Analyse
Erscheinungsdatum: 14. Mai 2024

Krankenhausreform: Warum der Chef der Uniklinika auf die Länderchefs setzt

Am Mittwoch geht die umstrittene Krankenhausreform ins Kabinett. Jens Scholz, Chef des Verbands der Universitätsklinika und Bruder des Kanzlers, befürwortet das Gesetz und sieht sich darin einig mit den Finanz- und Wissenschaftsminister der Länder.

Der Vorsitzende des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) Jens Scholz setzt beim Thema Krankenhausreform auf neue Verbündete. Zwar hätten die Gesundheitsminister mit „16 zu Null“ entschieden, dass Karl Lauterbach seine Reform nachbessern müsse. „Aber im gleichen Atemzug haben die Wissenschaftministerinnen und -minister und die Finanzministerinnen und Finanzminister mit 16 zu Null für die Reform gestimmt“, sagte Scholz zu Table.Briefings. Auch die Ministerpräsidenten dürften ein Interesse am Gelingen haben, „denn in dem neuen Gesetz liegt ja richtig viel Geld“ – laut Scholz sind „alleine für 2024 zwei Milliarden im Topf“. Am Mittwoch soll das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz das Kabinett passieren.

Die derzeitige klinische Versorgung sei nicht wirtschaftlich. Scholz‘ Rechnung: Die Auslastung der 1720 Krankenhäuser, die die gesetzlichen Kassen im Jahr 100 Milliarden Euro kosten, liege nur bei 68 Prozent. Abzüglich der stationären Patienten, die eigentlich ambulant behandelt werden sollten, liege die Auslastung de facto nur bei 50 Prozent. „Wenn man nur noch 50 Prozent Leistung macht und dafür 100 Prozent Geld haben will: Das funktioniert in keinem Wirtschaftsbereich.“ Daher sei die Krankenhausreform nötig, bei der am Ende mindestens 20 Prozent der Krankenhäuser „nicht mehr auf dem Markt sind“. Diese Aussicht sei besonders für die Deutsche Krankenhausgesellschaft „schwer“.

Die Unikliniken sollen laut Reformgesetz die stationäre Versorgung koordinieren. Wie, das erklärte Scholz am Beispiel Schlaganfall. Nicht jede Klinik brauche eine Neuroradiologie und eine Neurochirurgie, aber jeder Schlaganfallpatient benötige anfangs beide Einheiten. „Wenn man dann feststellt, dass man weder das eine noch das andere benötigt, kann er in eine andere Versorgungseinheit mit einer Stroke Unit verlegt werden.“ Die Koordination dieser Abläufe mache Platz frei bei den Maximalversorgern für neue Patientinnen und Patienten. Dass künftig nur Unikliniken dies koordinieren dürften, haben die Länder moniert. Scholz: „Ich glaube, in der Frage werden sich Unikliniken nicht verkämpfen.“

Im Gesetz stehe noch nichts zur Verlegung von Patienten. Der VUD kritisiert das. „Wir haben angemerkt, dass wir, wenn wir die koordinierende Aufgabe übernehmen sollen, auch wissen müssen, in welchen Krankenhäusern eigentlich Betten frei sind.“ Dafür fehlte bisher ein einsehbares Register. „Sie können nachts jedes Hotel googeln und gucken, ob da ein Zimmer frei ist“, sagte der Mediziner, „für Krankenhausbetten gibt es das nicht“.

Jens Scholz ist der Bruder des Kanzlers. Dass sein Verband deshalb so offensiv das Ampelprojekt Krankenhausreform unterstütze, bestritt der VUD-Vorsitzende, der seit 2009 auch das Universitätsklinikum Kiel leitet. Die VUD-Mitglieder seien sich „zu 100 Prozent“ einig und bekundeten dies auch öffentlich. „Alle sagen das gleiche, alle wollen die Krankenhausreform, alle wollen eine Verbesserung der Patientenbehandlung.“

Deutschland sei in der klinischen Forschung „abgehängt“. Das Potenzial klinischer Daten sei jahrelang nicht genutzt worden wegen der Einwände von Datenschützern. Dabei spendeten nach seiner Erfahrung Patienten gerne ihre Daten zu Forschungszwecken. Da hierzulande alle Menschen unabhängig von ihrem Sozial- und Versicherungsstatus behandelt würden, sei die Ausgangslage eigentlich sogar besser als etwa in Amerika. Er hoffe daher, dass Lauterbachs Gesetze zur Verbesserung der Lage „auch durchkommen“.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!