Analyse
Erscheinungsdatum: 03. Januar 2025

Die Macht aus Niedersachsen: Wer in der SPD nach der Wahl den Ton angibt

In der einflussreichen SPD Niedersachsen zeichnet sich der Machtkampf um die potenzielle Nachfolge von Olaf Scholz ab. Reihenweise Schwergewichte treten beim Listenparteitag am Wochenende an – und auch die Verteilung künftiger Ämter ist längst zur präsenten Frage geworden.

Als einer der letzten SPD-Landesverbände stellen am Samstag in Hannover die Genossinnen und Genossen in Niedersachsen ihre Landesliste für die Bundestagswahl auf. Der Reihung kommt eine besondere Bedeutung zu – nicht nur weil auf den Männerplätzen gleich vier bundespolitische Schwergewichte um vordere Positionen konkurrieren, sondern weil damit auch bereits Weichen für eine Zeit nach einem Kanzler Olaf Scholz gestellt werden. Nach Informationen von Table.Briefings haben sich Parteichef Lars Klingbeil, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsminister Hubertus Heil und Generalsekretär Matthias Miersch in dieser Reihenfolge nach den Verhandlungen der Bezirke und am Ende unter dezenter Moderation von Landeschef Stephan Weil auf die Plätze eins, drei, fünf und sieben verständigt. Um ein Bundestagsmandat muss damit keiner aus dem Quartett fürchten, alle Plätze gelten als sicher.

Wie hoch die Dichte in Niedersachsen ist, verdeutlicht auch das interne Gerangel um Platz neun: Chef-Haushälter Dennis Rohde soll den Vorzug vor Landesgruppen-Chef Johann Saathoff erhalten, der SPD-intern allerdings als König der Erststimmen gilt und seinen Wahlkreis Aurich-Emden stets direkt gewonnen hat. Bei den Frauen sind auf Platz zwei Staatssekretärin Siemtje Möller, auf vier Anja Troff-Schaffarzyk und auf sechs Svenja Stadler vorgesehen.

Die Reihenfolge hat durchaus Aussagekraft. Lars Klingbeil hat bis zum Wahltag parteiintern nach dem Kanzler unbestritten die höchste Autorität. Im Falle eines Wahlergebnisses in der Nähe von 20 Prozent oder gar darüber und einer Regierungsbeteiligung der SPD würde er zum einen die möglichen Koalitionsverhandlungen auf SPD-Seite anführen. Zum anderen würde er seinen Einflussbereich gern ausweiten. Mit einem guten Wahlergebnis im Rücken könnte er sich wohl aussuchen, ob er nach dem Fraktionsvorsitz greift oder das Amt des Vizekanzlers beansprucht.

Offen wäre im letzteren Fall allerdings das Ressort. In Frage kämen wohl das Außenamt oder das Verteidigungsministerium. Anders dürften die Dinge liegen, wenn die SPD am Wahlabend deutlich unter 20 Prozent landet. Dann ist auch der Parteivorsitzende nicht mehr unumstritten, der Job des Vizekanzlers würde neu diskutiert werden; denn es wird sich die Frage stellen, wer bedingungslos auf den Kanzlerkandidaten Scholz gesetzt hat, als auch Boris Pistorius noch eine Option war.

Insofern kann der aktuelle Verteidigungsminister der Wahl vergleichsweise entspannt entgegenblicken. Bleibt die SPD in der Regierung, dürfte er Favorit für das Wehrressort sein. Zumal auch die Union bereits signalisiert, dass sie einen Verteidigungsminister Pistorius durchaus zu schätzen wüsste. Für ihn und sein innerparteiliches Standing ist eher von Bedeutung, ob er seinen Wahlkreis Hannover II direkt gewinnt, zumal für den Bezirk Hannover die Personalie des aus Osnabrück zugewanderten Pistorius nicht ganz unkompliziert war. Jahrzehntelang war der Wahlkreis eine SPD-Domäne, 2021 eroberte ihn Yasmin Fahimi, die dann zum DGB wechselte. Allerdings wurde sie hart bedrängt von Sven-Christian Kindler (Grüne), der seinerzeit bei den Zweitstimmen die SPD sogar überholte. Pistorius’ Vorteil 2025: Kindler tritt nicht mehr an.

Sollten Klingbeil und Pistorius Plätze im Kabinett einnehmen, dürfte es für Hubertus Heil nicht mehr zu einem Ministeramt reichen. Denn mehr als zwei Männer aus Niedersachsen in der Regierung wären auf SPD-Seite kaum vermittelbar. Heil dürfte dann versuchen, Mehrheiten für den Job des Fraktionsvorsitzenden zu suchen. Keine ganz leichte Operation für einen Netzwerker – die kleinste der drei Strömungen in der Bundestagsfraktion – zumal auch Dirk Wiese (Seeheimer Kreis) und Matthias Miersch (Parlamentarische Linke) ihre Chancen ausloten werden. Offen ist in diesem Kontext freilich, wie sich der Kölner Rolf Mützenich seine politische Zukunft vorstellt. Seit fünfeinhalb Jahren führt er die Fraktion nun an. Bisweilen haderte er mit seinem Amt, andererseits hat er sich hohe Achtung in der Partei erarbeitet und stürzen würde ihn kaum jemand. Doch solche Regeln gelten erfahrungsgemäß nicht mehr, wenn keine Posten mehr zu verteilen sind – oder die kollektive Stimmung nach einem Aufbruch oder Neustart ruft.

In diesem Zusammenhang sind auch informelle Gegebenheiten von gewisser Bedeutung. Dazu gehört etwa die traditionelle Allianz der Landesverbände NRW und Niedersachsen/Bremen. Nichts geht an den beiden mächtigsten SPD-Landesverbänden vorbei, wenn es um die Besetzung von Posten in Partei und Regierung geht. S o wird es nach Lage der Dinge auch diesmal sein. Gegen ihre vereinte Dominanz kommen bis auf Weiteres kein Landesverband und schon gar kein Einzelakteur an.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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