Der politische Grundsatzstreit um das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist fürs Erste entschärft; und die Akteure sind entweder erleichtert (Kanzler Scholz), frohlocken (die FDP) oder quälen sich mit den Konsequenzen (die Grünen). Jetzt aber geht es um die vielen Detailfragen bei der Umsetzung. Und da sieht es, wie das Beispiel Münchens zeigt, besser aus, als manche Kritik befürchten lässt. Inhaltlich und bei der zeitlichen Perspektive.
Einer, der mit besonderem Optimismus an die Sache geht, ist Florian Bieberbach. Der Chef der Münchner Stadtwerke, mit etwa 11.000 Mitarbeitern eines der größten kommunalen Unternehmen in Deutschland, glaubt ziemlich fest daran, dass die angepeilten Ziele erreicht werden können. Die Wärmewende sei zwar „schon ein Megaprojekt“, so Bieberbach im Gespräch mit Table.Media. Aber er fügt hinzu: „Wenn eine Maschine mal am Laufen ist, dann kann eine solche Maschine ein Land auch in kurzer Zeit verändern.“ Das Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, halte er „für erreichbar“.
Bieberbach hat auch vor der letzten Wende im politischen Streit nicht den Inhalt und die Ziele des Gesetzes für einen Fehler gehalten; er hat sich über die aus seiner Sicht „verkorkste Kommunikation“ geärgert. Selten habe man mit einem Gesetz „so viel Verunsicherung geschaffen“. Er gehöre nicht zu denjenigen, die das GEG verdammen würden. Im Gegenteil: „Es ist richtig, dass man jetzt an die schmerzhaften Dinge herangeht.“ Das müsse freilich systematischer und besser abgestimmt geschehen als vorher.
Für den schwersten Fehler hielt Bieberbach von Anfang an die ursprünglich geplante Reihenfolge bei der Wärmewende. Er erklärte stets, dass es aus seiner Sicht am sinnvollsten wäre, erst ein Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung zu machen und danach ein Gebäudeenergiegesetz. Erst wenn die Kommunen ihre Wärmepläne erstellt hätten, gebe es für die Hauseigentümer die notwendige Planungssicherheit, wie sie künftig heizen können. Diesen Fehler hat die Ampel jetzt korrigiert, das GEG soll mit der kommunalen Wärmeplanung verzahnt werden. Und bestimmte Regelungen sollen erst dann gelten, wenn vor Ort der jeweilige kommunale Wärmeplan vorliegt.
Wichtig ist laut Bieberbach außerdem, dass das Gesetz die Wärmenetze „als wichtigen Teil der Lösung“ beschreibt. Der Münchner Stadtwerke-Chef fordert dafür allerdings realistische Übergangsfristen. Die Vorgabe, dass die bestehenden Wärmenetze bis 2030 zu 50 Prozent mit erneuerbaren Energien beheizt werden müssen, hält er bei den großen Fernwärmenetzen für „nahezu unmöglich“. In Bieberbachs Augen besteht die Gefahr, dass solche Netze in den großen Städten gar nicht weiter ausgebaut würden.
Die Politik, so der Münchner, müsse bedenken, dass der Bau großer Anlagen zur Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien „unheimlich lange Vorlaufzeiten“ habe. So dauere es bei einem großen Geothermieprojekt von der Planung bis zur Fertigstellung etwa zehn Jahre. Die Politik müsse deshalb entweder auch im Wärmebereich, ähnlich wie beim Ausbau der Windenergie, die Genehmigungsverfahren beschleunigen oder die Fristen nach hinten verlängern. Bieberbach plädiert dafür, statt pauschaler Regelungen durch den Bund den Kommunen „weitgehende Handlungsspielräume“ zu geben, auch bei der Festsetzung von Fristen.
Bieberbach widerspricht der These, dass mit dem Vorrang für die kommunale Wärmeplanung die Umstellung auf klimafreundliche Heizungen auf die lange Bank geschoben wird. Gerade München zeige, dass das so nicht stimme. Dass kleinere Kommunen bis 2028 Zeit haben, ihre Wärmepläne vorzulegen, bedeutet laut Bieberbach nicht, dass bis dahin nichts passiert und alle auf den letzten warten müssen. In München, der drittgrößten Stadt nach Berlin und Hamburg, sei die Wärmeplanung fast fertig. „München will im Herbst im Stadtrat die kommunale Wärmeplanung vorstellen“, sagt Bieberbach.
Je nach örtlichen Gegebenheiten werden demnach in den einzelnen Stadtteilen unterschiedliche Lösungen zum Einsatz kommen: der Anschluss an das große Fernwärmenetz der Stadt, kleinere lokale Wärmenetze, Tiefengeothermieprojekte – im Untergrund der Münchner Schotterebene gibt es große Heißwasservorkommen – und sogenannte kalte Wärmenetze, bei denen mit Grundwasser gearbeitet wird. Letzteres sei eine sehr vielversprechende Technologie, „von der wir glauben, dass sie eine große Zukunft hat“, sagt Bieberbach.
Neben den Wärmepumpen in den einzelnen Häusern werden bei den Wärmenetzprojekten große Wärmepumpen eine entscheidende Rolle spielen. „Wir gehen davon aus, dass hier in München Wärmepumpen neben der Tiefengeothermie die dominierende Technologie sein werden“, sagt Bieberbach und fügt hinzu: „Nicht, weil wir Wärmepumpenfans sind, sondern weil wir glauben, dass das für die meisten Hauseigentümer die wirtschaftlichste Lösung sein wird“. In Gebäuden, für die es kein Wärmenetz geben wird und Wärmepumpen nicht infrage kommen oder zu teuer sind (etwa schlecht gedämmte, unter Denkmalschutz stehende Altbauten), werden Pellet- oder Biomasseheizungen in manchen Fällen schlicht „alternativlos“ sein.
Weil die Lösungen so unterschiedlich sind, könnten sich manche Befürchtungen oder übertriebene Erwartungen rasch verflüchtigen. Etwa die Hoffnung der FDP, dass Gasheizungen, die sich auf grünen Wasserstoff umrüsten lassen, die große Alternative werden könnten. Bieberbach glaubt, dass grüner Wasserstoff „nur in Nischen eine Bedeutung haben wird“. Bis grüner Wasserstoff in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehe, würden noch Jahre vergehen. Hinzu kommt die ökonomische Komponente, die für die meisten am Ende ausschlaggebend sein wird bei der Entscheidung über die künftige Heizung. Die Wärmepumpe werde „deutlich günstiger sein als grüner Wasserstoff“, sagt Bieberbach. Die Technologieoffenheit, die sich die FDP so sehr auf die Fahnen geschrieben habe, könne sich am Ende als Schimäre erweisen. Das Fazit des Münchner Stadtwerke-Chefs fällt eindeutig aus: „Für Hauseigentümer ist Wasserstoff total unattraktiv.“
Zugleich warnt der Münchner davor, die Voraussetzungen für eine Wärmewende, die vor allem auf Strom basiert, zu unterschätzen. Parallel zur Wärmewende müssten auch die Stromnetze ertüchtigt werden, um vor allem im Winter dem gleichzeitigen Einsatz von Wärmepumpen und dem Laden von E-Autos gewachsen zu sein. Die Stromnetze müssten deshalb in den nächsten Jahren „systematisch ausgebaut werden“.