Wie ist heute Nachmittag die Lage in Niamey?
Von Bamako aus nicht ganz einfach einzuschätzen. Aber ein Gegencoup scheint unwahrscheinlich, nachdem die Junta im Fernsehen aufgetreten ist, und auch die Armee den Machtwechsel im Grunde bestätigt hat, „aus Gründen der Sicherheit“, wie es hieß. Wo Präsident Bazoum ist, ist nicht ganz klar. Vermutlich wird er irgendwo festgehalten.
Hat sich der Coup abgezeichnet?
Er war nie auszuschließen – aber konkret haben wir es nicht kommen sehen. Es gab immer eine Diskrepanz zwischen einer dem Westen und der Demokratie gegenüber aufgeschlossenen Regierung und den tagtäglichen Herausforderungen. Die waren und sind ähnlich wie in den Nachbarstaaten. Der Unterschied war, dass die Regierung in Niamey genauer wusste, was sie wollte.
Was bedeutet der Putsch für die Region?
Niger war das letzte demokratisch regierte Land im Sahel. Für Deutschland und Europa wurde das Nachbarland Mali als Partner immer schwieriger, deswegen haben sich ja alle auch eher in Richtung Niamey orientiert. Ja, es gab einige Hoffnungen, aber wir haben auch nie die Realität aus den Augen verloren: Es gab ja direkt nach der Wiederwahl von Präsident Mohamed Bazoum im Jahr 2021 schon einen Putschversuch. Der Coup jetzt kam also nicht aus dem Nichts. Er wird die westlichen Partner allerdings vor echte Herausforderungen stellen.
Und die Demokratie im Sahel kann man vorerst abschreiben?
Es sieht zumindest nicht gut aus. Wenngleich es am Abend des Putsches auch Gegendemonstrationen in Niamey gab. Wir Europäer hatten auch deswegen Hoffnungen in die Regierung im Niger, weil sie vorsichtig versucht hat, auch auf die Obristen in Mali einzuwirken.
Was heißt es für die EU, wenn jetzt der letzte Demokrat gestürzt wird?
Dass wir uns nicht auf ein Land fokussieren könne, sondern die ganze Region im Auge behalten müssen. Insofern ist die Initiative Sahel Plus, die ja auch die Küstenstaaten einbezieht, ein richtiger Ansatz. Es wird sich die Frage stellen, wie man mit den Putschisten kooperieren kann. Man darf sie nicht legitimieren, ganz klar, aber wir sollten auch die Bevölkerung nicht alleine lassen.
Wird Russland versuchen, das Vakuum zu besetzen?
Es ist nicht auszuschließen, dass Russland dies versuchen wird, gesichtert ist die Zusammenarbeit aber nicht. Auch die ersten Putschisten in Burkina Faso wollten mit den Russen erst einmal nichts zu tun haben. Es ist alles noch zu frisch, um es solide zu beurteilen.
Welche Bedeutung hat der Putsch für das Nachbarland Mali?
Die schon bestehende Achse zwischen den Generälen in Bamako und Ougadougou wird jetzt um Niamey erweitert. Das hängt aber von den Putschisten ab. So weit man weiß, sind die Generäle in Niamey älter als in den beiden anderen Ländern. Es gab aber im Dreiländereck Burkina-Mali-Niger auch immer einen engen Austausch. Und natürlich kann der Putsch im Nachbarland auch im ohnehin fragilen Mali zu mehr Instabilität führen.
Was wird sich durch den Putsch am Kampf gegen den Terrorismus in der Region ändern?
Vermutlich nicht viel. Auch in Mali hat sich in der Terrorismusbekämpfung durch die Militärführung und die Wagner-Söldner vor allem intensiviert aber nicht zwingend verändert.. Wenn man davon absieht, dass der Kampf brutaler geworden ist und mehr zivile Opfer in Kauf genommen werden. Die Frage ist eher, wie werden die Dinge politisch geregelt.
Wie sehen die Folgen für die Bundeswehr aus, die ja ihren Abzug aus Gao im wesentlichen über den Niger und nicht zuletzt über den Landweg nach Niamey abwickeln wollte?
Der Zeitplan bis Jahresende war ohnehin schon eng. Die Frage ist jetzt, gelten die getroffenen Deals mit dem Niger noch? Wie lange sind die Grenzen dicht, die jetzt erst einmal für eine Woche geschlossen wurden? Und natürlich hat der Coup Folgen für sämtliche Zeit- und Flugpläne.
Das Mandat noch einmal zu verlängern ist ausgeschlossen?
Es gibt seit dem 1. Juli kein Mandat mehr. Es gibt nur noch eine UN-Resolution zum Rückbau aller Einrichtungen. Und bis zum 30. September sind noch gewisse Absicherungen möglich.
Wird sich der Abzug nun verzögern beziehungsweise ist der Zeitplan noch zu halten?
Wenn er sich verzögert, verzögert er sich für das gesamte Minusma-Kontingent. Für die malische Regierung kann es aber keine Verzögerung geben. Für sie ist der 31.12. der Stichtag. Länger zu bleiben ist also keine Option. Die Frage ist nur noch, was wird dann liquidiert. Die malische Regierung würde gerne das ganze Material behalten, das die UN nicht rechtzeitig aus dem Land bekommt.