Katharina Dröge gab sich alle Mühe, dem Ergebnis etwas Positives abzugewinnen. „Wir entwickeln ein sehr gutes Gesetz noch einmal weiter“, sagte die Co-Fraktionschefin der Grünen, als sie am frühen Dienstagabend zusammen mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich und FDP-Fraktionschef Christian Dürr vor die Presse trat. Der Kompromiss bringe „ein Stück weit mehr Pragmatismus“. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck erklärte in einem schriftlichen Statement, er sei „zufrieden“ mit der Einigung. „Das Gebäudeenergiegesetz wird aufgesetzt, mit dem Ziel, es vor der Sommerpause zu verabschieden.“
Dass das lange von der FDP blockierte Gesetz doch noch diese Woche in den Bundestag eingebracht wird, ist aber auch der einzige Erfolg, den die Grünen durchsetzen konnten. In der Sache machten sie massive Zugeständnisse – darunter vieles, was im Vorfeld als unverhandelbar betrachtet worden war. Das geht neben den Aussagen bei der Pressekonferenz auch aus dem Einigungspapier hervor, das die Fraktionen dabei vorstellten.
Zwar war bereits im Vorfeld angekündigt worden, dass das Gebäudeenergiegesetz stärker mit der kommunalen Wärmeplanung – also dem Bau von Fernwärmenetzen – koordiniert worden soll. Doch die Art und Weise, wie dieser Wunsch nun umgesetzt wird, bedeutet faktisch eine Verschiebung der Pflicht zum klimafreundlichen Heizen um mehrere Jahre. Der Kern des Gesetzes, das Verbot neuer, rein fossil betriebener Heizungen, soll vom 1. Januar 2024 an zunächst nur für Neubauten gelten, und zwar nur für Neubauten in reinen Neubaugebieten.
In bestehenden Gebäuden (und in Neubauten außerhalb von Neubaugebieten) dürfen hingegen weiterhin neue Öl- oder Gasheizungen eingebaut werden, und zwar so lange, bis die Kommune eine Wärmeplanung vorgelegt hat. Dafür ist im Entwurf des Wärmeplanungsgesetzes bisher für Großstädte ab 100.000 Einwohner eine Frist bis 2026 und für Orte bis 10.000 Einwohner bis 2028 vorgesehen. Im Einigungspapier heißt es nun, eine „deutschlandweite“ Wärmeplanung werde „bis spätestens 2028“ angestrebt. Entscheidend wird sein, wie schnell diese Vorgabe tatsächlich umgesetzt wird und welche Vorgaben es dabei gibt; in einigen Ländern wird schon intensiv an Wärmeplänen gearbeitet.
Doch auch wenn diese vorliegen, dürfen noch neue Gasheizungen betrieben werden, und zwar dann, wenn diese auf Wasserstoff umgerüstet werden können und die örtlichen Versorger „ein klimaneutrales Gasnetz“ planen. Wie konkret diese Planung sein muss, bleibt noch offen. Die bisher vorgesehenen verbindlichen Transformationspläne, die auch mit einer Schadenersatzpflicht der Versorger bei Nicht-Einhaltung einhergingen, soll es aber explizit nicht mehr geben. Auch wenn kein Wasserstoffnetz geplant ist, sollen neue Gasheizungen erlaubt bleiben, sofern sie mit 65 Prozent Biogas betrieben werden. Auch das könnte sich – je nach konkreter Ausgestaltung – als erhebliches Schlupfloch erweisen.
Änderungen gibt es auch bei der Option, mit Holz zu heizen: Weil Restholz knapp ist und Holzheizungen oft mit Feinstaubbelastung einhergehen, sollten neue Holzheizungen im bisherigen Entwurf nur für Bestandsbauten zulässig sein, und auch dort nur in Kombination mit Solarthermie (für die Warmwasserbereitung im Sommer) und einem wirksamen Staubabscheider. Diese Vorgaben sollen dem Einigungspapier zufolge offenbar entfallen.
Ob die Hauseigentümer die neuen Möglichkeiten tatsächlich nutzen, um weiterhin fossile Heizungen zu bauen, hängt in Zukunft vor allem davon ab, ob sie das damit verbundene Risiko richtig einschätzen. Denn zum einen ist davon auszugehen, dass Öl und Gas durch die Umstellung des bisherigen, vergleichsweise niedrigen CO₂-Preises im Gebäudesektor auf einen echten Emissionshandel spätestens im Jahr 2027 sehr viel teurer werden. Wenn die Versorgung tatsächlich auf Biogas oder Wasserstoff umgestellt wird, dürfte das ebenfalls mit einem starken Preisanstieg verbunden sein. Und auch die Netzanschlüsse dürften deutlich mehr kosten, wenn künftig weniger Nutzer am Gasnetz hängen.
Zudem kann ein Satz im Papier so verstanden werden, dass fossile Heizungen wieder ausgebaut werden müssen, wenn kein CO₂-neutrales Gasnetz geplant wird; Klarheit darüber dürfte es aber erst im finalen Gesetzestext geben. Und es bleibt dabei, dass nach 2045 nicht mehr mit fossilen Brennstoffen geheizt werden darf. Es bedeutet, dass viele Heizungen spätestens dann umgerüstet werden müssen.
Damit niemand von diesen Entwicklungen überrascht wird, sollen fossile Heizungen künftig nur verkauft werden dürfen, „ wenn eine Beratung erfolgt, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalenWärmeplanung und die mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist “. Zudem soll es „Aufklärungskampagnen über CO₂-Bepreisung und Klimaschutzgesetz“ geben. Beispielrechnungen im bisherigen GEG-Entwurf hatten gezeigt, dass Wärmepumpen in den meisten Fällen selbst ohne Zuschüsse die wirtschaftlichste Lösung sind.
Bisher war vorgesehen, dass der Staat bei Selbstnutzern mindestens 30 Prozent und unter bestimmten Bedingungen bis zu 50 Prozent der Kosten übernimmt. Wie die Förderung künftig aussehen wird, bleibt im Einigungspapier offen. Darin heißt es lediglich, sie solle „möglichst passgenau dieeinzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft“ berücksichtigen. Auch in dieser Frage gibt es in den drei verbleibenden Sitzungswochen bis zur Sommerpause für die Fraktionen also noch einiges zu tun.