Analyse
Erscheinungsdatum: 28. Mai 2025

Der erste Koalitionsausschuss: Mit 55 Maßnahmen gegen die Krise  

Koalition der Harmonie: Union und SPD setzen auf ein 55-Punkte-Programm zur Stimmungswende.

Nach knackigen vier Stunden beendeten die Spitzen von Union und SPD am Mittwoch den ersten Koalitionsausschuss. Die Botschaft bei der anschließenden Pressekonferenz war eindeutig: demonstrative Harmonie. Eine „sehr gute Atmosphäre“, hatte Kanzler Friedrich Merz ausgemacht. „Konstruktiv und vertrauensvoll“ nannte es SPD-Chef Lars Klingbeil. Und CSU-Chef Markus Söder ließ sich gar dazu hinreißen, dass dieses Treffen „Lust auf mehr“ mache.

Das Sofortprogramm mit knapp 55 Einzelmaßnahmen, auf das sich Union und SPD einigten, soll noch vor der Sommerpause die Stimmung im Land ins Positive drehen. Vorbereitet hatten es in den vergangenen Tagen Kanzleramtschef Thorsten Frei, CSU-Innenminister Alexander Dobrindt und SPD-Koordinator Björn Böhning. Viel diskutiert wurde im Ausschuss selbst daher nicht mehr. Streitpunkte habe es überhaupt keine gegeben, so hieß es. Die schwierigen Fragen habe man ja bereits in den Koalitionsverhandlungen diskutiert. Das gelte auch für die Themen Migration, Rentenkasse für Beamte, Verteidigungsausgaben und Taurus, zu denen zuletzt unterschiedliche Auffassungen nach außen gedrungen waren.

Das Ergebnis ist ein Maßnahmen-Mix aller Lieblingsprojekte der Koalitionspartner – und zunächst eine Absichtserklärung:

  • Union und SPD war vor allem wichtig, ein rasches Entlastungssignal an die Unternehmen zu senden. Deshalb soll Finanzminister Klingbeil vor den Sommerferien ein Gesetz vorlegen, mit dem die Super-Abschreibungen (30 Prozent) für die Jahre 2025, 2026 und 2027 für Investitionsgüter umgesetzt werden. Darin soll auch das Gesetz zur Senkung der Körperschaftsteuern ab 2028 enthalten sein. Außerdem soll dem inhabergeführten Mittelstand erleichtert werden, sich wie ein Kapitalunternehmen besteuern zu lassen. 

  • Die Entlastungen bei den Netzentgelten und die Absenkung der Stromsteuer sollen ebenfalls vor der Sommerpause in den Bundestag kommen.  

  • Der Bau-Turbo soll Bauprojekte erheblich vereinfachen und vor allem umweltrechtliche Einschränkungen beim Bau von Wohnungskomplexen in angespannten Wohnungsmärkten begrenzen.  

  • Das Infrastruktur-Sondervermögen soll durch ein Errichtungsgesetz, das auch die Kriterien für die Ausgaben beinhaltet, konkretisiert werden. Darauf haben vor allem die Länder in den vergangenen Tagen gedrängt.  

  • Die CSU hat beim Treffen eine rasche Umsetzung der niedrigeren Mehrwertsteuer für die Gastronomie, die Entlastungen beim Agrar-Diesel und die höhere Pendlerpauschale schon ab Januar 2026 durchgesetzt. 

  • SPD-Finanzminister Klingbeil soll in der Runde klargemacht haben, dass er von allen Ressorts Einsparmaßnahmen erwartet, um die Haushaltslücken zu decken.  

  • Auch die neue Förderung für die Elektromobilität soll 2025 kommen. 

  • Der SPD wiederum war wichtig, dass das Tariftreuegesetz noch in diesem Jahr kommt. Dabei sollen öffentliche Aufträge nur an tarifgebundene Unternehmen gehen.  

  • Wenn es nach der SPD und der CSU geht, soll dieses Jahr auch noch ein Rentenpaket verabschiedet werden, in dem die Fixierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent und die Mütterrente enthalten sind. Die Aktivrente, die Rentnern einen höheren steuerfreien Zusatzverdienst ermöglichen soll, soll nun ebenfalls in dem Paket beschlossen werden.  

Auch Wahlrechtsreform und Schuldenbremse waren Thema. Union und SPD sind sich in der Sache hier nicht einig, verständigten sich aber darauf, nach der Sommerpause Expertenkommissionen einzusetzen und die Themen nicht auf die lange Bank zu schieben.

Zum Abschluss des ersten Koalitionsausschusses gab es im Kanzleramt Schnitzel und Buletten. Und das gemeinsame Versprechen, dass das Gremium nicht wie bei der Ampel als Krisengremium enden dürfe, sondern als regelmäßig tagende Lösungsrunde. „Heute wirklich alles friedlich“, kommentierte ein Mitglied des Ausschusses den Tag. Es klang fast so, als könne er es selbst nicht glauben.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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