Analyse
Erscheinungsdatum: 05. November 2025

Drei Lehren aus den Wahlen in New York, New Jersey und Virginia

v.l.: Abigail Spanberger,  Zohran Mamdani, Mikie Sherrill
v.l.: Abigail Spanberger, Zohran Mamdani und Mikie Sherrill (picture alliance / ASSOCIATED PRESS)

Aus den jüngsten Wahlen an der amerikanischen Ostküste gibt es zwei wichtige Lehren für die Demokraten und eine für Donald Trump. Für die Demokraten lauten die zwei Lehren: Lebenshaltungskosten sind das alles überragende Trend-Thema. Und die Partei muss sich verjüngen, wenn sie Wahlen gewinnen will. Trump dagegen muss aufpassen, wenn er seine neuen Wählergruppen nicht wieder verlieren will.

Der überraschende Sieg des 34-jährigen Zohran Mamdani in der New Yorker Bürgermeisterwahl hat gezeigt, was die demokratische Basis wirklich bewegt: Der alltägliche Kampf, um die hohen Mieten, Kinderbetreuung und Lebensmittel zu zahlen. Der selbst erklärte Sozialist Mamdani hat den Wählern Mietbremsen, Gratis-Busse, Kinderbetreuung und staatliche Supermärkte versprochen. Bezahlt werden soll das alles von höheren Steuern für die Reichen.

In der Acht-Millionen-Stadt, in der eine Dreizimmer-Wohnung durchschnittlich 5.475 Dollar kostet und viele Familien sich das Leben kaum leisten können, konnte Mamdani mit diesen Themen 100.000 freiwillige Helfer und Millionen Wähler mobilisieren. Identitätspolitik wie Transgender und LGBTQ hat dagegen nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Auch im Nachbarstaat New Jersey haben die Demokraten mit ihrem Fokus auf Lebenshaltungskosten mit 13 Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Dort hat die ehemalige Navy-Lieutenant Mikie Sherrill, Anwältin und Mutter von vier Kindern das Gouverneurs-Rennen für sich entschieden. Sie ist angetreten, den Wohnungsbau auszubauen, Medikamentenpreise zu senken und den Steuerfreibetrag für Kinder zu erhöhen.

200 Kilometer weiter südlich im bisher republikanisch regierten Bundesstaat Virginia lag der Vorsprung sogar bei 15 Prozentpunkten. Dort hat die Demokratin Abigail Spanberger mit ihrer Wirtschafts-fokussierten Kampagne die Wahl zur Gouverneurin gewonnen. Sie hatte vor allem Trumps Budget-Kürzungen angeprangert, die viele ihrer Wähler treffen.

Für die Demokraten heißt das für die kommenden Wahlen: Sie sollten das Thema der Lebenshaltungskosten auch landesweit ganz oben auf die Agenda setzen. Damit können sie Trump direkt angreifen und dabei eng im Kontakt zur Realität der Menschen bleiben.

Der Demokraten-Stratege Chris Moyer nannte im Fernsehsender Fox den jüngsten Wahlkampf einen Testlauf, „um zu sehen, wie man das Argument der Lebenshaltungskosten gegen die amtierende Partei und den Präsidenten wenden kann, nachdem sie es letztes Jahr so effektiv eingesetzt haben“. Mit der hohen Inflation hatte Donald Trump die Präsidentschaftswahlen im November 2024 gewonnen. Ein Jahr später gewinnen nun seine Gegner mit genau diesem Argument.

„Wenn Trump weiter mit dem Vorschlaghammer auf die Geldbörse der Menschen haut, dann wird es einfach sein, damit Wahlkampf zu machen“, kommentierte der Demokraten-Stratege Joel Payne.

Die drei erfolgreichen Wahlkämpfe der Demokraten zeigen aber auch, dass die Menschen neue Gesichter und neue Ideen wollen. Mamdani ist der jüngste New Yorker Bürgermeister seit mehr als 100 Jahren, ein Muslim mit Wurzeln in Indien und Uganda und ein selbst erklärter Sozialist – auch wenn dieses Wort in den USA weniger radikal zu deuten ist als in Europa.

