Politikerlebensläufe bieten selten spannende Wendungen: Jurastudium, Parteikarriere, wenig Berufspaxis, dafür Geschlechterquoten, Parteiproporz oder politische Seilschaften. Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal – bei Joe Chialo war das alles etwas anders.
Chialo war Ende der 1980er Jahre Sänger einer Heavy-Metal-Band und Türsteher in einem Club. Sein Abitur machte er im Kölner Ordensinternat der Salesianer Don Boscos. Dann folgte eine Lehre zum Zerspaner. Nach einigen Semestern Geschichte, Politik und Staatswissenschaften wendet er sich schließlich der Kulturwirtschaft zu und wird Musikmanager bei Universal Music. Mit Chialo besetzt in Berlin zum ersten Mal eine schwarze Person das Amt des Kultursenators. Politisch gehörte er anfangs zu den Grünen, heute sitzt er im Bundesvorstand der CDU.
Geboren wird der 53-jährige in Deutschland als Kind einer Diplomatenfamilie aus Tansania. Mit einigen seiner Einstellungen dürfte er nicht nur die Hauptstadt vor die Frage stellen, ob man auch auf bürgerliche Weise divers sein kann. Mehr als einmal hat er deutlich gemacht, sich nicht auf Rassismusfragen festzulegen, kein „Senator für Wokeness“ sein zu wollen. Auf eine gewisse Diskriminierung ist er eingestellt, aber: „Ich weiß die Mehrheitsgesellschaft hinter mir."
Von Rassismuserfahrungen spricht er – auf sich angewandt – als „Neugierde“. Mit den von ihm gemanagten Bands war er viel im tiefen Osten Deutschlands unterwegs, wo es oft um die rechtsextreme AfD geht. Dort auf seine Hautfarbe angesprochen zu werden, sei für ihn normal: „ Ich bin es gewohnt, mit Leuten umzugehen, die mir mit dieser Neugierde begegnen. Daraus entstehen dann ganz spannende Gespräche. So vielfältig wie die Menschen sind, sind ihre Meinungen, und damit kann ich umgehen.“
Dass er dem Thema immer wieder begegnen wird, ist Chialo bewusst. „Ich komme aus der Unterhaltungsindustrie und weiß, dass die Bilder in den Köpfen der Menschen sind, wie sie sind. Die Unbelehrbaren zu belehren, würde mich aber nur aufhalten “, sagt er.
Ordensschüler und Zerspaner, Hardrocker und Türsteher – manche sagen, der Mann sei eine Art „natural-born Kultursenator“ für Berlin. Auf keinen Fall eine herkömmliche politische Bastelbiographie, sondern ein kommunikativer, gut vernetzter Unternehmer, fest verankert in der Kulturszene, für die er künftig politisch die Weichen stellt. Kulturpolitik in der Hauptstadt ist oft viel mehr als Ländersache. Den millionenschweren Kulturfonds verwalten zum Beispiel Bund und Land gemeinsam. International viel beachtete Personalien müssen entschieden werden, wie etwa die Nachfolge von Daniel Barenboim an der Staatsoper Unter den Linden.