Es waren viele Verdachtsmomente, über die das Handelsblatt seit Ende Juli in mehreren Artikeln berichtet hatte: Der Leiter der Grundsatzabteilung des Bundesverkehrsministeriums sollte private Freundschaften zu einem Unternehmer und einem Verbandsvertreter aus der Wasserstoffwirtschaft unterhalten haben, und diese sollten in erheblichem Umfang Fördergelder vom Ministerium erhalten haben. Zudem habe er über Patente im Wasserstoff-Bereich verfügt und das bei seiner Einstellung im Ministerium nicht angegeben. Und auch in Bezug auf eine Honorarprofessur des Abteilungsleiters sollte es Auffälligkeiten gegeben haben.
Das Verkehrsministerium hatte zu den Vorwürfen zunächst lange geschwiegen, bevor es sie Ende August unter Berufung auf einen Zwischenbericht der internen Revision weitgehend zurückwies. Details zu den Ermittlungen wurden dabei nicht bekannt, denn der Bericht wurde als Verschlusssache eingestuft. Am Donnerstag veröffentlichte das Handelsblatt nun eine „Klarstellung“, in der es in Bezug auf mehrere Verdachtsmomente heißt, man halte an der bisherigen Darstellung „nicht weiter fest“.
Das Ministerium wies andere Medien, die ebenfalls über den Verdacht berichtet hatten, am Mittwoch auf die Klarstellung hin; dabei konnte der Eindruck entstehen, die Korrektur gelte für sämtliche vom Handelsblatt berichteten Verdachtsmomente. Tatsächlich geht es in der Klarstellung aber nur um einen Teil der Vorwürfe : So lief die Berufung zum Honorarprofessor ordnungsgemäß ab, und der vom Handelsblatt erwähnte Unternehmer, der in erheblichem Umfang von Förderprogrammen des Ministeriums profitierte, ist nicht mit dem Abteilungsleiter befreundet oder in Urlaub gefahren.
Nicht bestätigt hat sich auch der (in der Klarstellung nicht erwähnte) Verdacht bezüglich der angeblichen Patente: Aus der Datenbank des Deutschen Patentamts geht hervor, dass der Abteilungsleiter nur bei einem Wasserstoff-Patent als Erfinder eingetragen ist; zwei weitere Patente wurden beantragt, aber nicht erteilt. Und beim tatsächlich erteilten Patent ist das Schutzrecht bereits im Jahr 2012 ausgelaufen, weil laut Datenbank die Jahresgebühr nicht bezahlt wurde.
Zumindest in einem Fall hat das Ministerium die vom Handelsblatt berichteten Fakten aber explizit bestätigt: Es sei zutreffend, dass der Abteilungsleiter mit dem Vorstandsvorsitzendes des Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverbands (DWV) privat befreundet ist und mit ihm gemeinsame Urlaube verbracht habe, schreibt das Ministerium in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, die Table.Media vorliegt. Und es bestätigt auch, dass der Vorstandsvorsitzende im April 2021 „ Unterlagen zu einem möglichen Innovationscluster zu Wasserstoff in der Mobilität“ persönlich an den befreundeten Abteilungsleiter geschickt habe. „Dieser leitete die Unterlagen an das zuständige Fachreferat im Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BDMV) zur fachlichen Prüfung“, heißt es in der Antwort.
Die Prüfung fiel positiv aus: Am 16. Dezember 2021 erhielt die DWV vom BMDV einen Förderbescheid über 1,44 Millionen Euro. Das Ministerium sieht in dem Vorgang trotzdem kein Problem. Der Zwischenbericht sei zum Ergebnis gekommen, dass „eine weitere Befassung“ des Abteilungsleiters „im nachgelagerten Bewilligungsverfahren nicht festgestellt werden konnte“. Darum gebe es auch „keine Anhaltspunkte für eine Umgehung des Dienstweges“. Allerdings schränkt das Ministerium – wie in mehreren weiteren Antworten – ein: „Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen.“
Ulrich Lange, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion, sieht darum weiteren Aufklärungsbedarf. „Die Untersuchungen im BMDV laufen offenbar immer noch, wie das Ministerium selbst mitteilt“, sagte er Table.Media. „Das verfestigt den Eindruck, dass an den Vorwürfen gegen den Abteilungsleiter etwas dran sein könnte.“ Dass die Ermittlungsergebnisse unter Verschluss gehalten werden, hält Lange für nicht akzeptabel. „Das Verkehrsministerium agiert in der Sache bislang sehr intransparent“, kritisiert er – und fordert: „Das Wissing-Ministerium muss den Abschlussbericht veröffentlichen, damit nicht der Eindruck entsteht, dass etwas unter der Decke gehalten wird.“
Das BMDV habe zugegeben, „dass die privaten Verbindungen des Abteilungsleiters zur Wasserstoffwirtschaft schon lange bekannt waren“, sagte Lange weiter. Trotzdem sei seine Abteilung an der Erarbeitung von entsprechenden Förderrichtlinien beteiligt. „Eine gewisse Tendenz zur Spezlwirtschaft ist im BMDV durchaus erkennbar“, folgert der Unions-Fraktionsvize. „Glaubwürdigkeit und Vertrauen in die strikte Trennung von Dienstlichem und Privatem werden dadurch jedenfalls nicht gestärkt.“ Neben der Veröffentlichung des Abschlussberichts bringt er eine parlamentarische Aufarbeitung ins Spiel. „Es spricht viel dafür, dass sich der Verkehrsausschuss des Bundestages mit den Vorwürfen gegen den Abteilungsleiter beschäftigen muss.“
Auch der Verband Lobbycontrol drängt auf Konsequenzen. Der Fall sei „trotz der zurückgezogenen Vorwürfe vom Handelsblatt noch immer fragwürdig“, sagte Sprecherin Christina Deckwirth. Es brauche „klare Verhaltensregeln, wie mit Freundschaften zwischen der Geldgeberseite und der Geldempfänger-Seite umgegangen wird“. Wenn ein Abteilungsleiter eine persönliche Anfrage zum Thema Fördergelder einfach an sein Fachreferat weiterleite, habe das „zumindest ein Geschmäckle“, meint Deckwirth.
Es schade dem Ansehen des Ministeriums, wenn auch nur der Eindruck entstehe, dass Freundschaften bei der Vergabe von Fördergeldern eine Rolle spielten. „Hier braucht es ganz offensichtlich klarere Compliance-Regeln und -Verfahren im Ministerium und – wie der Fall Graichen gezeigt hat – auch für die gesamte Bundesregierung“, sagt die Lobbycontrol-Sprecherin. „Dafür sollte sich der zuständige Minister Volker Wissing nun einsetzen.“