Analyse
Erscheinungsdatum: 04. April 2023

Unionsvize Jung: „Ohne Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz müssen wir gar nicht antreten“

Andreas Jung ist einer der wichtigsten Klimapolitiker der CDU. Er könnte eine Partei verkörpern, der Klimaschutz wirklich wichtig ist. Mit Table.Media sprach Jung darüber, wie er das Thema im neuen Grundsatzprogramm verankern will, was er gegen Wärmepumpen hat und warum ein Tempolimit für ihn kein Tabu ist.

Berlin.Table: Herr Jung, die Union liegt in den Umfragen bei 30 Prozent. Haben Sie sich das verdient?

Andreas Jung: Nach einer Niederlage besteht die Gefahr, dass alles auseinanderfliegt. Aber uns ist der Neustart ist gelungen, mit Friedrich Merz, mit einem Team drumherum, mit guter Zusammenarbeit in der Union, mit der Konzentration auf Neuaufstellung und Opposition. Darauf müssen wir aufbauen. Denn 30 Prozent ist gut, aber noch nicht das, wo wir hinwollen.

Profitieren Sie nicht vor allem von der Schwäche der Ampel?

Ist die Regierung schwach, kann die Opposition besser punkten. Und die Ampel hat im letzten Jahr zwar nicht alles falsch gemacht, aber Angriffsflächen geboten. Darauf dürfen wir uns aber nicht ausruhen. Wie die Regierung in zwei Jahren dasteht, können wir kaum beeinflussen. Aber es liegt in unserer Hand, wie wir uns selbst präsentieren: Nicht als Haudrauf, sondern mit alternativen Konzepten. Etwa beim Klimaschutz: Da müssen wir zeigen, wie es noch besser und schneller geht.

Die Union als Klimaschutzpartei?

Als Partei der Nachhaltigkeit. Das Klima ist dabei elementar. Ohne Glaubwürdigkeit beim Klimaschutz brauchen wir bei der nächsten Wahl gar nicht erst antreten.

Sieht das auch Ihr Parteichef so?

Friedrich Merz hat bei allen vier Regionalkonferenzen Klimaschutz in den Mittelpunkt gestellt – mit der Ansage: Vielleicht schaffen wir die Klimaziele mit Innovationen sogar schneller, als wir es festgelegt haben. Mit dem Grundsatzprogramm müssen wir beantworten, was für uns soziale und ökologische Marktwirtschaft heißt.

Was heißt es denn?

Ludwig Erhards Wohlstand für alle, aber verbunden mit dem Weg zur Klimaneutralität. Dieser breite Ansatz muss das Fundament sein für das Grundsatzprogramm: Wir bringen Wirtschaft, Umwelt und Soziales zusammen.

Zwischen Rhetorik und Realität scheint es da aber einige Widersprüche zu geben. Die Union hat zwar das Ziel Klimaneutralität bis 2045 beschlossen. Aber jeden konkreten Vorschlag, wie man es erreichen könnte, lehnt die Partei ab – sei es Verbrenner-Aus, Wärmepumpen oder Tempolimit.

Ich bin gegen ein Verbrennerverbot, aber ich halte den Streit von beiden Seiten für überhöht: Weder erreichen wir nur damit die Klimaziele im Verkehr noch ist der Verbrenner Synonym für ein neues Wirtschaftswunder. Viel wichtiger war der Durchbruch, auch in Europa einen Emissionshandel für Verkehr und Gebäude zu etablieren.

Ist ein Verbot nicht viel einfacher und klarer?

Ich bin nicht grundsätzlich gegen Verbote. Auch durch Ordnungsrecht haben wir wesentliche Fortschritte in der Umweltpolitik gemacht. Aber wir brauchen einen gesunden Mix der Instrumente. Der Königsweg beim Klimaschutz ist, Ziele vorgeben – und dann ein marktwirtschaftlicher Wettbewerb um den besten Weg. Wenn Sie so wollen, wir sollten CO2 verbieten, aber nicht die Technologie dafür vorschreiben. Wenn es stimmen sollte, dass E-Fuels bei Autos zu ineffizient sind, dann braucht man sie ja nicht erst verbieten. Dann regelt das der Markt. Klar ist: Elektromobilität wird in Zukunft einen starken Beitrag leisten.

