Analyse
Erscheinungsdatum: 19. Oktober 2025

US-Demokratie am Kipppunkt

Unter Trump geraten US-Medien unter Druck: Entzogene Akkreditierungen, Klagen gegen kritische Berichterstattung, neue Regeln schränken Journalismus massiv ein. Beobachter warnen: Die Pressefreiheit der ältesten Demokratie steht auf dem Spiel

ICE-Mitarbeiter auf den Straßen, politische Einflussnahme in Gerichten und Aufrufe zur Gewalt gegen Gegner – die älteste Demokratie der Welt steht vor dem Kipppunkt. Was passiert, wenn eine Gesellschaft ihren eigenen Regeln nicht mehr traut?

Es gibt kaum etwas, das in den USA so geschützt sein sollte, wie die Presse- und Meinungsfreiheit. Sie gilt als zentraler Bestandteil der Demokratie, gehört zu den fundamentalen Rechten in der amerikanischen Verfassung. Fragt man die Amerikaner nach ihrer Identität, dauert es meist nicht lang, bis der Begriff „Freedom of Speech“ fällt – fast wie eine Art Selbstverständnis. Und doch wird in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich, dass dieses Freiheitsrecht in den USA unter der Trump-Administration längst nicht mehr selbstverständlich ist.

In den vergangenen Monaten haben US-Präsident Donald Trump und Teile seiner Administration diverse Maßnahmen ergriffen, um regierungskritische Medien unter Druck zu setzen. Dazu gehörten neue Zugangsbeschränkungen für Medien und der Entzug von Akkreditierungen, sowie gezielte Klagen der Trump-Regierung gegen unliebsame Pressevertreter. Das Ziel: eine weitreichende Einflussnahme auf die Berichterstattung.

Bereits im Februar kündigte die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, an, dass das Weiße Haus künftig selbst bestimmen werde, welche Medien regelmäßig Zugang zu den „Pool-Events“ mit dem Präsidenten erhielten. Eine Abkehr von der bisherigen Praxis. Zuvor hatte die sogenannte „White House Correspondents Association“ diese Entscheidung getroffen, ein unabhängiger Zusammenschluss von Journalistinnen und Journalisten, die regelmäßig über das Weiße Haus berichten.

Hinzu kamen diverse Klagen gegen Medienhäuser. Im Juli reichte Trump eine Klage über rund zehn Milliarden US-Dollar gegen das Wall Street Journal ein. Das Journal hatte in einem Bericht seine Verbindung zu Jeffrey Epstein behandelt. Im September verklagte der Präsident die New York Times wegen Verleumdung auf 15 Milliarden Dollar. Nachdem ein Gericht die Klage abwies, reichte Trump eine überarbeitete Klage erneut ein.

Bereits vor Amtsantritt hatte Trump unter anderem CBS verklagt, nachdem der Sender ein Interview mit seiner demokratischen Herausforderin Kamala Harris in der Sendung 60 Minutes ausgestrahlt hatte. Trump behauptete, das Interview sei „deceptively edited“ (täuschend bearbeitet) worden, um Harris in einem besseren Licht darzustellen und ihm politisch zu schaden. Im Juli 2025 einigten sich die CBS-Muttergesellschaft Paramount Global und Trump auf einen Vergleich in Höhe von 16 Millionen US-Dollar. Es dürfte sich dabei um eine strategische Entscheidung gehandelt haben, um das Risiko und die Kosten eines langwierigen Rechtsstreits zu vermeiden, ohne dabei journalistische Prinzipien aufzugeben oder sich inhaltlich zu verpflichten. Immerhin beinhaltete der Vergleich keine Entschuldigung oder öffentliche Anerkennung von Fehlern seitens CBS. Auch die Sorge vor der US-Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) könnte eine Rolle gespielt haben. Sender wie CBS sind auf deren Lizenzen angewiesen.

In der vergangenen Woche folgte schließlich ein Eingriff in die Pressefreit, der international für Aufsehen sorgte. Nachdem Medien sich geweigert hatten ein neues Regelwerk des US-Verteidigungsministeriums zu unterzeichnen, entzog die Trump-Administration ihnen in der vergangenen Woche die Akkreditierungen. Bei den neuen Regeln handelte es sich um massive Einschränkungen der Berichterstattung. Medien hätten nur noch Informationen veröffentlichen dürfen, die das Ministerium vorher freigegeben hat. Andere Informationen, ob klassifiziert oder nicht, wären dann tabu gewesen. Auch der Zugang der Medien zu weiten Teilen des Ministeriums, in denen Journalisten sich vorher frei bewegen durften, wird durch die Regelungen aufgehoben. 

Alle großen Medienhäuser, wie Fox News, CNN, die New York Times, oder National Public Radio (NPR) haben abgelehnt, die neuen Regeln zu unterzeichnen. Die neue Richtlinie sei „beispiellos und bedroht grundlegende journalistische Schutzrechte“, heißt es in der Erklärung der Sender ABC News, CBS News, CNN, NBC News und Fox News. Dutzende Korrespondenten mussten ihre Büros im Pentagon räumen. Nur ein Medium, One America News Network erklärte sich bereit. Der Sender gilt als regierungsnah und stark pro-Trump.

Einer der Journalisten, die in dieser Woche ihre Akkreditierung verlieren, ist Tom Bowman. Der 70-Jährige berichtet seit vielen Jahren für das National Public Radio über das Pentagon. Er habe schon einiges erlebt, erzählt er, aber so etwas noch nicht. „Im Grunde sagen sie, dass wir unsere Arbeit als Journalistinnen und Journalisten nicht mehr machen können, indem wir Menschen im Pentagon kontaktieren, um herauszufinden, was hinter den Kulissen wirklich passiert“, so Bowman zu Table.Briefings. Als Journalistinnen und Journalisten gehen wir nicht einfach nur zu Pressekonferenzen und akzeptieren, was uns dort gesagt wird. Wir sind keine Stenographen.“

Es ist etwas, das man in diesen Tagen immer wieder hört, wenn man mit Vertreterinnen und Vertretern der freien Presse in den USA spricht. „Das gab es noch nie.“ Menschen, die etwa die massiven Bürgerrechtsbewegungen in den 60-er Jahren miterlebt haben, sprechen von historischen Zuständen. Ihre größte Sorge: Dass es zu einem „new normal“ wird.

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Letzte Aktualisierung: 19. Oktober 2025

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