Ex-Generalsekretär erhebt schwere Vorwürfe gegen AfD-Landesvorstand Sachsen-Anhalt

In einer E-Mail prangert Jan-Wenzel Schmidt potenzielle Straftaten, Privatreisen unter dem Deckmantel von parlamentarischer Tätigkeit, Vetternwirtschaft und weiteres „parteischädigendes Verhalten“ beim Landesvorstand der AfD Sachsen-Anhalt an.

17. Dezember 2025

Vier Tage nachdem Jan-Wenzel Schmidt und weitere AfDler die Gala des Young Republicans Club in New York besucht haben, konfrontiert der Politiker eine Reihe der dortigen Teilnehmer mit schweren Vorwürfen; jene nämlich, die aus Sachsen-Anhalt angereist sind. Der Bundestagsabgeordnete, der bis Februar Generalsekretär der AfD Sachsen-Anhalt war, wirft dem Landesvorstand gravierende Vergehen vor. Unter dem Betreff „Klare Stellungnahme, Benennung konkreter Sachverhalte und Ankündigung weiteren Vorgehens – Parteischädigendes Verhalten des Landesvorstandes“ sendete er am Mittwoch eine E-Mail an den Landesvorstand, die Table.Briefings vorliegt.

Neun Monate lang sei systematisch gegen ihn und seine Familie vorgegangen worden und es sei offenkundig, dass man ihn öffentlich beschädigen wolle. Wer ihn unterstützt habe, sei mundtot gemacht worden. „Es ist ein regelrecht krankhaftes Verhalten und ein völlig psychopathischer Fanatismus in der innerparteilich völlig überflüssigen Auseinandersetzung“, schreibt Schmidt. Diese Zeit sei nun vorbei. „Die Täter werden künftig klar benannt und haben die Konsequenzen für ihr Verhalten vollständig zu tragen. Einige Akteure gehören auf die Anklagebank und nicht auf die Regierungsbank“.

Die Vorwürfe des AfD-Politikers richten sich gegen die „Pokerrunde“, die seit Jahren die Geschicke der AfD in Sachsen-Anhalt führt; auch er gehörte ihr lange an. Zu diesem Kreis, so Schmidt, zählten gegenwärtig: Landeschef Martin Reichardt, der auch dem AfD-Bundesvorstand angehört, dessen beide Stellvertreter Oliver Kirchner und Hans-Thomas Tillschneider, die Landesvorstände Tobias Rausch, Jan Moldenhauer und Matthias Büttner sowie Fraktionsvize Gordon Köhler und Landtagswahl-Kandidat Phillipp-Anders Rau. Politisch mitgetragen und gedeckt werde ihr Vorgehen durch den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl im September 2026, Ulrich Siegmund.

Es sei parteiintern „unstreitig bekannt“, dass bei Fahrtkostenabrechnungen, Reisezuordnungen und Terminbegründungen über Jahre hinweg unsauber gearbeitet worden sei. Für Auslandsreisen hätten Termine gefehlt oder seien nachträglich konstruiert worden. Privatreisen seien „unter dem Deckmantel parlamentarischer Tätigkeit“ erfolgt. Es seien Reisen „mit rein gesellschaftlichem Charakter“ und „Sightseeing-Reisen ohne sachlichen Mandatsbezug“ unternommen worden. Außerdem habe es Dienstreisen nach Berlin gegeben, deren Ziel die dortige Spielbank gewesen sei. Schmidt schreibt, dass die Sachverhalte dokumentierbar seien und er sie offenlegen werde.

Er wirft mehreren Vorstandsmitgliedern Vetternwirtschaft vor. Mindestens fünf Mitglieder hätten ihre Ehefrauen über Abgeordnete beschäftigt. Mehrere Mitglieder hätten Kinder oder Geschwister über Abgeordnete anstellen lassen, ein Mitglied habe gleich drei Geschwister über Abgeordnetenstellen vergütet. In mindestens einem Fall sei ein direktes Familienmitglied eines Vorstandsmitglieds mit fast 8.000 Euro brutto monatlich aus öffentlichen Mitteln vergütet worden. Auch diese Anwürfe, so Schmidt, seien belegbar.

Schmidt schreibt weiter, es gebe Hinweise auf „unzulässige unternehmerische Verquickungen“, „Vorgänge mit Bezug zu falschen Privatinsolvenzen“, „massive innerparteiliche Einflussnahmen auf wirtschaftliche Beteiligungen“ sowie potenzielle Straftaten. Zur Kommunalwahl seien nachweislich Falschangaben gemacht worden, ebenso bei Aufnahmen im Kreisverband Jerichower Land. „Ich werde diese Punkte nicht pauschal behaupten, sondern ausschließlich fakten- und beweisgestützt vortragen“, so Schmidt.

Auch gegen Schmidt kursieren gegenwärtig Vorwürfe; unter anderem wegen dubioser Geschäftspraktiken und der Anstellung von Familienmitgliedern in seiner Firma. Der Landesvorstand hat angekündigt, dass er ein Parteiausschlussverfahren prüfe. Schmidt sieht sich offenbar zu Unrecht beschuldigt: „Mein Ruf wird öffentlich beschädigt, falsche Tatsachenbehauptungen werden verbreitet“, schreibt er.

Das „eigentliche parteischädigende Verhalten“ des Vorstandes liege „in der Spaltung, der gezielten Rufschädigung meiner Person und der selektiven Moral bei gleichzeitig bekanntem Fehlverhalten zentraler Akteure.“ Er fragt: „Besteht überhaupt noch ein Rechtsbewusstsein bei diesen Leuten oder wird blind um sich geschlagen, da die Umfragen beflügeln?“ Statt die Partei zu vereinen und geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen, wollten einzelne Funktionäre „lieber einen parteiinternen Kampf eröffnen“.

Seine E-Mail sei für den Landesvorstand „letztmalig die Möglichkeit, die Vorgänge intern aufzuarbeiten, bevor sie zwangsläufig parteiöffentlich werden“. Ab der zweiten Januarwoche werde er wöchentlich „strukturierte Mails“ an Bundes- und Landesvorstand senden, die jeweils konkrete Beweise, Zahlen, Namen und Dokumente enthalten würden.

Die AfD Sachsen-Anhalt antwortete Table.Briefings auf eine Bitte um Stellungnahme zu den Vorwürfen, „dass sich die Landespartei zu laufenden internen Vorgängen öffentlich nicht äußern wird.“

Jan-Wenzel Schmidt saß von 2016 bis 2021 für die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt. 2021 zog er in den Bundestag ein, wo er gegenwärtig Mitglied im AK Außen sowie im Finanzausschuss ist. Schmidt gehörte von 2015 bis 2025 dem Landesvorstand der AfD Sachsen-Anhalt an.

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Letzte Aktualisierung: 17. Dezember 2025