Analyse
Erscheinungsdatum: 08. Januar 2025

Linda Teuteberg: Ein ostdeutsches Gewissen der FDP

Fast wäre Linda Teutebergs politische Karriere zu Ende gewesen. Die Nominierung zur Brandenburger Spitzenkandidatin gewann die ehemalige Generalsekretärin nur mit hauchdünnem Vorsprung. Beim gemeinsamen Wahlkampfauftakt mit Christian Lindner zeigt sich, warum der FDP ohne sie etwas fehlen würde.

Christian Lindner beginnt seinen Auftritt mit einer Lobeshymne. Linda Teuteberg sei „eine der wahrnehmbarsten Stimmen für den politischen Liberalismus“, sagt der FDP-Chef beim Wahlkampfauftakt seiner Partei auf dem Luisenplatz in Potsdam. Und zwar zu der Frau, die ihm zwischen 2019 und 2020 anderthalb Jahre lang als Generalsekretärin diente, aber von ihm rechtzeitig vor der damaligen Bundestagswahl wegen vermeintlich mangelnder Fähigkeiten abserviert wurde. Teuteberg musste ihren Posten räumen, Volker Wissing kam.

An diesem Mittwochmittag im Januar 2025 allerdings sieht alles wieder anders aus. Mit einem Mal kämpfen sie gemeinsam dagegen, dass ihre Partei im Februar aus dem Bundestag fliegt. Alle wissen, dass die innerparteiliche Geschlossenheit dafür eine Grundvoraussetzung ist. Und so holt Lindner noch weiter aus: „Du musst auch im nächsten Deutschen Bundestag die starke Stimme der Freiheit in Potsdam sein“, sagt er zu Teuteberg.

Noch so ein Lob, obwohl eigentlich schon fast alles vorbei schien. Fast wäre sie auch damit schon vorzeitig gescheitert. Denn wer es als Brandenburger FDP-Politiker in den nächsten Bundestag schaffen will, braucht die Spitzenkandidatur im Landesverband. Dass mehr als der erste Listenplatz zieht, ist angesichts der niedrigen Umfragewerte und der anstehenden Bundestagsverkleinerung kaum realistisch.

Viele in der Partei hätten Teuteberg gerne verhindert. Der Landeschef und Lindner-Vertraute Zyon Braun schickte mit Generalsekretär Matti Karstedt seinen engsten Vertrauten gegen Teuteberg ins Rennen. Auf dem Landesparteitag kurz vor Weihnachten kam es schließlich zum Stechen; im zweiten Wahlgang setzte sich Teuteberg knapp mit 99 zu 91 Stimmen gegen ihren 28-jährigen Herausforderer durch.

Ihren Kritikern ist Teuteberg zu konservativ. Als Innenpolitikerin im Bundestag plädierte sie stets für eine restriktivere Migrationspolitik und blockierte als zuständige Berichterstatterin erfolgreich das von Innenministerin Nancy Faeser und Familienministerin Lisa Paus vorgelegte Demokratiefördergesetz.

In Brandenburg werfen sie ihr zudem vor, nicht genug für den Landesverband zu tun. Aus dem Landtagswahlkampf im vergangenen Jahr hielt sie sich weitestgehend raus. Auch ihre persönliche Spendenbereitschaft für den Landesverband ist manch einem Ehrenamtler zu gering.

Auf der Landeswahlversammlung im Dezember kam diese Kritik offen zutage. Teuteberg konterte, dass sie mit ihrem Potsdamer Kreisverband die meisten Wahlkampfspenden eintreibe. Außerdem sei sie das einzige Gesicht, dass der FDP im Osten Sichtbarkeit verleihe. In den Fernsehtalkshows ist sie noch immer ein beliebter Gast. Andere Politiker aus den ostdeutschen Landesverbänden können das nicht von sich behaupten.

Beim Wahlkampfauftakt in Potsdam zeigt sich zudem, dass Teuteberg Themen besetzt, die von Lindner und Co. kaum adressiert werden. Zum Beispiel in der Außenpolitik: „Wir stehen als Freie Demokraten in einer großen außenpolitischen Tradition“, ruft sie. In der Wahlkampagne der FDP ist das nicht zu sehen.

Teuteberg spannt den Bogen zu ihrer Heimatregion. Als Brandenburgerin wisse sie, wie wichtig ein enges Verhältnis zu Polen sei. So würden etwa Polizei und Staatsanwaltschaften auf kommunaler Ebene sehr eng mit Polen zusammenarbeiten. Das müsse die Bundesregierung etwa in der Migrations- und Energiepolitik auch mit Donald Tusk tun: „Ich finde es beschämend, wenn der Bundeskanzler bei außenpolitischen Formaten wie kürzlich beim Besuch von Joe Biden so tut, als wären wir noch in der Bonner Republik und den polnischen Regierungschef nicht einlädt.“

Auch die Corona-Aufarbeitung spricht Teuteberg an. Für die FDP ist es ein heikles Thema. Diejenigen in der Partei, die sich einen viel früheren Austritt aus der Ampel-Koalition gewünscht hätten, ärgern sich heute noch darüber, dass Marco Buschmann sich noch vor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mit SPD und Grünen auf eine Verlängerung von Schutzmaßnahmen geeinigt hatte. Und das, obwohl man im Wahlkampf noch für weniger Einschränkungen der Freiheitsrechte geworben hatte.

Teuteberg macht deutlich, dass sich die FDP für eine Aufarbeitung der Corona-Pandemie einsetze. Dies sei notwendig „als Zeichen der Stärke, der Lern- und der Korrekturfähigkeit der liberalen Demokratie“. Sie begegne Leuten in Ostdeutschland, die „zu Recht fragen, welche Grundrechts- und Freiheitseinschränkungen verhältnismäßig sind und sich nicht einreden lassen, dass Verbote die neue Freiheit seien“. Die Politik müsse aufhören „mit diesem arroganten Zooblick auf Ostdeutschland“.

Töne wie diese unterscheiden sich deutlich vom typischen FDP-Sound. Von Christian Lindner sind sie nicht zu hören. Auch Zyon Braun, der fünf Jahre nach der Wiedervereinigung geboren wurde, verzichtete im Landtagswahlkampf darauf, die ostdeutsche Identität in irgendeiner Form hervorzuheben. Ergebnis: Die FDP ging mit 0,8 Prozent unter.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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