Analyse
Erscheinungsdatum: 20. Juni 2023

Standpunkt der Grünen Wirtschaftsvereinigung: Warum wir Zukunftsvertrauen nicht verspielen dürfen

Tom-Fischer-fotografiert-von-Hannah-Zueckler_klein
Thomas Fischer ist seit wenigen Wochen Präsident der neuen Wirtschaftsvereinigung der Grünen. In einem Meinungsbeitrag plädiert er dafür, über den Streit um das Gebäudeenergiegesetz nicht das große Ziel aus den Augen zu verlieren: die Rettung des Klimas. Der dafür auch nötige Glaube an die Machbarkeit dürfe im Konflikt nicht mutwillig zerstört werden.

Was bei Klima und Energie im Parteienstreit passiert, ist nicht einfach nur unschön – sondern es kann Zukunftsvertrauen kaputt machen in unserer Gesellschaft. Zukunftsvertrauen, das wir dringend brauchen für den Umbau unserer Wirtschaft und unseres Landes. Für die Transformation hin zu nachhaltiger Stärke, klimaneutral erfolgreich.

Trotz der Einigung der Koalition beim Heizungsgesetz muss man befürchten, dass das Hickhack weiter geht. Dabei wäre das ein Moment, einmal innezuhalten. Einmal zu überlegen, worum es hier wirklich geht. Nicht um Umfragewerte, sondern um unser Klima, um unsere Zukunft. Sonntagsreden hierzu gibt es von vielen Seiten. Aber im politischen Alltag wird nicht angepackt, sondern – nicht nur beim Thema Gebäudeenergie, sondern generell bei Klima und Energie – gern mit dem Finger aufeinander gezeigt. Und am liebsten auf die Grünen, als sei das Klima allein deren Problem.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz hat getan, was seine Aufgabe ist, er hat wie seit Jahr und Tag in der Regierungskoalition vereinbart die Wärmewende eingeleitet. Und ganz richtig vorgerechnet: Wenn wir 2045 klimaneutral werden wollen, und wenn Heizungen rund 20 Jahre laufen, dann dürfen wir eigentlich ab 2024/25 keine neuen fossil befeuerten Heizungen mehr einbauen. Jetzt hat der Minister einen Kompromiss vorgelegt, auch hier macht er einfach seinen Job – aber politisch wird über Sieg oder Niederlage fabuliert. Dabei geht es hierum nicht.

Selbstverständlich kann man kontrovers über die öffentliche Kommunikation zu diesem Thema diskutieren, über die soziale Einbettung, und über mannigfache Details der vorgeschlagenen Regelungen. Aber an den zugrundeliegenden Fakten ändert das nichts, an der Notwendigkeit der Wärmewende, um die es hier in der Sache geht.

Eine Politik für Klimaneutralität ist unbequem. Der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz bekommt auch nach dem Kompromiss von Freund und Feind Frust ab, weil er aus Sicht der einen zu wenig und aus Sicht der anderen zu viel macht. Der Frust ist verständlich. Aber was nicht zu verstehen ist: wie manch andere Politiker*innen in Verantwortungspositionen die Situation nutzen, um in einer Art und Weise über das Thema zu sprechen, die einfach nur noch abschreckend ist.

Das können wir uns am Wirtschaftsstandort Deutschland nicht länger leisten. Die Klimaneutralität ist Aufgabe aller Parteien, nicht nur der Grünen. Genauso wie sie Aufgabe aller Unternehmen ist, nicht nur von Photovoltaik-Produzenten. Viel zu lange wurde in vergangenen Legislaturperioden über Klimaziele diskutiert, jetzt muss es um die Umsetzung gehen. Nicht nur bei Heizungen, auch in der Industrie gibt es Investitionszyklen. Und für diese brauchen die Unternehmen statt all der politischen Polemik einfach mal Planungssicherheit, verlässliche Rahmenbedingungen. Etwas emotionaler gesprochen: eben Zukunftsvertrauen.

Der Industriestrompreis, genau wie das Gebäudeenergiegesetz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz vorgeschlagen, könnte für eine Reihe Unternehmen ein Stück Planungssicherheit bringen. Sie könnten gewiss sein: Wenn sie bislang fossil befeuerte Anlagen elektrifizieren, dann kennen sie für einen gewissen Zeitraum den Strompreis, können also die Kosten abschätzen. Und zugleich soll in dem vorgeschlagenen Politikpaket der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden, für die Zeit nach dem Industriestrompreis.

Das ist nur ein Element von vielen, für Planungssicherheit der Unternehmen, und für viele Mittelständler passt es nicht. Aber es ist ein Beispiel für die vielen Möglichkeiten für Verbesserungen. Leider wird jetzt, statt zusätzliche Möglichkeiten etwa für Mittelständler zu bereden, lieber der Industriestrompreis zerredet. Die einen nörgeln über Geld für Industrien, die sowieso keine Zukunft hätten; die anderen über die erneuerbare Energie, die sowieso zu teuer sei.

Und während sich über Heizungen und Strompreise so schön ein politisches Drama inszenieren lässt, verschweigen viele politische Akteure wohlweislich, worum es eigentlich geht: um unser Klima. Wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen nicht rasch kräftig senken, dann nehmen die Klimarisiken weiter zu. Das Risiko von Waldbränden wie gerade in Kanada, von Überschwemmungen wie im Ahrtal in meinem heimatlichen Rheinland, auch von Störungen unserer weltweiten Lieferketten wie etwa durch die Trockenheit am Panamakanal, und mancherorts von einer Minderung der Arbeitsproduktivität. Nur mit entschlossener Klimapolitik können wir unsere Wirtschaft, unseren Wohlstand auf Dauer sichern. Klima ist, leider, nicht nur irgend so ein Thema. Es ist existenziell.

Wenn wir kurzfristig etwas zahlen, um langfristig Kosten zu sparen oder Gewinne zu machen, dann sind das aus wirtschaftlicher Sicht: Investitionen. Unternehmen müssen dauernd investieren, wenn Sie erfolgreich bleiben wollen. Und nun braucht es für Energiewende und Industriewende diese Investitionen, vom Staat und natürlich auch aus der Wirtschaft. Weil die Kosten des ungebremsten Klimawandels für uns alle noch viel, viel höher wären. Und weil in diesen Investitionen ungeheure Chancen stecken für neue Technologien, neue Geschäftsmodelle, neue Märkte. Für Erfindergeist und Geschäftssinn. Für Veränderung, die Wirtschaft braucht, um zu wachsen. Kein „Weg-von“, sondern ein „Hin-zu“.

Hierum muss es gehen, um Geschichten des Gelingens. Ums Ausprobieren und Besserwerden. Die Ampel-Regierung ist einmal als Fortschrittskoalition angetreten, sogar mit – so stand es auf Plakaten – einem Klimakanzler. Und auch die demokratische Opposition hat mal erklärt, sie nehme das Klima sehr ernst. Das ist der Anspruch. Darum sollten sich jetzt mal alle in politischer Verantwortung auch verantwortlich verhalten. Nicht aus parteipolitischen Interessen den Standort schlechtreden. Sondern für unser Land Zukunftsvertrauen aufbauen helfen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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