Analyse
Erscheinungsdatum: 18. Mai 2025

FDP-Parteitag: Auf der Suche nach der großen Idee

Christian Dürr soll die FDP in der außerparlamentarischen Opposition wieder aufbauen. Er muss Ideen finden, wie die Liberalen wieder relevant werden. Auf dem Parteitag lieferte er darauf keine Antworten.

„Jetzt geht die Arbeit los.“ Mit diesen Worten beendete Nicole Büttner am Samstagabend um 18:02 Uhr den zweitägigen Bundesparteitag der FDP im Berliner Estrel Hotel. Am Morgen war die 40-Jährige mit 80,1 Prozent zur neuen Generalsekretärin gewählt worden.

Im politischen Geschäft ist sie eine Quereinsteigerin. Zwar ist Büttner nach eigenen Angaben seit 20 Jahren FDP-Mitglied, hatte aber bislang kein politisches Amt inne. Einmal kandidierte sie erfolglos fürs Europaparlament. Die Tochter einer jamaikanischen Mutter kommt aus Karlsruhe, führt als CEO das von ihr mitgegründete KI-Unternehmen Merantix Momentum, lebt aber mit ihrem Mann und zwei Kindern in der Schweiz. Dass der neue Parteichef Christian Dürr sie zu seiner „Running Mate“ machte, kam überraschend.

Tatsächlich hat Büttner viel Arbeit vor sich. Sie muss die am Boden liegenden Liberalen nach der Niederlage mit 4,3 Prozent bei der Bundestagswahl wiederbeleben, und das schnellstmöglich. Natürlich wollen die Liberalen bei der nächsten Wahl zurückkehren in den Bundestag. Doch schon im kommenden Frühjahr finden wichtige Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg statt. In beiden Landesparlamenten ist die FDP noch vertreten; in Rheinland-Pfalz sogar als Teil einer Ampel-Regierung.

Dass die Mitglieder Gesprächsbedarf haben, zeigte sich schon zum Auftakt des Parteitags. Vier Stunden – doppelt so lange wie geplant – dauerte die Aussprache zum Rechenschaftsbericht des scheidenden Parteichefs Christian Lindner. In 77 Redebeiträgen gingen die Mitglieder zwar mitunter hart mit sich und der Partei ins Gericht, zerlegten sich aber nicht. Der von einigen im Vorfeld befürchtete Richtungsstreit bleibt an diesem Wochenende aus.

Immer wieder wird in den Reden betont, dass die Partei neue politische Ideen brauche. Konzepte, die zeigen, wofür die FDP steht, was sie von allen anderen unterscheidet und sie vom in der Ampel-Zeit bei vielen Wählern gefestigten Image der Blockierer- und Verhinderer-Partei lösen. Die Aktienrente ist das Paradebeispiel, das FDP-Politiker dafür anführen. Doch das Konzept hat Johannes Vogel vor 15 Jahren als Vorsitzender der Jungen Liberalen geschrieben. Viel Neues dieser Art gab es seitdem nicht.

Auch Christian Dürr kann der Partei bislang keine Antworten geben. Das Skript für seine Bewerbungsrede hätte in ähnlicher Form auch aus dem erfolglosen Bundestagswahlkampf stammen können. Finanzstabilität, Bürokratieabbau, Migration: Dürrs Rede ist rhetorisch versiert, inhaltlich aber größtenteils altbekannt. Neues kommt nur selten und wenn in Details vor. Etwa der Vorschlag, Paragraf 188 des Strafgesetzbuches, der die Strafbarkeit von Beleidigung, übler Nachrede und Verleumdung gegen Politiker regelt, abzuschaffen.

Dürr gibt den FDP-Mitgliedern vor allem das Versprechen, die Partei wieder zusammenzuführen. „Ja, wir haben die Bundestagswahl verloren. Aber die Konsequenz daraus ist nicht, die Kraft des Liberalismus zu teilen, sondern sie zu stärken.“ Das scheint den Mitgliedern fürs Erste zu genügen. Mit 82,3 Prozent wird Dürr zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Kein überragendes, aber gutes Ergebnis angesichts der Lage, in der sich die FDP befindet. Dürr darf die Partei nun hauptberuflich, statt wie bisher im Ehrenamt führen.

Der neue Vorsitzende verspricht der Partei, den Prozess für ein neues Grundsatzprogramm zu starten und die Parteistrukturen zu reformieren. Vorher aber muss er mit seinem neuen Führungsteam aufarbeiten, weshalb die FDP zum zweiten Mal von den Wählern aus der Regierung direkt in die außerparlamentarische Opposition geschickt wurde. Auf dem Parteitag wurde die Frage von allen dafür Verantwortlichen umschifft. Auch von Christian Lindner, der in seiner Abschiedsrede den Eindruck vermittelte, er würde am liebsten weitermachen.

Doch Lindner ist nun ebenso wie der bisherige Generalsekretär Marco Buschmann Geschichte. Andere prominente Gesichter hingegen schätzen ihren Anteil am Misserfolg als gering genug ein, um weiter in den Führungsgremien mitzumischen. Zum Beispiel Florian Toncar, Lindners ehemaliger Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium, der ohne Gegenkandidaten, aber mit dürftigen 72 Prozent als Beisitzer ins Präsidium gewählt wird. Oder Johannes Vogel, der zwar nicht mehr als stellvertretender Bundesvorsitzender kandidierte, aber in den Bundesvorstand gewählt wurde. Auch andere Ex-MdB wie Konstantin Kuhle, Otto Fricke, Frank Schäffler, Linda Teuteberg, Katja Hessel, Torsten Herbst und Jens Teutrine wurden in den Vorstand gewählt.

Hoffnungsträgerin ist neben der neuen Generalsekretärin vor allem Susanne Seehofer. Die Tochter des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidentin trat in der einzigen Kampfkandidatur als Beisitzerin fürs Präsidium gegen die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Daniela Schmitt an. Seehofer war nicht nur die Kandidatin ihres bayerischen Landesverbands, sondern auch der Jungen Liberalen. In ihrer Rede zitierte sie Albert Einstein : „Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu belassen und zu hoffen, dass sich etwas ändert.“ Sie gewinnt hauchdünn mit 302 zu 295 Stimmen.

Seehofer und Büttner werden die Partei nicht im Alleingang retten können. Allein das mediale Interesse an ihnen dürfte der FDP in der APO-Zeit aber nutzen. Sie können den Neuanfang verkörpern, für den Dürr bislang nicht steht. Der Spiegel berichtete am Samstagabend bereits über die „Anti-Lindner-Frauen“. Doch auch Talkshow-Präsenz und Interviews helfen einer Partei wenig, wenn sie nicht weiß, wofür sie inhaltlich steht. Die Antworten darauf wurden auf dem Parteitag erst einmal vertagt. Die Arbeit geht eben jetzt erst los.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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