Schon der Ablauf war ein Symbol: Nicht mit militärischen Ehren begann der Staatsbesuch von Emmanuel Macron, sondern auf dem Demokratiefest. Mit dem französischen Präsidenten als einzigem ausländischen Gast feierte Frank-Walter Steinmeier am Sonntagnachmittag 75 Jahre Grundgesetz – und das Ganze symbolträchtig zwischen Parlament und Kanzleramt. Gemeinsam die Demokratie zu würdigen sei „ein Beweis für die Tiefe der deutsch-französischen Freundschaft“, sagte der Bundespräsident beim Bühnengespräch.
Macron wird am Montag in Dresden vor der Frauenkirche eine Europa-Rede halten. In Berlin verwies er deshalb auch auf das 35-jährige Jubiläum des Mauerfalls. Die Wiedervereinigung sei nicht nur eine Wiedervereinigung Deutschlands gewesen, sondern auch „eine unseres Europas“. Über die derzeit als schwierig geltenden deutsch-französischen Beziehungen sagte der Franzose, das könne man seit 75 Jahren beobachten: Immer wieder sei von Krise die Rede – und doch habe man gemeinsam Außergewöhnliches erreicht. Auch Steinmeier betonte, er sehe die Zusammenarbeit „nicht so kritisch, wie sie in manchen Kommentaren gesehen wird“.
Macron ging wie so oft aber über das gegenseitige Lob hinaus. Er beschwor die Verteidigung Europas und warnte vor den Feinden der Demokratie, im Innern wie nach außen. Frankreichs Präsident betonte, auch in den Demokratien sei eine gefährliche Faszination für das Autoritäre und Nationalistische entstanden, obwohl viele Erfolge mit nationalistischer Politik nie hätten erreicht werden können. Steinmeier beschwor das Gemeinsame, Macron appellierte daran, das Gemeinsame abzusichern.
Das Arbeitsverhältnis von Macron und Scholz ist hingegen weniger harmonisch, als die warmen Worte heute nahelegen. Der Ärger über Macrons Vorstoß für europäische Soldaten in der Ukraine ist in Berlin noch nicht ganz verraucht, der innenpolitisch unter Druck stehende Präsident wird als zunehmend erratisch agierend wahrgenommen.
Hinzu kommen harte Interessensgegensätze, insbesondere in der Handelspolitik: Macron dringt auf ein robustes Abschotten gegen chinesische Billigexporteure, insbesondere bei Elektroautos. Scholz lehnt Schutzzölle ab, aus Sorge vor Pekings Vergeltungsmaßnahmen gegen deutsche Autobauer. Der Kanzler schlug vor dem Hintergrund auch die Einladung Macrons aus, den chinesischen Staatschef Xi Jinping in Paris gemeinsam zu empfangen.
Scholz ärgert sich zudem über Macrons Blockade des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten. Er ließ den Punkt eigens auf die Agenda des jüngsten EU-Gipfels setzen. Der Handelsdeal verspricht zusätzliche Milliardenexporte für die deutsche Industrie. Die französischen Bauern aber gehen wegen der befürchteten Konkurrenz aus Südamerika auf die Straßen. Nach dem Fest vom Sonntag werden beim gemeinsamen Ministerrat auf Schloss Meseberg konkreter die Baustellen zur Sprache kommen.