In New Jersey wird mit der 53-jährigen Sherrill demnächst ebenfalls eine Ausnahmefigur regieren: Eine Frau, die erst als Helikopter-Pilotin der Navy und dann als Anwältin Karriere gemacht hat und außerdem mit vier Kindern die Realität von amerikanischen Familien kennt. Und in Virginia haben die Wähler mit der 46-jährigen Spanberger eine ehemalige CIA-Beamtin zur ersten weiblichen Gouverneurin gekürt.

Ob die Demokraten nach dem Wahlsieg Mamdanis auch landesweit einen radikaleren, linken Weg gehen müssen, darüber diskutiert die Partei schon jetzt. Alexandria Ocasio-Cortez vom linken Flügel der Partei fordert ein Umdenken: „Die Partei kann nicht weiter existieren, wenn sie die Zukunft leugnet, wenn sie versucht, unsere jungen Menschen zu schwächen, wenn sie versucht, eine nächste Generation vielfältiger und aufstrebender Demokraten zu schwächen, die von unseren tatsächlichen Wählern und Wählerinnen unterstützt werden", sagte sie.

New York ist zwar eine links-liberale Enklave, die nicht stellvertretend für das ganze Land steht. Viele Ideen Mamdanis würden die Menschen in ländlicheren Gegenden der USA wahrscheinlich eher abschrecken. Aber die Wahlen zeigen, dass die Wähler Wandel wollen, und das gilt auch für das Alter der Kandidaten.

Mamdani, Sherrill und Spanberger stehen für eine neue Generation in der Demokratischen Partei. Joe Biden stand für die alte Garde der Demokraten ebenso wie die ehemaligen Sprecher der Kammer und des Senats Nancy Pelosi und Chuck Schumer. Im Abgeordnetenhaus liegt der Altersdurchschnitt der Demokraten bei 57,6 Jahren, im Senat sogar bei 66 Jahren. Viele junge Menschen können sich mit ihnen nicht identifizieren, sie wollen neue Gesichter.

Für den US-Präsidenten sind die Wahlergebnisse ein Warnsignal. Mike DuHaime, langjähriger Stratege der Republikaner in New Jersey und ehemaliger Direktor des Republikanischen Nationalkomitees, sprach von einem „Blutbad“. Auch auf nationaler Ebene sollten die Leute die Warnsignale ernst nehmen, sagte DuHaime gegenüber NBC.

Trump selbst hatte sich lange aus dem Wahlkampf herausgehalten und erst in letzter Sekunde in New York eingeschaltet. Er rief seine Anhänger dazu auf, den als Unabhängigen angetretenen Demokraten Andrew Cuomo zu wählen, um den „Kommunisten“ Mamdani zu verhindern. Außerdem drohte er seiner Heimatstadt, Bundesmittel aus Washington zu blockieren, sollte Mamdani gewinnen.

Sorgen muss sich Trump vor allem machen, weil er gerade zwei Wählergruppen verliert, die zuletzt von den Demokraten zu ihm gewandert waren: Latinos und junge Männer unter 30. Nicht nur in New York, sondern auch in New Jersey konnten die Demokraten diese wichtigen Gruppen wieder für sich gewinnen.

Ihre wirtschaftliche Situation hat sich nicht verbessert und vielen geht die aggressive Politik gegen Immigranten zu weit. Laut einer CBS/YouGov-Umfrage lehnen 53 Prozent der befragten Amerikaner das Vorgehen der Ausländerpolizei ICE ab. Trump hatte im Wahlkampf versprochen, kriminelle Einwanderer massenhaft abzuschieben. Tatsächlich springen heute vermummte ICE-Mitarbeiter aus Kleinlastern und verhaften Landarbeiter, Haushaltshilfen, Kinder und Großmütter.

Die Lehre aus den jüngsten Wahlen heißt für Trump derzeit: Lebenshaltungskosten bleiben das wichtigste Thema – auch bei jungen Männern und Latinos. Und Kinder in Handschellen sind keine guten Bilder für ihn.

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Letzte Aktualisierung: 05. November 2025

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