten eine große Reform für zwingend halten   

Ob Wirtschaft, Sozialverbände oder Bürger – alle beklagen zu komplizierte Genehmigungsverfahren, zu lange Wartezeiten oder ewig dauernde Steuerbescheide. Experten raten zu grundlegenden Änderungen.

Zu langsam, zu rückständig, zu wenig digital und oft zu unfreundlich – die einst hochgelobte deutsche Verwaltung rückt immer mehr in die Kritik. Ob Wirtschaftsvertreter, Sozialverbände oder Bürgerinnen und Bürger – alle beklagen zu komplizierte Genehmigungsverfahren, zu lange Wartezeiten oder ewig dauernde Steuerbescheide. Doch obwohl sich alle Parteien dem Bürokratieabbau verschrieben haben, ist seit Jahrzehnten kaum etwas geschehen. Die Konsequenz: Die Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Staates steigen – und das Ansehen der Demokratie sinkt.

Verwaltungsexperten der Inhouse-Beratung PD schlagen deshalb Alarm. In einem Strategiepapier, das Table.Briefings vorliegt, stellen sie den Behörden ein ziemlich schlechtes Urteil aus – und plädieren für eine Reform an Haupt und Gliedern. Aus ihrer Sicht drängt die Zeit, weil die Verwaltungen in Bund, Ländern und Gemeinden bis 2040 nach jetzt verfügbaren Zahlen rund eine Million Mitarbeiter und damit gut 20 Prozent ihres Personals verlieren werden. Und das alles spielt sich vor dem Hintergrund ab, dass die Aufgaben wachsen und die finanziellen Möglichkeiten erkennbar sinken werden. Das Resümee der Autoren: „Die öffentliche Verwaltung muss fundamental reformiert werden – und zwar in einem Maße, wie es seit Jahrzehnten nicht geschehen ist.“

Den Behörden fehlt es nach Ansicht der PD-Experten auf allen staatlichen Ebenen an Innovationskraft. Zwar sei nicht alles schlecht, aber durch schlechtes Management und falsche Prioritäten seien viele Behörden gerade noch in der Lage, das zu liefern, was man mindestens von ihnen erwarte. Viele seien nicht mehr fähig, auch nur kleine Schritte einer nötigen Modernisierung selbst anzustoßen. Die Autoren sprechen von „Tendenzen einer Mangelverwaltung“, diese sei „gekennzeichnet durch eine unzureichende beziehungsweise nicht effizient genutzte Ausstattung” und eine „fehlende strategische Voraussicht”.

Neue Herausforderungen, mit denen eine wachsende Komplexität und ein höheres Tempo einhergehen, führen laut PD-Experten meist nur noch zu Überforderung. Oder zu fast absurden Ersatzhandlungen, die den Druck auf die Behörden lindern sollen. Zu ihnen gehört die sogenannte Fiktionsbescheinigung der Ausländerbehörden. Um den Stau bei der Bearbeitung von Anträgen aufzulösen, haben diese eine Bescheinigung erschaffen, mit der sie bestätigen, dass ein Aufenthaltstitel aktuell nicht bearbeitet werden kann. Die Behörden haben zeitweilig so viele Bescheinigungen erstellt, dass die Bundesdruckerei nicht mehr hinterherkam.

Die PD plädiert dafür, mit Reformen und einem neuen Denken nicht länger zu warten. Ihre Experten fordern eine Restrukturierung der Verwaltungen, ausgerichtet an den aktuellen Bedürfnissen der Gesellschaft; sie empfehlen ein neues Personalmanagement, mit Aufstiegsmöglichkeiten durch Leistung; sie plädieren für eine von allen vorgelebte neue Service-Mentalität gegenüber Bürgern und Unternehmen. Und sie halten es für zwingend, dass durch die massive Digitalisierung vieler Verfahren die Effektivität gesteigert wird.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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