Analyse
Erscheinungsdatum: 03. Oktober 2023

Donata Vogtschmidt, jüngste Abgeordnete in Thüringen: „Die Ampel lässt sich nach rechts treiben“

Die 25-Jährige ist Sprecherin für Katastrophenschutz und Feuerwehr sowie Mitglied im Landesvorstand der Linken.

Was ist Ihr wichtigstes politisches Ziel?

Der Anspruch meines ganzen Handelns ist, das Bestmögliche für so viele Menschen wie möglich zu bewirken. Ich möchte irgendwann zurückblicken und sagen können, dass kein Versuch umsonst war, jede Chance genutzt und alle Eventualitäten geprüft wurden, damit ein gerechtes und soziales Leben für alle erreichbar ist.

Was hat Sie in der Politik bisher am meisten positiv überrascht?

Politik ist das, was man selbst daraus macht. Daher hatte ich erst das Vorurteil, dass politische Arbeit wahnsinnig trocken und undankbar ist. Durch meine zahlreichen Termine im gesamten Freistaat bei Vereinen, Initiativen, Ämtern und Projekten komme ich mit unglaublich vielen verschiedenen Menschen in Kontakt, deren Erfahrungen aus der Praxis die Grundlage für meine parlamentarische Arbeit sind. Und genau diese Termine geben viel Kraft.

Was stört Sie an der Landespolitik am meisten?

Es ist teilweise ermüdend, wie lange manche Prozesse andauern. Das ist auch auf anderen politischen Ebenen so, aber im eigenen Alltag kostet es natürlich Nerven. Auch sind unterschiedliche Verteilungen der Zuständigkeiten teilweise schwer nach außen vermittelbar, weshalb viele Themen in einen Topf geworfen werden, obwohl sie an ganz anderen Orten entschieden werden.

Was machen Sie, wenn Sie gerade nicht an Politik denken?

Die politischen Auszeiten verbringe ich meist mit Freunden und der Familie. Aber das Private ist ebenso politisch, weshalb ich als besten Ausgleich zum parlamentarischen Alltag mit meiner New-Glitzerpunkpop-Band DONATA auf der Bühne stehe – denn Antifaschismus ist Landarbeit und macht mehr Spaß mit Musik!

Was ist die größte Herausforderung in Ihrem Bundesland?

Der Freistaat Thüringen ist ein Flächenland, weshalb für alle Generationen die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Stadt und Land ein großes Thema ist. Als Parlament haben wir daher die Aufgabe sicherzustellen, dass Thüringen überall gleich gut ist und keine Region von öffentlicher Daseinsvorsorge abgehängt wird. Aktuell befinden wir uns mit Rot-Rot-Grün in einem Landtag mit schwierigen Mehrheitsverhältnissen, die politische Prozesse oft nochmal verlängern. Gerade bei dem Handeln der Opposition wird dabei deutlich, dass der Rechtsextremismus und Demokratiefeindlichkeit auch in Thüringen große Herausforderungen sind, denen wir uns immer wieder stellen müssen.

Was ist das wichtigste Thema in Ihrem Wahlkreis?

Mein Wahlkreis – Ilmkreis II – ist das Paradebeispiel für den ländlichen Raum: eine Handvoll Kleinstädte, viele Dörfer und ganz viel Wald und Wiese. Daher sind die Strukturen des Alltags für die Menschen essenziell: wirtschaftliche Stärkung der Region, gute Anbindung mit dem öffentlichen Nahverkehr, Daseinsvorsorge. Ziel muss es sein, dass der ländliche Raum für alle Generationen attraktiv bleibt, sodass keine Altersgruppe ab einem bestimmten Punkt abwandert. Auch Regionen in der Fläche bieten viele Möglichkeiten und Perspektiven, die wir ausbauen und fördern müssen, damit wir den Anforderungen der Menschen vor Ort gerecht werden.

Welches Thema hat der Bundestag zu wenig auf dem Radar?

Es ist schwer, sich dabei auf ein Thema zu beschränken. Die Nachdrücklichkeit der Anliegen und Forderungen der jungen Generationen ist in großen Teilen der Bundesregierung weder spürbar angekommen, noch habe ich das Gefühl, dass die Ängste und Sorgen der jungen Generation ebenso ernst genommen werden wie andere Altersgruppen. Ich sehe, dass gerade unter jungen Menschen die Frustration enorm ist und viele nur bedingt positiv in die Zukunft blicken. Soziale Ungleichheit und Generationengerechtigkeit sind anwachsende Probleme, wo von der Bundesebene Lösungen kommen müssen. Auch der Bereich der Bildung, insbesondere die politische Bildung und das Demokratieverständnis, muss unbedingt gefördert und ausgebaut werden, wenn wir die Zukunft der Gesellschaft und des Staates absichern wollen.

Was kann die Bundes- von der Landespolitik lernen?

In der Landespolitik ist man schon alleine aufgrund der geringeren räumlichen Distanz viel näher an den Wähler*innen, wodurch ein größerer regionaler Bezug zur Praxis und Problematiken besteht. Durch größere Bundestagswahlkreise ist hier der Aufwand natürlich auch höher und zeitintensiver. Auf der Bundesebene ist derzeit auch deutlich zu beobachten, dass sich die Ampel-Regierung in politischen Fragen von der Diskursverschiebung nach rechts treiben lässt – ich halte dies für fatal und brandgefährlich. Die Verlierer*innen dieser Politik werden dabei immer die Schwächeren sowie Minderheiten unserer Gesellschaft sein. In Thüringen haben wir es mit der wohl radikalsten Ausprägung der AfD zu tun und die Brandmauern der CDU und FDP nach rechts sind schon lange eingerissen. Dennoch schaffen wir es als Landesregierung aus Linke, SPD und Grünen unter der Führung von Bodo Ramelow, unsere Standpunkte zu halten und dem Rechtsruck mit guter Sachpolitik etwas entgegenzusetzen. Dabei ist klar, dass auch in Thüringen die AfD Zuspruch erhält – aber das bedeutet keinesfalls, dass die gesellschaftsfeindlichen Forderungen und die womöglich verfassungsuntergrabende Politikvorstellung der AfD damit legitimiert wird. Eine klare Kante gegen rechts wünsche ich mir daher auch auf der Bundesebene.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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