Analyse
Erscheinungsdatum: 24. September 2024

Friedrich Merz: Warum sich für den Kanzlerkandidaten zwei Kreise schließen 

Der CDU-Chef spricht bei einer Festveranstaltung zum 70. Geburtstag von Angela Merkel. Gemessen an seiner jahrelang erbitterten Feindschaft mit ihr ist das ein großer Fortschritt.

Wenn Friedrich Merz am Mittwochabend die Berlin-Brandenburgische Akademie betritt, schließen sich für den CDU-Chef zwei große politische Lebenskreise. Seine jahrelang erbitterte Feindschaft mit Angela Merkel wird sich zwar nicht komplett auflösen. Aber dass seine CDU eine Veranstaltung zu Merkels 70. Geburtstag ausrichtet, trägt durchaus die Züge einer Befriedung. Gemessen an der Schärfe des Konflikts ist das ein großer Fortschritt.

Zumal die beiden mal Hand in Hand gestartet waren. Was kaum jemand weiß, geschah in einer Nacht im Februar 2000. Wolfgang Schäuble war gerade zurückgetreten, daraufhin beriet eine kleine Gruppe von CDU- und CSU-Politikern in der Thüringer Landesvertretung über die Nachfolge. Nach längerem Hin und Her kam sie kollektiv zu dem Schluss: „Du, Angela, machst die Partei, und Du, Friedrich, machst die Fraktion.“ So erzählte es einmal Manfred Grund, der in der denkwürdigen Nacht dabei war.

Allein, es hielt nicht lang. Dann kam ein politischer Krieg, der nicht im Abgang von Merz gipfelte, sondern in seiner Rückkehr im Herbst 2018 – und seiner wütend vorgetragenen Kritik, die Regierung von Merkel sei grottenschlecht und müsse weg. Für Merkel war es die größtmögliche Provokation; ihr Umfeld schimpfte Zeter und Mordio; ihr Regierungssprecher nannte die Kandidatur zum CDU-Vorsitz eine „Unverschämtheit“. Dass beide nach alledem am Mittwochabend nebeneinander dem Gastredner Horst Bredekamp lauschen werden, schließt einen Kreis ab, der größer nicht hätte sein können.

Der zweite Kreis schließt sich für Merz selber. Er, der seit Montag offiziell Kanzlerkandidat ist, wurde in den Jahren bis hierher ähnlich hart bekämpft wie einst Merkel, stets verbunden mit der Ansage, dass er es nicht könne. Was bei Merkel die alten Herren der CDU waren, sind bei Merz die liberaleren Kräfte in Partei und Öffentlichkeit. Trotzdem hat er es geschafft, die Partei hinter sich zu sammeln – und kann inzwischen mit leisem Genuss verfolgen, dass sich Markus Söder und Hendrik Wüst nicht mehr mit ihm und gegen ihn streiten, sondern untereinander beharken. Für den Chef der Union ein guter Zustand, dabei von oben herab zuschauen zu können. Gut möglich, dass er sich manchmal noch selbst zwickt, weil auch er darüber erstaunt ist.

Zufall ist das nicht, sondern das Ergebnis einer Metamorphose. In den ersten Jahren nach Rückkehr war Merz stets gut für eine Provokation, die jedes Mal das Bild vom arroganten Haudrauf verfestigte – und die Zweifel an seiner Befähigung verstärkte. Seit einem Jahr aber hört man bei ihm eine andere, nachdenklichere Tonlage, die sich zum Beispiel von der von Söder immer stärker abhebt. So erklärte er zuletzt, dass er sich seinen Spielraum für Koalitionen mit Parteien der Mitte auf keinen Fall einschränken lassen werde, auch wenn er die Grünen aktuell kritisch sehe. Niemand weiß, ob es nicht nochmal Ausbrüche gibt, aber: Merz hat gelernt und sich verändert.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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