Analyse
Erscheinungsdatum: 19. Juni 2025

Die Bundesregierung will sparen – und schickt reihenweise (nicht nur grüne) Abteilungsleiter in den gutbezahlten Ruhestand

Trotz versprochener Stellenkürzungen wächst die Bundesverwaltung: Union und SPD schaffen neue Posten und versetzen zahlreiche Experten teuer in den einstweiligen Ruhestand.

Unter dem Punkt „Haushaltskonsolidierung“ des Koalitionsvertrags haben sich Union und SPD zu umfangreichem Stellenabbau in der Bundesverwaltung verpflichtet. Auch die immer wieder angepriesene „Halbierung der Beauftragten des Bundes“ findet sich in diesem Kapitel. Tatsächlich kommt es – sechs Wochen nach Amtsantritt der Bundesregierung – zunächst zu einem erheblichen Personalaufbau. Und vor allem in den CDU-geführten Häusern von Wirtschaftsministerin Katherina Reiche sowie Bildungs- und Familienministerin Karin Prien werden fast alle bisherigen Abteilungsleiter in den – teuren – einstweiligen Ruhestand versetzt.

Noch bevor der Haushalt für 2025 verabschiedet ist, werden neue Stellen geschaffen. In einem Schreiben teilte Dennis Rohde, Parlamentarischer Staatssekretär im BMF, am Donnerstag dem Haushaltsausschuss mit, es sei „erforderlich, 208 zusätzliche Planstellen und Stellen im laufenden Haushaltsvollzug auszubringen“, um die Arbeitsfähigkeit sicherzustellen. Wenig überraschend finden sich die meisten dieser Dienstposten – nämlich 150 – in Leitung und Zentralabteilung des neu gegründeten Digitalministeriums. Aber auch das Kanzleramt erhält 40 neue Stellen und das BMWE 17. Ob es im Gegenzug tatsächlich wie angekündigt an anderer Stelle zu Stellenstreichungen kommt, ist offen.

Zudem wurden viele bestehende Stellen neu besetzt und die bisherigen Inhaber in den einstweiligen Ruhestand versetzt. BMWE-Chefin Reiche hat, wie zuerst das Handelsblatt berichtete, bisher sieben von zehn Abteilungsleitern ihres Vorgängers Robert Habeck entlassen – nicht nur die grünen oder grün gelabelten, sondern auch mehrere, die schon unter Peter Altmaier oder Sigmar Gabriel gedient hatten und als schwarz, rot oder neutral galten. Dazu gehören Kirsten Scholl, die 2017 unter Altmaier die Leitung der Europa-Abteilung übernommen hatte, Sabine Hepperle, die 2014 unter Gabriel Leiterin der Mittelstands-Abteilung geworden war, und Philipp Steinberg, der als Sozialdemokrat unter Gabriel Leiter der Abteilung für Wirtschaftspolitik wurde, diesen Job unter Altmaier behielt und von Habeck mit der Leitung der neu geschaffenen Abteilung für Energiesicherheit betraut wurde.

Dass auch diese erfahrenen und parteiübergreifend anerkannten Experten unverzüglich in den Ruhestand versetzt wurden, hat im Ministerium für erhebliches Befremden gesorgt. Denn bei politisch klar verorteten Personen ist das üblich. Auch Habeck hatte kurz nach seiner Amtsübernahme mehr als die Hälfte der Abteilungsleiter ausgetauscht. Doch bei politisch unabhängigen Beamten oder bei Abteilungsleitern, die unter Führung der eigenen Partei oder auch des aktuellen Koalitionspartners ernannt wurden, ist es eher ungewöhnlich.

Familienministerin Prien, auch in einem vormals grünen Haus, hat inzwischen allen sechs Abteilungsleitern ihre Entlassungsurkunden überreicht oder sie von ihren Dienstpflichten entbunden. Auch das hat viele überrascht, weil Prien aus der schwarz-grünen Landesregierung von Schleswig-Holstein kommt. Im zuvor von Steffi Lemke geleiteten Umweltministerium hat Carsten Schneider (SPD) hingegen alle bis auf einen Abteilungsleiter behalten. Ebenso ist es im BMLEH unter CSU-Minister Alois Rainer. CSU-Kollege Alexander Dobrindt hat im vormals roten BMI bisher vier Abteilungsleiter in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Und aus dem Auswärtigen Amt wird berichtet, dass Johann Wadephul zunächst in Personalfragen sehr entschlossen „eingeritten“ sei, auf Hinweis seiner Amtsvorgängerin Annalena Baerbock aber „einen Gang zurückgeschaltet“ habe, um die Diplomaten nicht gegen sich aufzubringen.

Politische Beamte – Abteilungsleiter in der Regel mit der Besoldungsstufe B9 – erhalten im einstweiligen Ruhestand zunächst drei Monate volle Bezüge (Grundgehalt 13.295 Euro), dann drei Jahre die volle Pension in Höhe von 71,75 Prozent ihrer bisherigen Dienstbezüge. Das sind jeweils mindestens 343.410 Euro. Anschließend liegt die Pension – abhängig von der Zahl der „ruhegehaltsfähigen Dienstjahre“ – zwischen 35 und 71,75 Prozent.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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