Das Chaos rund um die Vorsitzenden-Wahl der SPÖ sorgt für viel Häme und Spott. Wird sich das bei der nächsten Wahl rächen?
Die Panne ist für die Sozialdemokratie extrem peinlich. Aber jetzt hat sie einen neuen Parteivorsitzenden, der sich gerade positioniert. Der Blick nach vorne ist für die Partei dringend und wichtig. In aktuellen Umfragen ist die FPÖ mit Herbert Kickl vorne, aber die Zeit bis zur nächsten Nationalratswahl wird politisch noch sehr dynamisch. Die Dinge können sich mehrfach drehen und wenden. Daher ist schwer, zu prognostizieren, was noch passiert. Ich glaube aber, dass die jetzigen Ereignisse kurz vor der Wahl keine Rolle mehr spielen werden.
Kann ein linker SPÖ-Chef Babler einen rechten Kanzler Kickl verhindern?
Für die Wechselwähler zwischen ÖVP und FPÖ, die in letzter Zeit überdurchschnittlich oft im ländlichen Raum zu finden waren und die sehr antistaatlich und nationalistisch orientiert sind, ist er kein gutes Angebot. Das war aber auch Doskozil nicht. Bablers Stärke liegt im direkten Kontakt mit den Leuten. Für das Zurückholen der Stimmen von Menschen, die aus Protest und Enttäuschung zuletzt FPÖ statt SPÖ gewählt haben, ist er ein guter Kandidat.
Manche vergleichen Bablers Wahl mit der von Jeremy Corbyn, der es 2015 überraschenderweise an die Spitze der britischen Labour-Partei schaffte. Wie ordnen Sie ihn mit Blick auf die Sozialdemokratie in Europa insgesamt ein?
Babler teilt die Orientierung der urbanen, weltoffenen und bürgerlichen Mitte, die eine bessere, gerechte Welt will. Den Trend aus Deutschland, dass i n ehemaligen Hochburgen der Sozialdemokratie grüne Oberbürgermeister gewählt werden, wird er für Österreich wahrscheinlich verhindern können. Auf der anderen Seite glaube ich nicht, dass es in der österreichischen Sozialdemokratie leicht ist, nur eine schmale Themenpalette zu fahren. Es ist noch nicht abzusehen, ob die Gruppe rund um Babler kooperativ mit den anderen Teilen der Partei umgeht und einen gewissen Realismus entwickelt oder ohne Diskurse eine Linie vorgeben wird.
Kann die SPÖ etwas von der SPD lernen oder umgekehrt?
Die politische Linke in Deutschland ist anders entstanden als in Österreich. Das ist daher nicht leicht vergleichbar. Aber eine entscheidende Frage ist, ob man links der Mitte die führende Kraft ist oder nicht. Und die andere Frage ist, ob man von den Mitte-Wählern ausreichend Stimmen für eine progressive Mehrheit bekommt. Im Fall von Österreich wäre das eine Ampel-Koalition mit den Grünen und den liberalen Neos. Das erfolgreich hinzubekommen, wird eine große Herausforderung.