Die Zahlen sind eindeutig und treffen die Grünen ins Mark. Die Partei von Wirtschaftsminister Robert Habeck hat laut einer Studie des Instituts Allensbach dramatisch an Ansehen und Unterstützung verloren. Zwei Botschaften zeigen das besonders: Seit Regierungsantritt hat sich die Zahl derer, die ihre Arbeit komplett ablehnen, von 25 vor fünf Jahren auf 56 Prozent mehr als verdoppelt. Zugleich fällt die Partei bei der Frage, wer künftig eine wichtige Rolle spielen wird, massiv ab: von 82 Prozent 2021 auf 24 Prozent 2024.
Auch die mitgelieferte Begründung kann den Grünen nicht gefallen: Die Befragten sehen in ihr die einflussreichste Kraft in der Ampel – und sind mit dieser Ampel so unzufrieden wie noch nie. Gerade mal sechs Prozent loben noch, was die Koalition entscheidet; 66 Prozent zeigen ihre Enttäuschung. Die Grünen kämpfen also nicht nur mit dem Sog einer unbeliebten Koalition; sie werden dafür auch zuallererst verantwortlich gemacht. Für die Grünen ist bitter, dass ein wachsender Teil der Gesellschaft und ein Großteil der anderen Parteien das Gefühl haben: Vielleicht geht es doch auch anders – und ohne die Grünen.
Eine Zahl könnte die Partei über all das hinwegtäuschen: die 14 Prozent in der Sonntagsfrage. Noch immer kommen sie auf diesen Wert – und wären damit die einzige Ampelpartei, die ihr Ergebnis von 2021 halten kann. Die 14 Prozent zeigen aber auch die ganze Malaise: Habecks Ziel, als moderater, unideologischer Wirtschaftsminister in größere Teile der Wählerschaft auszugreifen, ist nach einem durchaus erfolgreichen Aufgalopp missglückt. Damit wächst aus seiner Sicht die Gefahr, dass unzufriedene Grüne seinen Kurs in Frage stellen. Wozu all die Kompromisse, wenn die Menschen den Kurs einfach nicht goutieren?
Sie können nicht einfach nochmal anfangen, können die Zeit nicht ins Jahr 2021 zurückdrehen, als sie tatsächlich für eine kurze Phase „the hottest shit in town“ waren. Jetzt haben sie eine Geschichte und fürs Erste eine gefährliche Erzählung. Hängen geblieben ist nicht der Kampf um die Energieversorgung vor dem ersten Kriegswinter, als es ausgerechnet Patrick Graichen war, der im Auftrag seines Ministers überall auf der Welt einkaufte, um den Deutschen einen kalten Winter zu ersparen. Stattdessen hat sich das vermaledeite Heizungsgesetz ins Gedächtnis gegraben, mit vermeintlich besserwisserischen Grünen, die Lösungen vorschreiben und die Sorgen der Leute ignorieren.
Für Habecks Kritiker kein Glück und für ihn eine immer größere Bürde. Wie soll er die Schublade, in der die Grünen stecken, noch mal aufbekommen? Aktuell sucht er in der Wirtschaftskrise Brücken zu den Unternehmen und in der Außenpolitik zusätzliches Profil als Vizekanzler. Auch im Bemühen, mit Christian Lindner doch noch irgendwie einen Haushalt hinzubekommen, bleibt er sich treu. Zugleich aber kann auch er nicht verhindern, dass die Fraktion hart nach dem Logbuch grüner Programmatik noch immer die Bezahlkarte für Flüchtlinge blockiert und sich auch bei Migrationsfragen querstellt. Nicht entlang der Fragen: Was braucht das Land? Wie kommen wir wieder in Sichtweite des 20-Prozent-Ziels? Wie stoßen wir wieder in bürgerliche oder auch sozialdemokratische Milieus vor? Sondern getreu dem Motto: Was erwartet unsere Kernklientel von uns? Wie setzen wir unsere Parteitagsbeschlüsse um? Sie sind noch ein bisschen hin, aber in Hamburg, im Bund, in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zittern die Pragmatiker der Partei, einst Realos genannt, schon den nächsten Wahlen entgegen.