Auch beim Heizen haben Sie die Pläne der Regierung kritisiert. Was haben Sie gegen die Wärmepumpe?

Nichts. Die Wärmepumpe wird eine wichtige Rolle spielen, aber sie ist nicht alternativlos. Sie ist oft eine gute Option, aber nicht überall. Entscheidend ist für uns, dass es beim Heizen auch eine Perspektive für Biomasse und Biomethan gibt und dass auch Wasserstoff eine Rolle spielen kann.

Biomethan ist knapp, und Wasserstoff wird, sofern er überhaupt vorhanden ist und es Netze dafür gibt, sehr teuer sein. Versprechen Sie damit nicht etwas, von dem absehbar ist, dass es nicht funktionieren wird?

Als CDU können wir derzeit gar nichts versprechen, sondern nur Positionen formulieren. Man sollte da keine Verheißungen aufbauen, aber auch nichts verhindern. Eine neue Heizung muss belegen, dass sie ökologischen Fortschritt bringt. Aber dann muss gelten: Gleiches Recht für alle Öko-Heizungen.

Aber kann das nicht nur gelten, wenn sie gleich effizient sind? Um mit grünem Wasserstoff zu heizen, braucht man im Vergleich zur Wärmpumpe ein Vielfaches an Ökostrom.

Wenn eine Technik viel effizienter ist, dann wird sie sich durchsetzen. Im Neubau wird es heute meistens auf Wärmepumpe oder Wärmenetz hinauslaufen. Jedes Haus und jede Region ist aber anders. Wir setzen beim klimafreundlichen Heizen deshalb auf echte Technologieoffenheit. Das hat nichts mit Beliebigkeit zu tun, die Umwelt-Vorgaben müssen erfüllt werden. Gleichzeitig brauchen wir dafür verlässliche Förderung. Die hat die Ampel bisher massiv gekürzt, statt ausgeweitet.

Wenn Sie so stark auf CO2-Preis und Klimaziele setzen: Braucht es dann nicht stärkere Mechanismen für den Fall, dass die Ziele nicht erreicht werden?

Damit sich dann keine Klimalücke aufbaut, schafft das Klimaschutzgesetz Verbindlichkeit. Wird in einem Sektor in einem Jahr das Klimaziel verfehlt, muss mit Zusatzmaßnahmen sofort nachgesteuert werden. Es war ein Ringen, bis das von der Großen Koalition 2019 beschlossen wurde. Und ausgerechnet dieses Gesetz wird jetzt aufgeweicht von der Regierung eines selbst ernannten „Klimakanzlers“ mit Beteiligung der Grünen.

Auch mit dem Klimaschutzgesetz sind die Klimaziele im Verkehr nicht eingehalten worden.

Deshalb hat die Regierung seit bald einem Jahr die gesetzliche Pflicht zum Nachsteuern. Damit wird offensichtlich, dass kurzfristig mehr getan werden muss. Nur deshalb gab es im letzten Sommer die große Debatte über mögliche Sofort-Maßnahmen – in der ich unter anderem ein befristetes Tempolimit von 130 km/h befürwortet habe.

Damit stehen Sie in Ihrer Partei ziemlich allein.

Es gibt Umfragen, da ist sogar eine Mehrheit der CDU-Wähler dafür. Wir waren als Partei zwar immer gegen ein Tempolimit, aber wir haben auch das Klimaschutzgesetz beschlossen. Schon im Wahlkampf habe ich erklärt, dass ein Tempolimit für mich kein Tabu ist, wenn das Klimaziel nicht erreicht wird. Jetzt haben wir trotz Energiekrise eine Klimalücke beim Verkehr – und mit einem Tempolimit könnte man sie zu einem guten Teil schließen.

Warum konnten Sie sich damit dann in der Partei nicht durchsetzen?

