Friedrich Merz ist ein Kunststück gelungen: Ohne auch nur einmal offiziell seinen Anspruch auf die Rolle als Kanzlerkandidat der Union zu erheben, fällt ihm diese jetzt zu. Mit der Entscheidung von Henrik Wüst, am Montag erst im Landesvorstand und dann bei einer Rede, die er auch über Youtube verbreitete, nicht nur seinen Verzicht zu erklären, sondern auch den CDU-Partei- und Fraktionschef zu unterstützen, fällt für Merz ein letzter Mosaikstein in die richtige Form. „Friedrich Merz kann sich auf die Unterstützung seines Landesverbandes verlassen“, sagte Wüst am Abend vor Journalisten in Düsseldorf. Er selbst, so Wüst, stehe für eine Kanzlerkandidatur 2025 nicht zur Verfügung. „Meine Aufgaben liegen hier in Nordrhein-Westfalen.“
In den Wochen zuvor hatten sich schon zahlreiche andere Landesvorsitzende der CDU ähnlich geäußert. Unter ihnen: Michael Kretschmer aus Sachsen, Manuel Hagel aus Baden-Württemberg und Mario Voigt aus Thüringen. Trotzdem war klar, dass diese Reihe ohne Wüst nicht viel Aussagekraft haben würde. Wüst führt den mit Abstand stärksten Landesverband an und galt über Monate als einer von dreien, der für die Kandidatenrolle immer wieder gehandelt wurde. Daran war auch Wüst selbst nicht unschuldig; mehrfach spielte er mit Andeutungen, dass auch er prinzipiell in die Verantwortung gehen würde. All das hat er an diesem Montag beendet.
Für Markus Söder ist Wüsts Schritt die finale Niederlage. Und das, obwohl er schon seit Wochen hätte spüren können, dass ihm in dieser Frage auch in der CSU die Felle davonschwammen. Mächtige frühere Vorsitzende der Partei hatten ihm teils öffentlich, teils hinter den Kulissen sehr deutlich gemacht, dass er es sein lassen solle. Selbst unter Unterstützern wuchs längst das Gefühl, dass Söder nur noch sich – und bei Fortdauer des Ärgers – auch der CSU schaden würde. Erst am Sonntagabend hatte Table.Briefings eine ausführliche Recherche von Peter Fahrenholz dazu veröffentlicht. Entsprechend spannend ist aktuell nur noch eine Frage: Wie schnell und in welcher Form schafft es der CSU-Chef, die Entwicklung anzuerkennen und gesichtswahrend auf Merz als dem Kanzlerkandidaten der Union einzuschwenken?
Doch so erfolgreich Merz bis zu dieser Wegmarke gewesen ist – ab jetzt ändern sich auch für ihn noch einmal die Zeiten. Jetzt steht fest, dass spätestens in einem Jahr über ihn und seine Karriere final abgestimmt wird. Alle anderen Parteien werden sich daran ausrichten. Und das dürfte auch bedeuten, dass alle Konkurrenten nochmal auf Merz’ vermeintliche oder tatsächliche Schwächen verweisen werden. Bis jetzt sind das theoretische Gefechtsaufstellungen gewesen; von nun an wird Merz, einer der umstrittensten Politiker der letzten Jahre, zeigen müssen, ob er aus seinen Schwächen gelernt hat.