Analyse
Erscheinungsdatum: 28. Mai 2024

Freiwilliger Wehrdienst: Pistorius hofft auf bis zu 10.000 Rekruten pro Jahrgang  

Boris Pistorius will 10.000 junge Rekruten pro Jahrgang für die Bundeswehr gewinnen. Ob das allerdings ausreicht, um die Streitkräfte für die Herausforderungen der Zukunft zu wappnen, ist umstritten.

Mit einer Musterungspflicht und neuen Anreizen für einen freiwilligen Wehrdienst will Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) rund 10.000 junge Rekruten pro Jahrgang für die Truppe gewinnen. Von diesem Vorhaben erfuhr Table.Briefings aus Regierungskreisen. Die Pläne hatte der SPD-Minister zuerst vergangene Woche in einem Koalitionsfrühstück erläutert, am Montag dann auch im SPD-Präsidium vorgestellt. Nachdem diese durch eine Indiskretion nach außen gedrungen waren, sollen sie nun wohl entgegen der bisherigen Planung noch vor der Europawahl präsentiert werden.

Ein ganzer Jahrgang wird angeschrieben. Pistorius will allen rund 600.000 18-jährigen Jugendlichen einen detaillierten Fragebogen zusenden, in dem diese Angaben zu ihrer körperlichen Fitness und ihren Interessen machen sollen. Das Ausfüllen soll verpflichtend sein, ein eigenes Gesetz soll die dafür notwendigen Datenschutzregelungen anpassen. Auch Frauen sollen angeschrieben werden, bei ihnen ist die Antwort aber freiwillig. Eine Grundgesetzänderung steht nicht zur Debatte. Nach dem Rücklauf sollen dann Freiwillige zu einer Musterung und einem psychologischen Gespräch eingeladen werden.

Die Lockmittel: Führerschein, mehr Geld, schneller an die Waffe. Anreiz für den neuen 12-monatigen Wehrdienst soll unter anderem ein kostenloser Kfz-Führerschein, eine höhere Besoldung und eine vielseitigere Ausbildung an den Waffengattungen sein. Pistorius orientiere sich bei seinem Vorhaben am schwedischen Modell eines Wehrdienstes, heißt es. Schon heute gibt es allerdings Privilegien für Rekruten wie eine freie Heilsfürsorge und freies Bahnfahren.

Experten halten 10.000 Rekruten für zu wenig. Die Zahl reiche nicht einmal, um den Bestand von derzeit etwa 183.000 Soldatinnen und Soldaten zu halten, sagte der frühere Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels Table.Briefings. „Ein erweitertes Anschreiben ist weit unterhalb dessen, was möglich war.“ Bartels glaubt, dass der Widerstand in seiner eigenen Partei und bei den Koalitionspartnern für eine echte Wehrpflicht zu groß ist. Notwendig wäre sie trotzdem, glaubt er: „Wenn nicht jetzt in Kriegszeiten, wann sollte man dann eine Wehrpflicht anpacken? Die Bundeswehr braucht dringend mehr Leute.“

Selbst inklusive der Reservisten liege die Größenordnung der Truppe bei 197.000 Soldaten. Bis 2030 soll sie auf 203.000 Kräfte anwachsen. Die Nato werde von Deutschland noch viel mehr verlangen, vermutet Bartels. „Wir können schon unsere Zusagen von vor dem Krieg, drei Divisionen aufzubauen, nicht einhalten.“ Derweil geht das Tauziehen ums Geld für den Verteidigungsetat 2025 weiter. Bei einem Treffen von Pistorius mit Kanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner am Montag im Kanzleramt gab es noch keinen Durchbruch, hieß es. Pistorius will für seinen Etat rund 6,5 Milliarden Euro mehr, als vom Finanzminister zugestanden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!