Wir stehen für „Freiheit in Verantwortung“. Das verstößt also nicht gegen unsere Grundsätze. Aber es wäre ein großer Schritt für uns. Dazu hätte es eine Dynamik in einem überparteilichen Konsens gebraucht, bei dem jeder sein Herz über Hürden wirft.

Die CDU lehnt es bisher ab, den Kohleausstieg auch im Osten auf 2030 vorzuziehen. Dabei ist absehbar, dass die Klimaziele sonst nicht erreicht werden können und Kohlekraftwerke nach 2030 durch den steigenden CO2-Preis kaum noch wirtschaftlich sein dürften. Müssen Sie dort auch nachsteuern?

Ich bin überzeugt, dass mit dem CO2-Preis als entscheidendem Klimaschutz-Instrument die Ziele erreicht werden. Deshalb muss man bei der Kohle jetzt nicht ordnungsrechtlich eingreifen und den Konsens, den man gefunden hat, infrage stellen. Es geht dabei um Verlässlichkeit.

Aber gehört zur Verlässlichkeit nicht, den Menschen zu sagen, dass 2030 durch den CO2-Preis ohnehin Schluss ist?

Verlässlich ist erstmal, einen so breiten Konsens nicht gleich wieder aufzukündigen. Man sollte offen sagen, dass es wegen des Emissionshandels auch schneller gehen kann. Darum sollte der Strukturwandel auch so schnell wie möglich vorankommen. Und ich kenne keinen ostdeutschen Ministerpräsidenten, der sich dagegen wehrt.

In NRW hat Ihr Parteikollege Hendrik Wüst trotzdem beschlossen, den Kohleausstieg auf 2030 vorzuziehen.

Das wurde vor Ort in NRW so entschieden. Hendrik Wüst hat das bereits angestrebt, bevor es zur Koalition mit den Grünen kam. Dem Ergebnis haben wir als Bundestagsfraktion dann auch zugestimmt. Aber in dieser Reihenfolge, nicht umgekehrt.

Wäre Wüst aus Klima-Sicht ein besserer Kanzlerkandidat als Friedrich Merz?

Beide sind da ganz klar und wollen Klimaschutz mit Innovationen für ein starkes Industrieland. Aktuell geht es um drei K-Fragen: Klima, Konjunktur, Kinder. Nur wenn wir auf die Frage nach der Zukunft überzeugende Antworten haben, wird unser Kandidat auch Kanzler. Um es aber klar zu sagen: Unsere Führungsfrage ist entschieden. Friedrich Merz ist mit großem Vertrauen unserer Mitglieder CDU-Vorsitzender und führt erfolgreich die gemeinsame Bundestagsfraktion mit der CSU.

Merz setzt ebenso wie viele andere in Ihrer Partei angesichts der Energiekrise auch auf neue Atomkraftwerke und Fracking. Sie haben das in diesem Gespräch mit keinem Wort erwähnt. Warum?

Das trifft so nicht zu. Wir haben als Bundesvorstand gemeinsam die Weimarer Erklärung beschlossen. Wir sind zwar offen für Forschung und in der Krise für Kernenergie statt Braunkohle, aber wir fordern ausdrücklich nicht den Ausstieg aus dem Ausstieg mit neuen Kernkraftwerken. Auch den Einstieg ins Fracking haben wir ganz bewusst nicht gefordert. Mehr konventionelle Gasförderung ja, aber Fracking kann in der Krise keinen Beitrag leisten.

Was spricht dagegen?

Selbst optimistische Prognosen sehen einen Vorlauf von fünf Jahren. Und dann rechnet es sich wegen der hohen Einstiegskosten wirtschaftlich nur, wenn man lange über 2045 hinaus fracken würde. Das widerspricht aber unserem Ziel der Klimaneutralität. Ganz generell: Unsere Strategie muss auf Dinge bauen, die es gibt, und nicht auf solchen, die es vielleicht irgendwann geben wird. Die vier Säulen heißen: Erneuerbare, Energieeffizienz, Wasserstoff und CO2-Abscheidung.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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