Analyse
Erscheinungsdatum: 24. Oktober 2024

SPD und die US-Wahl: „Auf Deutschland kommt eine Führungsaufgabe zu“ 

Mit einer Analyse bereitet sich der SPD-Vorstand auf die möglichen Ausgänge der US-Wahl vor. Vor allem ein Sieg von Trump würde große Herausforderungen bedeuten.

Deutschland bereitet sich auf die US-Präsidentenwahl am 5. November vor. Egal, wie die Wahl ausgeht – „auf Deutschland und Europa kommt künftig mehr Verantwortung zu“, heißt es in einer Analyse, die die SPD-Parteiführung erstellt hat. „Trump oder Harris?“ ist das 38-seitige Papier überschrieben; es entwirft mehrere Szenarien und beinhaltet auch die Perspektive von Staaten wie China, Indien oder Brasilien auf die Wahl. Derweil blickt ein beträchtlicher Teil der deutschen Wirtschaft mit erheblicher Sorge in die USA. Auf 180 Milliarden Euro beziffert das IW die Kosten eines möglichen Handelskriegs für deutsche Firmen. Nach einer Umfrage des Ifo-Instituts unter 2.000 Unternehmen befürchten 44 Prozent negative Konsequenzen im Fall eines Trump-Erfolges. „Besonders Unternehmen mit engen Wirtschaftsverbindungen in die USA rechnen mit negativen Folgen“, heißt es bei Ifo.

Die SPD hat sich mit Szenarien auf die Wahl vorbereitet. Sie werde nicht nur in jedem Fall die transatlantischen Beziehungen verändern, sondern sie sei auch „eine Richtungsentscheidung für große Teile der Welt“, heißt es in dem Papier. Und weil sowohl Trump als auch Harris den Europäern mehr eigene Verantwortung zuweisen werden, „kommt auf Deutschland eine große Führungsaufgabe zu“, wie Co-Parteichef Lars Klingbeil einleitend notiert.

So oder so bereiten sich die Genossen auf eine neue Zeit vor. Unabhängig vom Wahlausgang würden die sehr engen transatlantischen Bedingungen, wie sie seit fast 80 Jahren bestanden, „so vermutlich nicht aufrecht gehalten werden können“. Insbesondere in der immer maßgeblichen Außen- und Sicherheitspolitik „wird es nicht mehr so sein, wie es einmal war“. Stimmten die Interessen strategisch, militärisch oder handelspolitisch nicht mehr überein, „kann es auch zu harter Konkurrenz kommen“. Im Handelsbereich etwa sei „eine zunehmend protektionistische Industriepolitik“ zu beobachten. Die Demokraten würden immerhin wie zuletzt „an einer gelenkten Globalisierung“ festhalten, eine Trump-Regierung dagegen sehe „eine Isolierung als Grundlage, um wirtschaftlich zu prosperieren“.

Natürlich wäre Trump für Deutschland und Europa die ungleich größere Herausforderung. Nicht nur seine „erratische Entscheidungsfindung und unklare Strategie“ sei ein Problem. Er könne im Fall des Wahlsieges „kurzfristig disruptive Auswirkungen auf die Sicherheitslage in Europa“ haben, zudem auch „zum Spaltpilz für Europa“ werden, wenn anschließend „rechtsextreme Regierungen in Ungarn oder Italien Allianzen mit Trump zulasten gesamteuropäischer Interessen eingingen“. Deutschland werde von Trump „grundsätzlich nicht als Partner gesehen“, vielmehr lehne er „das politische und wirtschaftliche Modell Deutschlands ab“. Auch sei „eine Ausweitung des Handelskrieges erwartbar“.

Auch ein Wahlerfolg von Kamala Harris bedürfte aus Sicht der Sozialdemokraten einer gewissen Gewöhnung. In Handelsfragen würde sie sich wohl eher „dem Konkurrenzkampf mit China als dem transatlantischen Verhältnis widmen“. Sie sei zwar an internationalen Institutionen und deren Reformen interessiert, der Reformeifer ende jedoch, „wo die USA Einfluss in Institutionen insbesondere auf Kosten einer relativen Stärkung Chinas verlieren würden“.

Für die SPD sind zwei Kernforderungen handlungsleitend: Da ist zum einen „die unbedingte Notwendigkeit“, auch im Fall eines Trump-Sieges Gesprächskanäle offenzuhalten, etwa „mit Trump-kritischen Republikanern im Kongress und in den Bundesstaaten, aber auch mit Pro-Trump-Gewerkschaften". Zudem, so fordert Parteichef Klingbeil klipp und klar: Europa „und allen voran Deutschland“ müsse bereit sein, „auch kurzfristig mehr Verantwortung zu übernehmen“.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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