Analyse
Erscheinungsdatum: 04. Mai 2023

Fußball-EM 2024: Warum Bundesregierung und DFB streiten

Sport Bilder des Tages Frauen Fussball WM 2023: FIFA Trophy Tour in Berlin. Berlin, 03.05.2023 Bernd Neuendorf DFB Praesident Annalena Baerbock Aussenministerin WM-Kick-Off im Auswaertigen Amt als Ausblick auf die FIFA Frauen-Weltmeisterschaft Australien & Neuseeland 2023 Auswaertigen Amt, Berlin, 03.05.2023 *** Womens Football World Cup 2023 FIFA Trophy Tour in Berlin Berlin, 03 05 2023 Bernd Neuendorf DFB President Annalena Baerbock Foreign Minister World Cup Kick Off at the Foreign Office as a preview of the FIFA Womens World Cup Australia New Zealand 2023 Foreign Office, Berlin, 03 05 2023 Copyright: xBEAUTIFULxSPORTS/LucianoxLimax

Mit dem Fußball schmücken sich Politiker gern, mit einer Frauen-WM tun das auch Politikerinnen wie Außenministerin Annalena Baerbock. Hinter dem Glamour aber braut sich was zusammen. Weil der Bund die Europameisterschaften im eigenen Land 2024 klimaneutral haben will, gibt es Zoff mit dem DFB. Eine ungewöhnliche und durchaus heikle Angelegenheit.

Bunt und laut ging es zu am Mittwoch im Lichthof des Auswärtigen Amtes. Annalena Baerbock hatte zum „Kickoff-Event“ für die Frauen-Fußballweltmeisterschaft im Sommer in Australien und Neuseeland geladen. Die Botschafter der Gastgeberländer waren da, dazu junge Kickerinnen vom FC Siemensstadt und auch eine Delegation des DFB. Das Signal: Fußball macht Spaß, ist friedensstiftend und vereint Kulturen. Selfies, Torwandschießen, eine lächelnde Ministerin – die perfekte Kulisse für einen demonstrativ fröhlichen Abend.

Nicht anders soll es nach dem Willen der Regierung auch im kommenden Jahr zugehöen, wenn Deutschland zur Europameisterschaft der Männer lädt. Doch DFB-Präsident Bernd Neuendorf war nicht nur der bunten Bilder wegen nach Berlin gekommen. Es ging auch um harte Zahlen und Fakten. An der Stelle knirscht es im Verhältnis zwischen Bundesregierung und Deutschem Fußballbund. Noch nämlich sind sich beide über die Begleitumstände der bevorstehenden Fußball-Europameisterschaft nicht einig. Im Zentrum steht die Euro GmbH, ein Joint Venture von DFB und Uefa, die mit der Organisation des Turniers beauftragt ist.

Eigentlich wollte die Bundesregierung nach den unguten Erfahrungen bei der WM in Katar sportliche Großereignisse nicht mehr mit politischen Forderungen aufladen. Doch genau das scheint nun erneut bei dem Großereignis im eigenen Land zu geschehen. Im Männerbereich ist es für die Deutschen das erste Turnier seit 2006, als die Fußball-WM sich als Sommermärchen über das Land legte – mit einer weltoffenen, aufgeräumten Stimmung, gepaart mit einem Überraschungsauftritt der deutschen Kicker. Daran würde die Bundesregierung gerne anknüpfen, in der Hoffnung auf ein Turnier, das den Missmut der letzten Jahre vergessen lässt und „das Land zusammenbringt und nicht weiter trennt“, wie es in der Regierung heißt. Es soll eine Veranstaltung werden, „die Maßstäbe setzt“.

Anders als 2006 tritt die Bundesregierung nicht als Mitveranstalterin auf; kräftig eingemischt hat sie sich trotzdem. Es soll eine EM der kurzen Wege werden, ökologisch soll alles sein, möglichst klimaneutral, inklusiv, antirassistisch und auch die soziale Dimension soll zum Ausdruck kommen. Angelehnt an die SDGs, die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele.

Mehrwegbecher in den Stadien sollen verpflichtend sein, kostenloser Nahverkehr zu den Spielstätten ebenso. Neu ist auch ein „grüner“ Spielplan der kurzen Entfernungen. Zwar findet das Turnier im ganzen Land statt, aber insbesondere die Vorrundenbegegnungen sollen so gelegt werden, dass die Distanzen mühelos mit dem Zug oder Bus zu bewältigen sind. Auch die Bahn denkt über Sonderaktionen für die reisenden Fans nach.

