In der Koalition bahnt sich ein neuer Konflikt an. Und wieder verläuft die Konfliktlinie zwischen Rot-Grün und FDP. Hintergrund ist der Kohleausstieg in Lausitz und Rheinischem Revier, den der Bundestag 2020 auf das Jahr 2038 terminiert hat und der mit rund 40 Milliarden Euro abgefedert werden soll. Dafür hatte sich Olaf Scholz als Finanzminister höchstselbst verbürgt. Im Rheinischen Revier wurde der Ausstieg inzwischen auf das Jahr 2030 vorgezogen. Ein gemeinsames Positionspapier der SPD-Landesgruppen Nordrhein-Westfalen und Ost, das sich noch im Entwurfsstadium befindet und in der kommenden Woche präsentiert werden soll, drängt nun für alle betroffenen Reviere auf „eine beschleunigte Umsetzung der Maßnahmen“. Hintergrund ist der aus Sicht der Abgeordneten schleppende Mittelabfluss, für den vor allem das Finanzministerium Verantwortung trage. Das BMF wolle nicht-abgeflossene Mittel der ersten Tranche, so klagen Abgeordnete, sogar verfallen lassen.
Die Projektvorschläge aus vier betroffenen Bundesländern werden im Wirtschaftsministerium gebündelt. Von dort wandern sie ins BMF, das jeweils die Mittel dafür freigeben muss, derzeit aber intensiv nach Einsparoptionen sucht. Obwohl über die Hälfte der 40 Milliarden Euro bereits konkreten Projekten zugeordnet sind, gebe es regelmäßig Verzögerungen und immer neue BMF-Nachfragen, so klagen Abgeordnete, getreu dem Motto: „Alles, was ausgegeben werden soll, wird erst mal angehalten.“ Auch in den Staatskanzleien in Potsdam und Dresden, durch die jeweiligen Landtagswahlen im Herbst besonders betroffen, ist man wenig amüsiert. Offiziell will sich dort niemand äußern. Sie wollen vor allem eine flexible Handhabung der fünfjährigen Förderperiode. Mehr Sorge herrscht bei den Abgeordneten aus NRW und Ost, die zusammen fast die Hälfte der SPD-Bundestagsabgeordneten stellen. Von „Salamitaktik“ des BMF ist dort die Rede und vom „Standortrisiko Christian Lindner“.
In ihrem Papier erklären die MdBs, es sei „ein Nachsteuern in neun Handlungsfeldern erforderlich“. Dazu gehören eine schnellere Umsetzung von Verkehrsprojekten und von Energieinfrastruktur. Die Abgeordneten können sich in ihrem Appell auf den Kanzler berufen. Scholz hatte im vergangenen Sommer bei einem Besuch im Rheinischen Revier die Hilfen zur „Chefsache“ erklärt und auch klargestellt: „An den 40 Milliarden Euro wird nicht gerüttelt.“ Darauf hatten sich die Abgeordneten verlassen. Dietmar Nietan, Abgeordneter aus Düren, unmittelbar im Revier gelegen, ist nachgerade zornig: „Ich bin schockiert über die Bremsversuche des Finanzministeriums.“ Der zögerliche Abfluss der Gelder sei „ein Aufbauprogramm für die AfD – und das in Zeiten bevorstehender Landtagswahlen“.
Im Finanzministerium schiebt man die Verantwortung weiter. Es gebe „keine Probleme bei der Auszahlung“, heißt es dort.Federführend zuständig für die Hilfen sei das Wirtschaftsministerium. Das stimmt formal. Doch der Grund für die enormen Verzögerungen, so ist aus den betroffenen Wahlkreisen zu hören, seien wiederholte und penible Nachfragen aus dem BMF.