Analyse
Erscheinungsdatum: 06. Juli 2023

Standpunkt von Umweltrechtsexpertinnen: Recht auf Zukunft in Gefahr – Noch 20 Jahre Flüssiggas 

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Die beiden Umweltrechts-Juristinnen Marie Bohlmann und Francesca Mascha Klein kommentieren das LNG-Beschleunigungsgesetz, das an diesem Freitag im Bundestag novelliert wird. Sie argumentieren, eine höchstrichterliche Grundsatzentscheidung zeige Reformbedarf bei der aktuellen Gesetzesnovelle auf.

Vor dem Hintergrund wegfallender Gasimporte aus Russland wurde im vergangenen Jahr das LNG-Beschleunigungsgesetz (LNGG) verabschiedet. Darin werden rund zwölf geplante Terminals für den Import von verflüssigtem Erdgas – auch LNG genannt – als für die Energieversorgung notwendig eingestuft. Zahlreiche Expert*innen warnen davor, dass Gasinfrastruktur dieses Ausmaßes nicht notwendig sei und ihre Realisierung zur Verschwendung öffentlicher Gelder und zum Verfehlen der Klimaziele führen könnte. Denn wenn das gesamte Gas, das über die Terminals importiert werden soll, verbrannt wird, wird ein großer Teil des deutschen CO₂-Restbudgets aufgebraucht. Verschärft würde diese Problematik durch die geplanten LNG-Projekte vor Rügen, auf die die Bundesregierung das LNGG an diesem Freitag durch eine Gesetzesnovelle ausweiten will.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) beschreibt die geplante Infrastruktur lediglich als „ Option zur Einfuhr von LNG, sofern der Bedarf besteht “. Andernfalls könne im Zuge der Umsetzung der Klimaschutzziele auch schon früher auf grüne Alternativen umgerüstet werden. Doch genau das scheint das Bundesverwaltungsgericht in einem aktuellen Urteil gänzlich anders zu sehen. Die Deutsche Umwelthilfe hatte darauf geklagt, dass eine Pipeline zur Einhaltung der Klimaziele nur noch bis 2033 fossiles Gas transportieren darf, danach nur noch grünen Wasserstoff. Nach Auffassung des Gerichts müssen die Behörden den Betrieb der LNG-Vorhaben mit fossilem Gas dagegen sogar bis 2044 genehmigen. Eine Verpflichtung der Betreiber, ihre LNG-Infrastruktur bereits vor 2044 mit grünem Wasserstoff zu nutzen, ist damit nach Auffassung des Gerichts derzeit nicht möglich. Damit zeichnet sich ein deutlicher Konflikt mit dem Grundgesetz ab.

Ein Rechtsgutachten der Umweltorganisationen ClientEarth und Green Legal Impact vom April dieses Jahres kommt zu dem Schluss, dass verfassungsrechtliche Bedenken am LNGG bestehen. Um einen Verstoß gegen das Grundgesetz und das darin geschützte Recht auf Zukunft zu vermeiden, müssten die Behörden bei der Genehmigung den Betrieb von LNG-Vorhaben im Einklang mit den Klimazielen begrenzen.

Dem macht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nun einen Strich durch die Rechnung. Nach Auffassung des Gerichts könne Klimaschutz auf andere Weise, z. B. über den Emissionshandel, umgesetzt werden. Die Realität zeigt aber, dass sowohl der Emissionshandel als auch Vorstöße wie das neue Gebäudeenergiegesetz nicht ausreichen, um rechtzeitig genügend Emissionen zu reduzieren.

Eine verantwortungsvolle Politik angesichts der Klimakrise kann nicht darin bestehen, systematisch darauf zu verweisen, dass Emissionen durch andere Regelungen an anderer Stelle eingespart werden müssen. Die Bundesregierung muss jetzt Rechtssicherheit schaffen und einen klaren Weg zur Klimaneutralität aufzeigen. Wenn Überkapazitäten tatsächlich nur als „Sicherheitspuffer“ zur Verfügung stehen sollen, dann muss ihre Nutzung außerhalb von Krisenzeiten ausgeschlossen werden.

Damit wird klar, dass das LNGG reformbedürftig ist: Entweder begrenzt es selbst die Auslastung und Laufzeit der Infrastruktur im Einklang mit den deutschen Klimaschutzverpflichtungen oder es schafft eine klar ausgestaltete gesetzliche Grundlage für die Begrenzung durch die zuständigen Behörden. Dabei darf das Gesetz keinesfalls auf die Projekte bei Rügen ausgedehnt werden, da dies die Konflikte mit dem Grundgesetz und dem Klimaschutz verschärfen würde.

Zu den Autorinnen: Marie Bohlmann ist Volljuristin und arbeitet als Referentin im Bereich Umweltrecht bei der NGO Green Legal Impact Germany. Francesca Mascha Klein ist Juristin mit Schwerpunkt fossile Infrastruktur im Berliner Büro der internationalen Umweltrechtsorganisation ClientEarth.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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