So weit, so gut. Diesen Vorhaben können sich viele verschreiben. An einem entscheidenden Punkt aber hakt es zwischen Regierung und Fußballbund. Ein Punkt, der teuer werden könnte. Denn: Das gesamte Spektakel soll klimaneutral werden. Das gilt für die Teams, wenn sie nach Deutschland kommen. Und für die Fans, wenn diese zwischen den Stadien hin- und herpendeln. Die Vorgabe soll auch für die Fans aus dem Ausland gelten, die sich mit Autos, Bussen, Zügen und Flugzeugen auf den Weg nach Deutschland machen.

Die Fortbewegungsmittel sind aber so in der Regel nicht klimaneutral. Ihren schädlichen CO2-Fußabdruck wird nur eine kleine Minderheit der Anhänger kompensieren können. Also, so erwarten es Außenministerin Annalena Baerbock und Innenministerin Nancy Faeser, sollen DFB und UEFA den Emissionsschub finanziell kompensieren. Nicht mit Zertifikaten und Baumpflanzungen irgendwo in der Welt, sondern „für konkrete und nachhaltige Projekte in Deutschland“, wie es im Innenministerium heißt. Etwa für die Anlage von Sportplätzen, die Sanierung von Turnhallen, den Einbau von Solarthermie, den Aufbau von Fotovoltaik und anderes mehr.

Das BMI weist darauf hin, dass sich auch Uefa und DFB im März 2021 auf das Ziel einer CO2-neutralen Europameisterschaft verständigt hätten. Dazu sollten der CO2-Fußabdruck ermittelt und unvermeidbare Treibhausgasemissionen kompensiert werden.

Die Grünen hatten daraufhin auf Kompensationszahlungen gedrängt, auch für die Fans. Allen voran Steffi Lemke und Robert Habeck, wie das Nachrichtenportal Business Insider im März berichtete. Das Öko-Institut hatte im vergangenen Jahr eine Studie vorgelegt, wonach Ausgleichszahlungen in einer Größenordnung zwischen 12 und 48 Millionen fällig würden. Würde man die Summe auf die Tickets umlegen, kämen bei angenommenen 2,8 Millionen Zuschauern Zuschläge zwischen drei und zwölf Euro pro Ticket heraus.

Nun ist guter Rat teuer. Der DFB will den Fans den Aufschlag nicht zumuten, kann aber auch nicht selbst einspringen. Sollte er für die Summe aufkommen, hätten darunter fast zwangsläufig der Jugend-, Frauen- und Amateurfußball zu leiden. Diesen würden dann quasi automatisch die Mittel fehlen. In der Bundesregierung wiederum verweist man auf den Milliardengewinn, den die Uefa vor zwei Jahren allein über die TV-Gelder erlöst habe. Davon soll die Uefa nun einen kleinen Teil abgeben. Die aber sieht keinen Handlungsbedarf.

Derweil positioniert sich auch die Außenministerin. Baerbock wolle eine „klimaverantwortliche Europameisterschaft“, heißt es in ihrem Haus. Federführend sei allerdings die Kollegin Nancy Faeser. Deren Leute sehr entschieden. Die Rede ist von zielführenden Gesprächen mit dem DFB: „Wir sind sehr, sehr gut mit dem DFB in Kontakt.“ Was das konkret bedeutet, bleibt vorläufig unklar.

Einigkeit gibt es immerhin im Kleinen. So etwa mit Frankreich, wo 2024, kurz nach der Fußball-EM, die Olympischen Spiele stattfinden. Auch diese sollen so umweltfreundlich und nachhaltig wie nie abgewickelt werden. Weshalb etwa das deutsche Olympiateam mit einem Sonderzug nach Paris rollen wird, statt zu fliegen. Umgekehrt werden die französischen Kicker zur Fußball-EM mit dem TGV nach Deutschland reisen.

Für Edelstürmer Kylian Mbappé keine Selbstverständlichkeit. Von ihm wird erzählt, dass er sich normalerweise nur höchst ungern in Zügen fortbewege. Mancher also muss sein Verhalten wohl wirklich ändern.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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