Statt über die Anträge der zehn Anhänger von Sahra Wagenknecht auf Verbleib in der Fraktion zu entscheiden, hat die Linksfraktion einstimmig beschlossen, die Liquidation der Fraktion einzuleiten. Das Datum für den Start steht noch nicht fest, es soll am 14. November festgelegt werden. Dieser Schritt sei auch ein Signal an die Wagenknecht-Anhänger, sagte der Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch zu Table.Media. „Es ist klug, wir lassen uns von der Wagenknechtpartei nicht vorgeben, wie und wann wir liquidieren.“ Den aus der Partei Ausgetretenen will man damit sagen: Wir gehen unseren eigenen Weg und befassen uns nicht mehr mit euch – nicht einmal mehr mit euren Anträgen.
Der Beschluss gibt der Fraktion mehr Handlungsspielraum. Hätte sie den zehn Abtrünnigen nur verweigert, weiterhin Teil der Fraktion sein zu dürfen, wäre die Fraktion zerfallen und die Abwicklung wäre zum großen Teil der Bundestagsverwaltung zugefallen. Mit der Entscheidung für die Liquidation kann die Noch-Fraktion sowohl das Datum selbst festlegen, als auch den Prozess bestimmen. Man will die eigene Handlungsfähigkeit beweisen. Der Beschluss der verbliebenen Fraktion bei ihrer Sitzung am Montag war einstimmig.
Der Fraktionsvorstand muss als Nächstes die sogenannten Liquidatoren bestimmen, diejenigen Abgeordneten also, die Ansprechpartner für Bundestagsverwaltung und Ältestenrat werden und organisatorisch das Zepter in der Hand halten. Wird eine Fraktion aufgelöst, wird sozusagen alles auf null gesetzt. Alle 108 Mitarbeiter der aktuellen Fraktion erhalten eine Kündigung. Die Abgeordneten sind erst einmal einfache Abgeordnete.
Im vergangenen Jahr bekam die Fraktion rund 11,5 Millionen Euro vom Bundestag. Dieses Geld würde ihr mit der Liquidation verloren gehen. Rund 9,3 Millionen Euro davon gingen als Gehälter an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese spielen in der jetzigen Situation eine besondere Rolle. Ihnen gegenüber wolle man verantwortungsvoll handeln, kündigte Dietmar Bartsch an. Man werde die Entscheidung in aller Ruhe fällen. Bei dem Termin für die Liquidation spielen vor allem die Kündigungsfristen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Rolle. Diese sind unterschiedlich, je nachdem, wie lange sie bereits für die Fraktion arbeiten.
Nach der Liquidation werden die verbleibenden Mitglieder der Linken versuchen, eine Gruppe zu bilden. Aus wie vielen Abgeordneten sie am Ende bestehen wird, ist noch nicht klar. Auch Wagenknecht und ihre Anhänger werden wohl diesen Weg gehen. Grundsätzlich können sich bereits fünf Abgeordnete zu einer Gruppe zusammenschließen, wenn der Bundestag dem zustimmt. An der Gruppenstärke bemessen sich die Zuwendungen, die sie vom Bundestag erhalten und daraus die Zahl der Mitarbeiter. Allerdings ist die Finanzierung einer Gruppe gesetzlich nicht geregelt. Den Umfang beschließt der Bundestag in jedem Einzelfall von Neuem.
Die Rechte der Gruppe muss diese mit den anderen Fraktionen aushandeln. Immer wieder führte das Wahlrecht in der Vergangenheit dazu, dass sich Gruppen im Bundestag bildeten, auch wenn die Parteien die Fünf-Prozent-Hürde nicht überspringen konnten. Das betraf die PDS, die Linken und auch die Grünen. Ihnen wurde eine ganze Reihe von Rechten eingeräumt, die den Rechten der Fraktionen ähneln. Sie durften etwa ein ordentliches und ein stellvertretendes Mitglied in einen Fachausschuss entsenden, ein Mitglied in den Ältestenrat sowie in Enquete-Kommissionen und Untersuchungsausschüsse. Sie konnten Anträge und Gesetzesanträge einbringen, aktuelle Stunden beantragen sowie große und kleine Parlamentarische Anfragen stellen.
Die Linke wäre, wenn alle 28 Verbliebenen sich entscheiden sollten, der Gruppe beizutreten, eine große Gruppe, mit drei Direktmandatsträgern.