Analyse
Erscheinungsdatum: 23. April 2023

Rote und Grüne buhlen um die Unternehmen

Klingbeil-Habeck
Am Dienstag lädt das SPD-Wirtschaftsforum zu seiner Jahreskonferenz, während sich nahezu zeitgleich die „Wirtschaftsvereinigung der Grünen" konstituiert. Nur ein Zufall? Vermutlich schon. Kein Zufall dagegen ist das Bedürfnis in beiden Parteien, die Beziehungen und den Austausch mit Mittelstand und Konzernen auszubauen.

Ist es Zufall? Ist es gewollt? Während das SPD-Wirtschaftsforum an diesem Dienstag zu seiner jährlichen Wirtschaftskonferenz ruft, gründet sich am Rand der Berliner Innenstadt die „Wirtschaftsvereinigung der Grünen“. Ganz offensichtlich wollen die Grünen jenseits des Bundeswirtschaftsministeriums, das sie seit 16 Monaten mit Robert Habeck besetzen, ihre wirtschaftspolitische Kompetenz stärken. Und sie wollen – mit Hilfe der Wirtschaftsvereinigung – erklärtermaßen ihre Verbindungen in Mittelstand und Großunternehmen verdichten.

Die Partei- und Fraktionsspitze wird den Termin mit Anwesenheit und Impulsvorträgen adeln, zudem erfährt die neue Vereinigung eine ordentliche Anschubfinanzierung durch die Partei. Wenig Freude hat die Neugründung beim „Grünen Wirtschaftsdialog“ ausgelöst, der seit Jahren mit dem gleichen Ziel unterwegs ist, nämlich den Draht zu den Unternehmen aufzubauen und am Glühen zu halten. Zuletzt hatte er nicht mehr die Kraft, die sich die Parteispitze davon erwartet hatte (mehr dazu hier).

Möglicherweise ist das der Grund, dass das Wirtschaftsforum der SPD bei seiner Jahreskonferenz am Dienstag ohne grüne Gastredner auskommen muss. Was zu einer gewissen Unwucht führt, da den Genossen von der FDP gleich zwei Kabinettsmitglieder, nämlich Christian Lindner und Volker Wissing, ihre Aufwartung machen. Auch aus der SPD-Bundestagsfraktion hatte es daraufhin Nachfragen gegeben. Einladungen an Robert Habeck und andere Grüne seien ergangen, heißt es beim Wirtschaftsforum, aber ohne Erfolg. Im Übrigen sei Habeck im vergangenen Jahr dabei gewesen.

In jedem Fall inhaltsreicher als die Teilnehmerliste, auf der auch der Parteichef Lars Klingbeil sowie die Staatssekretäre Jörg Kukies und Werner Gatzer stehen, ist vor der Veranstaltung eigentlich ein begleitendes Positionspapier des Forums, in dem die Genossen eine öffentlich finanzierte Infrastrukturoffensive fordern. Allein auf kommunaler Ebene beliefen sich nach KfW-Erhebungen die Investitionsrückstände auf knapp 160 Milliarden Euro. Dabei könne der Transformationsfonds, den die saarländische Landesregierung ins Leben gerufen hat, beispielgebend sein.

Überhaupt müsse die Industrie mit ihrer Wertschöpfung nicht nur Kernelement des deutschen Geschäftsmodells bleiben, es brauche auch einen Konsens über Leitprojekte in industriellen Schlüsselsektoren. Deutschland solle sich dabei die technologieoffene und unbürokratische Ausgestaltung des amerikanischen Inflation Reduction Act zum Vorbild nehmen. Dazu gehöre auch ein subventionierter, sektorspezifischer Industriestrompreis von höchstens 7 Cent/kWh.

Auch sonst haben die Verfasser des Papiers eine Reihe von Stellschrauben identifiziert, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu erhalten.

Gleich ein ganzes Paket an Vorschlägen haben die Autorinnen und Autoren zusammengetragen, um dem grassierenden Mangel an Arbeitskräften abzuhelfen. So sollte die Bundesregierung alle Kräfte mobilisieren, um ältere Beschäftigte länger im Job zu halten, auch im Rentenalter, gegebenenfalls auch mit steuerlichen Anreizen. Um die Frauenerwerbsquote weiter zu steigern, brauche es flexible, familienkompatibelere Arbeitszeiten. Andere Länder wie etwa Schweden gäben dafür gute Vorbilder ab.

Auch bei den ausländischen Arbeitskräften sieht das Papier noch erhebliches Potenzial. Deutschland habe eine der höchsten Rückwanderquoten der Welt. Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse müsse schneller und pragmatischer erfolgen. Es fehle zudem an Angeboten für gezielte Fortbildungen, um Nachqualifizierungen schnell und unkompliziert erwerben zu können. Viel mehr als bisher müsse auch die Qualifizierung und Integration von Familienangehörigen in die Überlegungen einbezogen werden.

Vorgestellt werden wird am Dienstag auch eine Umfrage unter 2.000 privatwirtschaftlichen Entscheidern. Von Investitionen abgehalten werden diese demnach derzeit von den hohen Energiekosten (27,6 Prozent), von Bürokratie- und Genehmigungsaufwendungen (25,4 Prozent), und auch von einem leergefegten Arbeitsmarkt. Immerhin, ein Viertel der Befragten (24,9 Prozent) lässt sich derzeit nicht von den nicht einfachen äußeren Umständen abhalten, weiter zu investieren.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!